Wer tanzt mit dem Wolf?

Juli 3, 2007

So ein Zufall! – Der heutige Tagesspruch des Data-Becker-Lexikon, das mich beim Einschalten des Rechners mit geistreichen Sprüchen begrüßt, setzt wieder einmal einen Pfeil in Richtung Rügen
Jede Zeit hat ihren guten und bösen Geist. Erkenne nur das bessere der Gegenwart, und stelle nicht, wie viele jetzt wollen, die Vergangenheit als unbedingtes Vorbild für die Gegenwart auf. (Caspar David Friedrich)
Außerdem hat Ferdinand Sauerbruch heute seinen 132. Geburtstag. Wieder ein versteckter Link in Richtung Rügen: Sein vor fast 80 Jahren an der Charité in Berlin geprägter Spruch: „In diesem Puff kann man nicht arbeiten“ kam mir während meiner aktiven Dienstzeit im Landratsamt Rügen immer wieder in den Sinn.

Zwischenzeitlich muß ich mich fragen, ob Sauerbruchs Spruch nicht für das gesamte Land gilt, das ich einmal als meine Heimat angesehen habe. – Was meine Vaterlandsliebe anbelangt, drifte ich immer mehr in Richtung Heinrich Heines, der wie ich ein Kind des Altbiers und des Löwensenfs war.

In einem Land, das vor unserer Zeit existierte, gab es einen Tag, an dem die Fackel des „Rechtsstaats“ ein wenig Licht in das Dunkel des Gerangels um Macht, Einfluß und „freien Zugang zu den Fleischtöpfen“ brachte.

Wir schreiben das Jahr 13 nach Orwells 1984. Anläßlich einer Pressekonferenz tut sich der Präsident des „Bundes der Steuerzahler“ als Hüter des „Volksvermögens“ hervor:

Die Strafbarkeit der rechtswidrigen Verwendung öffentlicher Mittel

Statement von Dr. Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler, in der Pressekonferenz am 24. Januar 1997 in Bonn:

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Verschwender von Steuergeldern gehen schweren Zeiten entgegen. Mit der argumentativen Unterstützung des Gutachtens von Professor Dr. Wolf werden wir Fälle, von denen wir meinen, daß es sich um eine rechtswidrige Verwendung von Steuergeldern handelt, zur Strafanzeige bringen. Die Kernaussage des Gutachtens, daß der Paragraph 266 des Strafgesetzbuches ein wirksames Mittel zur Bestrafung der Steuergeldverschwendung sein kann, löst ein Problem, das sich in der Vergangenheit immer wieder gestellt hat: Wenn wir nämlich mit unserer Forderung nach Ergänzung des Strafgesetzbuches an die Politik herantraten, hat man uns beschwichtigend wissen lassen, das bestehende Instrumentarium reiche aus. Ein neuer Straftatbestand oder die Ergänzung bestehender Straftatbestände seien nicht nötig. Sogar die Rechnungshöfe vertraten diese Auffassung. Wenn wir dann aber in konkreten Einzelfällen wie beim Gästehaus des Bundes auf dem Petersberg und beim Neubau des Plenarsaals Strafanzeigen erstattet haben, mußten wir erleben, daß Ermittlungsverfahren eingestellt oder gar nicht erst aufgenommen wurden, weil das Strafrecht dafür angeblich keine Handhabe bot. Im Laufe der Zeit wurde aber eine positive Entwicklung für uns erkennbar. Die Begründungen, warum im konkreten Fall keine Steuergeldverschwendung vorlag, wurden nämlich immer länger und kunstvoller. Der Rechtfertigungsdruck nahm zu. – Dies war für den Bund der Steuerzahler der Grund, Professor Dr. Wolf, der zu diesem Thema bereits einschlägige Veröffentlichungen vorgelegt hat, mit der Erstellung des Gutachtens zu beauftragen. Wir wollten geklärt wissen, welche Möglichkeit Paragraph 266 StGB in der bestehenden Form bietet. Das Ergebnis kennen wir jetzt: Die rechtswidrige Verwendung von Steuergeldern ist strafbar. Darüber wird sich in Zukunft kein Staatsanwalt mehr so einfach hinwegsetzen können, wie das bisher geschehen ist.

 

Daß die vorsätzliche Verschwendung von Steuergeldern nach geltendem Recht strafbar ist, erspart uns viel Arbeit. Denn die Parlamente haben sich in der Vergangenheit als äußerst phlegmatisch oder sogar unwillig erwiesen, wenn es darum ging, den Steuergeldverschwendern das Handwerk zu legen. Sporadische Vorstöße einzelner Abgeordneter oder Fraktionen in den Parlamenten, das Strafrecht zu ändern, versandeten. Aufgefallen bei diesen Initiativen ist vor allem eines: Die wortreichen Bekenntnisse zum sparsamen Umgang mit Steuergeldern, die in der Regel von allen Seiten vorgetragen wurden, standen in einem auffälligen Kontrast zum Ergebnis solcher Debatten. Die Rückbesinnung auf den Wesenskern des Untreuetatbestands erlaubt uns, die Frage der Einführung eines eigenen Straftatbestands der Amtsuntreue zunächst außen vor zu lassen. Das schließt aber nicht aus, daß wir diesen dornenreichen Weg nicht doch noch gehen müssen, wenn der Erfolg langfristig ausbleiben sollte. Wenn die Rechtsprechung diese Wendung nicht vollzieht und die herrschende Meinung sich nicht dieser Erkenntnis anschließt, müssen und werden wir unsere bisherige Forderung erneut massiv in den politischen Willensbildungsprozeß einbringen. – Die Staatsanwaltschaften betreten jetzt natürlich Neuland und werden gewisse Berührungsängste haben. Und es wird sicherlich ein gewisser Gewöhnungsprozeß an die neue Sichtweise erforderlich sein. Aber das ist nichts Neues. Ich darf das vergleichen mit der Bekämpfung der Korruption, denn die Parallelen sind eindeutig. In beiden Fällen handelt es sich um Straftaten ohne sichtbare Opfer; die Zeche zahlt stets der anonyme Steuerzahler. Hier wie dort wurde das Problem lange geleugnet und heruntergespielt. Auch bei der Bekämpfung der Korruption haben sich der Gesetzgeber und die Strafverfolgungsbehörden eine ganze Zeit lang ausgesprochen schwer getan, bis sie das richtige Augenmaß für diese Problematik entwickelt haben. Das ist bei der Verfolgung von Korruption erfolgreich verlaufen und wird bei der Verfolgung und Aufdeckung der Steuergeldverschwendung ähnlich sein. Es gilt nun, die neu gewonnenen Erkenntnisse in der praktischen Arbeit umzusetzen. Vor allem müssen die Strafverfolgungsbehörden den – bewußten oder unbewußten -Respekt vor großen Namen in Politik und Parteien ablegen.

Man könnte nun meinen, ein solches Vorgehen sei geeignet, den gesamten öffentlichen Dienst oder zumindest die Teile des öffentlichen Dienstes, die Steuergelder ausgeben, zu kriminalisieren. Diese Sichtweise ist jedoch falsch. Von einem wirksamen Straftatbestand der Untreue versprechen wir uns in erster Linie eine präventive Wirkung auf der einen und die gezielte Verfolgung und Bestrafung von Steuergeldverschwendern auf der anderen Seite, genauso wie bei allen anderen Vorschriften des Strafgesetzbuches. Die Androhung von Strafen soll potentielle Täter abhalten. In den Fällen aber, wo dies nicht gelingt, müssen die Täter nach den Buchstaben des Gesetzes bestraft werden.

Mit diesen Worten stellte er ein Rechtsgutachten vor, das Prof. Dr. Gerhard Wolf in mühevoller Kleinarbeit erarbeitet hatte:

Erklärung von Professor Dr. iur. Gerhard Wolf, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozeßrecht und Rechtsinformatik Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder) anläßlich der Pressekonferenz am 24. Januar 1997 in Bonn
Jede vorsätzlich haushaltsgesetzwidrige Verwendung öffentlicher Mittel ist eine strafbare Untreue

Meine Damen und Herren,

durch die Vergeudung öffentlicher Mitte: gehen den öffentlichen Haushalten nach vorsichtigen Schätzungen jährlich mehr als fünfzig Milliarden DM verloren. Dennoch scheint – ungeachtet der gegenwärtigen Haushaltslage – in den verantwortlichen staatlichen Stellen niemand bemüht zu sein, diesem Mißstand grundlegend abzuhelfen. – Die Vergeudung öffentlicher Mittel wird in der juristischen Praxis bisher nur in seltenen Fällen geahndet. Die strafrechtliche Rechtsprechung und Literatur liefern hierfür sogar scheinbar eine Begründung:

Die Strafbarkeit nach § 266 StGB wegen Untreue soll selbst bei einem bewußten Verstoß gegen die Haushaltsgesetzte daran scheitern, daß der öffentlichen Hand kein Schaden entstehe, wenn für die rechtswidrig ausgegebenen Mittel irgendeine „per Saldo“ gleichwertige Gegenleistung erzielt wird. Wozu diese Ansicht führt, zeigt folgendes Beispiel: Schafft der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde unter Verstoß gegen sämtliche Richtlinien für die Einrichtung seines Büros kostbare Teppiche an, kann strafrechtlich angeblich nicht gegen ihn vorgegangen werden, wenn er für sie einen angemessenen Preis bezahlt hat: Dann stellen de Teppich einen „adäquaten Gegenwert für das ausgegebene Geld‘ dar. so daß die öffentliche Hand rechnerisch sucht geschädigt werde und der Täter folglich auch keinen Schädigungsvorsatz habe. Im Ergebnis würde dies bedeuten, daß sämtliche Haushaltsgesetze vorsätzlich ignoriert werden könnten, ohne daß den Täter irgendwelche Folgen treffen. – Inzwischen setzt sich allmählich die Erkenntnis durch. daß ein strafrechtlicher Freibrief für die rechtswidrige Verwendung öffentlicher Mittel verfehlt ist. So hat das Landgericht Stuttgart Anfang Dezember 1996 den ehemaligen Generalintendanten der Württembergischen Staatstheater und seinen Verwaltungsdirektor wegen Untreue verurteilt. Die Angeklagten hatten den „Theater-Haushalt um Millionen überzogen“. Auch in den neuen Bundesländern mehren sich die Verfahren, in denen die Vergeudung öffentlicher Mittel als Untreue angeklagt wird.

 

Der geltende Untreuetatbestand läßt sich einfach zusammenfassen:

Untreue (Veruntreuung) ist die vorsätzliche Herbeiführung eines Vermögensnachteils unter Verstoß gegen eine rechtliche Beschränkung, der der Täter dem Vermögensinhaber gegenüber unterliegt. Diesen Tatbestand erfüllen auch diejenigen, die unter Beachtung der Haushaltsgesetze über die Verwendung öffentlicher Mittel zu entscheiden haben, dabei aber bewußt die bestehenden haushaltsgesetzlichen Beschränkungen ignorieren. – Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß es an dem nach § 266 StGB erforderlichen Schauen der öffentlichen Hand fehle, wenn diese eine gleichwertige Gegenleistung erhalte. Die „Saldierung“ von Vor- und Nachteilen bei der Schadensermittlung ist vielmehr logisch, methodisch und sachlich verfehlt: .An die Stelle der realen Vermögensgegenstände tritt ein fiktiver Wert; die Ermittlung; der einzelnen Nachteile wird durch das Gesamtergebnis einer Gewinn- und Verlustrechnung ersetzt. Die Verneinung eines Schadens ist in den genannten Fällen nicht das Resultat einer Analyse der gesetzlichen Begriffe Vermögen, Schaden und Vermögensschaden, sondern sie beruht auf dem vorher festgelegten strafrechtlichen Ergebnis: Man scheut sich davor, hochrangige Beamte strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen, Es führt aber kein Weg an der Feststellung vorbei, daß ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Haushaltsgesetze vorliegt und – vereinfacht formuliert – „das Geld weg ist“. Mehr ist für die Strafbarkeit nach § 266 StGB jedoch nicht erforderlich. – Jeder Verstoß gegen ein Haushaltsgesetz stellt einen Mißbrauch einer eingeräumten Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis dar oder aber er begründet eine Verletzung der Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der öffentlichen Hand. Haushaltsgesetze, Richtlinien und interne Verwaltungsanweisungen enthalten präzise Bestimmungen, wie verfügbare öffentliche Mittel auszugeben sind, so daß ein eingeräumtes Ermessen meist eng begrenzt ist. Neben solchen speziellen haushaltsrechtlichen Bestimmungen sind nach den Haushaltsgesetzen insbesondere die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Wer sich über eine dieser Beschränkungen vorsätzlich hinwegsetzt, macht sich strafbar. – Strafbar ist jede vorsätzliche Verletzung des Haushaltsrechts. Die Strafbarkeit nach § 266 StGB erfordert zwar keine Schädigungsabsicht. Wenn der Täter aber weiß, daß sein Verhalten mit den Haushaltsgesetzen unvereinbar ist und möglicherweise zu einem Schaden des Vermögensinhabers führt. hat er sog. bedingten Vorsatz und ist daher wegen Untreue strafbar, wenn er dennoch handelt.

Die Regelung im Strafgesetzbuch läßt sich damit auf einen einfachen Nenner bringen. Ausgaben, die auf einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Haushaltsgesetze beruhen, schädigen die öffentliche Hand und sind daher als Untreue strafbar. Um welche haushaltsrechtliche Bestimmung es dabei geht, ist gleichgültig. Jede vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen die Haushaltsgesetze, die zu einer – folglich rechtswidrigen – Ausgabe führt, ist strafbar. Darunter fällt vor allem:

Ausgaben trotz Fehlens eines Haushaltstitels, Haushaltsüberschreitungen, die bestimmungs- und sachwidrige Verwendung zweckgebundener Mittel, die fehlerhafte Vergabe öffentlicher Aufträge, übertriebener Repräsentationsaufwand, die Bereicherung von Privatleuten durch öffentliche Mittel, Ämterpatronage. Alles das ist nach geltender Gesetzeslage als Untreue zu bestrafen.

Meine Thesen lauten:

1. Jede vorsätzlich haushaltsgesetzwidrige Entscheidung über die Verwendung öffentlicher Mittel ist eine nach 5 266 Abs. 1 StGB strafbare Untreue.

2. Die Ergebnisse, zu denen eine konsequente Anwendung der geltenden Strafgesetze führt, sind in keiner Hinsicht zu beanstanden: Untreue ist die vorsätzliche Herbeiführung eines Vermögensnachteils durch eine Entscheidung des Täters, die dieser trifft, obwohl er weiß, daß sie rechtswidrig ist. Es gibt nicht den geringsten Grund, die rechtswidrige Verwendung öffentlicher Mittel hiervon auszunehmen.

3. Die bisherige Praxis. nach der die rechtswidrige Verwendung öffentlicher Mittel keinerlei zivilrechtliche, dienstrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat, ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern stiftet geradezu dazu an, öffentliche Haushalte las Selbstbedienungsladen aufzufassen und die verfügbaren Gelder ohne jede Rücksicht auf die Bestimmungen des Haushaltsrechts auszugeben.

 

4. Staatsanwaltschaften und Gerichte sind gesetzlich verpflichtet, die Veruntreuung öffentlicher Mittel strafrechtlich zu verfolgen. Die Beachtung des geltenden Untreuestrafrechts läßt sich daher mit den vorhandenen gesetzlichen Regelungen erzwingen

Die Strafverfolgungsbehörden werden sich dementsprechend zunehmend mit der Frage auseinandersetzen müssen, warum sie in Fällen der Veruntreuung öffentlicher Mittel nicht einschreiten. Schärfer formuliert geht es um die einfache Frage, mit welcher Begründung Privatleute für die vorsätzliche rechtswidrige Schädigung fremden Vermögens, für das sie zu sorgen haben, nach § 266 StGB bestraft werden, währen die vorsätzliche rechtswidrige Verwendung öffentlicher Mittel durch Staatsdiener, die nach dieser Bestimmung ebenso strafbar sind, nicht geahndet wird. Auf diese Frage gibt es keine Antwort. Man sollte sie daher solange wiederholen, bis die erforderlichen Konsequenzen gezogen werden. Kommen die Staatsanwaltschaften ihrer Pflicht zum Einschreiten von Amts wegen nicht nach, sollte der erforderliche Entscheidungsdruck durch Veröffentlichungen und durch begründete Strafanzeigen herbeigeführt werden. Bisher sind die Verantwortlichen der berechtigten Forderung nach einer Bestrafung der Täter stets ausgewichen. Wurde auf der Grundlage der geltenden Gesetze eine Strafanzeige erstattet, lautete die Antwort (der Staatsanwaltschaften), das „vorhandene Instrumentarium“ reiche nicht aus, um die Tat zu verfolgen. – Wurde daraufhin die Forderung nach einer gesetzlichen Neuregelung erhoben, verwies man (seitens der Mitglieder der zuständigen Gesetzgebungsorgane) auf das „vorhandene Instrumentarium“, das völlig ausreichend sei.

Auf Dauer wird es nicht gelingen, sich mit dieser widersprüchlichen Argumentation aus der Affäre zu ziehen. Man kann sich nicht den jeweils bequemsten Vorwand heraussuchen, ohne die eigene Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Behauptung: „Die geltenden Gesetze reichen nicht aus“ und die Behauptung.“ Die geltenden Gesetze reichen völlig aus“, schließen einander aus, auch wenn sie von verschiedenen staatlichen Stellen aufgestellt werden. Wird ein solches Spiel mit verteilten Rollen dennoch – mittlerweile seit Jahrzehnten – praktiziert, geraten alle Beteiligten in den Verdacht, bei ihrer Argumentation nicht redlich zu sein.

Die geltende gesetzliche Regelung ist eindeutig: Personen, denen die Entscheidung über die Verwendung öffentliche Gelder anvertraut ist, veruntreuen diese Gelder und sind daher wegen Untreue strafbar, wenn sie sich über die haushaltsgesetzlichen Beschränkungen, die sie dabei zu beachten haben, vorsätzlich hinwegsetzen.

Die Alternative zu dieser Gesetzeslage wäre die These, daß jeder, der in eine entsprechende Position aufgestiegen ist, öffentliche Mittel unter unverhohlener Mißachtung des Haushaltsrechts nach Belieben verwenden kann, ohne Gefahr zu laufen, dafür strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Bisher hat niemand gewagt, dies öffentlich gutzuheißen. Daraus müssen die Konsequenzen gezogen werden.

Der Herr Professor hat in seinem Gutachten nicht an einem Punkt ein anderes Ergebnis erzielt als ich sieben Jahre zuvor auf Rügen. – Die Staatsanwaltschaft Stralsund unter Federführung des Herrn Leitenden Oberstaatsanwalts von Samson-Himmelstjerna, meinte freilich der letztgenannten These des Wolfes folgen zu müssen: Jeder, der in eine entsprechende Position aufgestiegen ist, kann öffentliche Mittel unter unverhohlener Mißachtung des Haushaltsrechts nach Belieben verwenden, ohne Gefahr zu laufen, dafür strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.
Es zog im Jahre 1997 ein lindes Lüftchen durch den deutschen Blätterwald. Alle gingen zur Tagesordnung über und das Gutachten des Wolfes verschwand in den Bibliotheken der juristischen Fakultäten, wo es von den Damen und Herren Professoren nicht einmal als Anregung für strafrechtliche Hausarbeiten oder Klausuren diente. – Ich möchte wetten, daß sich die Fingerabdrücke, die sich auf den Exemplaren, die sich in den Büchereien der deutschen Staatsanwaltschaften und Gerichte befinden, auf das Jahr 1997 zurückdatieren lassen. – Anders vielleicht in der Juristischen Fakultät der Uni Münster. – Meine Fingerabdrücke auf dem dortigen Exemplar stammen von 1998. – Es könnten die letzten sein, die je ein Mensch dort hinterlassen hat. – Abgesehen von dem Strohfeuer, das Herr Däke damals veranstaltet hatte, hat der „Bund der Steuerzahler“ die vom Wolf geforderten Konsequenzen nicht gezogen. – Wenn es nach Recht und Gesetz gehen, hätte seit dem Gutachten des Wolfes der öffentliche Dienst bis heute unter dem Trommelfeuer des Steuerzahlerbundes stehen müssen. – Aber nein, man ergießt sich selbst im Lamento über die steigende Staatsverschuldung. – Der „Staat“ mag verschuldet sein, soll er sehen, wie er mit seinen Schulden klarkommt. Der Bund der Steuerzahler hätte die Aufgabe, die Gläubiger des „Staates“ darauf hinzuweisen, daß „der Steuerzahler“ für die Schulden, die juristische Personen, die unter dem Rubrum „Bund, Länder und Gemeinden“ firmieren, nicht aufkommen wird. – Verträge zu Lasten Dritter sind nach deutschem Recht nicht möglich und daher unwirksam.

Damals lebten wir alle noch in Kohlrabien. In der Zwischenzeit sind wir durchs Schrödereich gewandert und in Merkeland angekommen. Am Umpumpen des Geldes, das rechtmäßig dem Volk gehört, in private Taschen, daran hat sich nichts geändert. – Auch der große böse Wolf konnte daran nichts ändern, denn auch er ist, sechs Jahre zu spät, demselben Irrtum erlegen wie ich im Jahre 1991 auf Rügen:

 

1. Im Recht zu sein ist keine kugelsichere Weste.

2. Die Staatsanwaltschaft ist trotz des § 152 der Strafprozeßordnung nicht „die objektivste Behörde der Welt“, sondern ein weisungsgebundener Haufen von „Schwarzkitteln“. – Wenn einer aufmuckt, wie es der frühere Generalsstaatsanwalt des Landes Mecklenburg-Vorpommern gewagt hatte, wird er innerhalb von drei Minuten vom Herrn Minister „abgefrühstückt“ und in den „einstweiligen Ruhestand versetzt“.

– Wer muß dessen nutzlose Spaziergänge am Ostseestrand bezahlen? – Sie und ich.

WIR SIND DER STAAT!


Gretchenfrage – Zum Tag der Pressefreiheit

Mai 3, 2016

ImpressumStadtboteBergenDa unlängst Erdogan und  Böhmermann die „Gretchenfrage“ der Demokratie mehr als 20 Jahre nach mir erneut gestellt hatten, entschloß ich mich, eine verkürzte Wiedergabe des Kapitels „DIE ENDLÖSUNG DER GRETCHENFRAGE“ aus meinem Buch „Störtebekers Erben“ in verkürzter Version hier ins Netz zu stellen. Dabei stolperte ich über ein Schreiben an einen Bekannten, der den Bezug zu meinem bislang nicht offiziell veröffentlichten „BUNDESADEL“ herstellt. Ich gehe davon aus, daß hier schon sichtbar wird, daß es um die Pressefreiheit in Deutschland nicht gerade gut bestellt ist:

Lieber Herr V.

zu ihrer freundlichen Anfrage in der Sache „Störtebekers Erben“ nehme ich wie folgt Stellung:

Wir wissen alle nicht, wie weit die Wirkungen des Geschehens reicht, den Altenhoff hier beschreibt. Sicher aber ist, daß das Kapitel „Endlösung der Gretchenfrage“ auch im Jahre 2014 uneingeschränkt gültg ist.

Wenn das der Arndt wüßte!:

https://advocatusdeorum.wordpress.com/?s=Arndt+Pre%C3%9Ffreiheit

Ernst Moritz Arndt ist der wohl bekannteste Sohn der Insel Rügen. – Die Pressefreiheit lag ihm sehr am Herzen, also würde er sich im Grab herumdrehen – mit Turbolader -, wenn er erfahren würde, daß das „Presseorgan“ STADTBOTE BERGEN/RÜGEN seit 1995 ein klassisches Propagandaorgan ist. – Wie der VÖLKISCHE BEOBACHTER, DER STÜRMER, DAS NEUE DEUTSCHLAND oder die „WASSER PRAWDA“ – besser bekannt unter dem Titel OSTSEE_ZEITUNG gibt der redaktionelle Teil nur die „Meinung“ wieder, die der des Herausgebers entspricht. – Und diese ist identisch mit der Meinung der „Stadt Bergen“, und das wird in aller Dreistigkeit auch noch im Impressum ausdrücklich vermerkt:

Impressum

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Fotos:

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Der nächste Stadtbote erscheint Ende August.

Redaktionsschluss ist am 8. August 2014.

Das Bekanntmachungsblatt wird kostenlos mehrmals

im Jahr an alle Haushalte verteilt und ist in der

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Das darf doch wohl nicht wahr sein! – Aber es ist seit fast 20 Jahren Wirklichkeit i der „BRD“, es ist Wirklichkeit n der deutschen Medienlandschaft, die beim allljährlichen Presseball die Medienfreiheit in Deutschland in den höchsen Tönen lobt.

„Durch den bundesdeutschen Blätterwald rauschte Anfang 1997 die Nachricht, der Bund der Steuerzahler hätte ein Gutachten über die Strafbarkeit der Geldverschwendung im Öffentlichen Dienst vorgelegt. Prof. Gerhard Wolff (Viadrina-Univ. Frankfurt/Oder) kam bezüglich der von mir inkriminierten Verhaltensweisen zu demselben Ergebnis wie ich Jahre zuvor. – Allein, ich galt als verrückter Querulant. Und die, die die Millionenschäden verursacht hatten, beziehen heute noch ihre Pensionen auch aus Ihrer Tasche.

– Offensichtlich hat das Gutachten des Professors den Platz noch nicht eingenommen, der ihm angesichts der leeren Staatskassen gebührt, nämlich auf dem Frühstückstisch eines jeden Staatsanwalts, direkt neben der Morgenzeitung.-

Auch bei der bundesdeutschen Journaille macht sich nach und nach eine nicht mehr zu übersehende Beamtenmentalität breit. Man regt sich kurzfristig über „Mißstände“ auf, schreibt den einen oder anderen Politiker hoch oder runter und stürzt sich auf Helmut Kohl und die CDU, ohne einen Blick auf den Gesamtzusammenhang zu werfen:Anfang 1992 machte ich mich auf den Weg nach Hamburg, um die Presse ein wenig wachzurütteln. Dort traf ich mich in der Kantine des „Stern“ mit einem Redakteur, dessen Namen mir freilich nach so langer Zeit nicht mehr geläufig ist.. – Lange Rede, kurzer Sinn: der Herr zeigte sich an der Geschichte nicht sonderlich interessiert. Es ging ja schließlich nur um ca. 4.500.000,– DM Schaden zum Nachteil des Steuerzahlers.- Und der Herr Vertreter der freien Presse blätterte ziemlich gelangweilt – eben wie ein Beamter – in den Unterlagen.

Ausgerechnet der „Stern“ stellt auf dem Titelblatt seiner Ausgabe 38/99 die Frage, „Wo ist das ganze Geld geblieben?“ – Als ich das las, mußte ich herzhaft lachen. Daß ich das nach einer solchen Erfahrung für den größten Flop des „Stern“ seit den Hitlertagebüchern halte, liegt wohl auf der Hand und läßt sich durchaus näher begründen.

Die Medien sind, das glauben wir fast alle, dazu da, uns zu unterhalten. Auch die Aufmachung der Nachrichtensendungen lassen darauf schließen, daß die Entwicklung immer mehr in Richtung Infotainment geht. Sind Leser und Zuschauer wirklich nur Voyeure, die man ergötzen muß? – Brot und Spiele für das Volk, wie weiland in Rom? -Ein unseliges Bündnis zwischen Medien und Politik.

Aber wird sich diese Entwicklung langfristig fortsetzen können oder ist sie nur eine kurzfristige Spielerei, die mit den bis vor kurzem unbekannten Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation zusammenhängt?

Die zweite Alternative wird wohl zutreffen. Das folgt aus der Stellung der Medien, die diese in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft langfristig einnehmen müssen, wollen sie zu deren Stabilisierung beitragen.

– Da sich in unserer Republik gegenwärtig die Skandale und Affären geradezu überschlagen, muß ich mich aus Gründen der Aktualität ein wenig kürzer fassen, als es mir lieb ist.-

Die Pressefreiheit nach Art. 5 GG ist eigentlich im falschen Titel des Grundgesetzes niedergelegt. Die Freiheit der Medien ist der richterlichen Unabhängigkeit ebenbürtig. Beide Institutionen dienen der sozialen Kontrolle. Die Medien spielen dabei eine ganz besondere Rolle: sie sind die Augen und Ohren des „Souveräns“; mit diesen „Sinnesorganen“ beobachtet und belauscht der Souverän die, denen er Führungsaufgaben anvertraut hat, und auch die, die in seinem Namen die formale soziale Kontrolle ausüben, nämlich die Justiz. Und das ist sein gutes Recht. Die Presse hat in Ausübung dieser Funktion „Bericht“ zu erstatten. Die Pressefreiheit ist demnach ureigenste Angelegenheit des Volkes, das – und es kann nicht oft genug wiederholt werden – der Souverän ist.

– Ich habe soeben die Pressefreiheit auf eine Stufe mit der richterlichen Unabhängigkeit gestellt. Ich bin mir dessen bewußt, daß dieser Satz mißverstanden werden kann. Um jeglicher Fehlinterpretation vorzubeugen, muß ich unterstreichen, daß es Aufgabe der Medien ist zu berichten, nicht aber zu richten. Das wiederum ist das alleinige Recht des Souveräns, nämlich des Volkes.-

Meine durchaus kühne und schon fast staatsgefährdende Behauptung über die Stellung der Presse in einer Großsozietät provoziert natürlich zunächst ein gewisses Kopfschütteln. Die philosophischen Grundlagen unseres Grundgesetzes und aller anderen Verfassungen westlicher Demokratien gehen auf John Locke ( Volkssouveränität) und Montesquieu (Gewaltenteilung) zurück. Presse- und Informationsfreiheit werden weder von dem einen noch von dem anderen gewürdigt, also können sie die behauptete Stellung in Verfassungssystem einer Demokratie doch wohl nicht haben.

Der Gedanke ist naheliegend, aber falsch. Medien und Pressefreiheit waren für diese beiden Philosophen noch Dinge, unter denen sie sich ebensowenig vorstellen konnten wie unter den Begriffen Telefon oder Fernsehen. Es gab sie in ihrer Vorstellungswelt einfach nicht. Zeitungen gibt es seit etwa Mitte des 17. Jahrhunderts; dennoch wurde der Presse an sich damals gerade die Natlte sich erst zu einem Zeitpunkt, als Locke und Montesquieu längst das Zeitliche gesegnet hatten. Für Presse- und Informationsfreiheit gab es in ihrer Systematik daher natürlich keinen Platz.

Die Gefahr, die sich für die Mächtigen allein aus der Existenz der Presse ergab, wurde von diesen indes rasch erkannt und mit der Einführung der Zensur vorerst gebannt.

Nicht allein das. Noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann die Obrigkeit damit, eigene Presseerzeugnisse zu schaffen. – Merkwürdigerweise wiederholte sich dieser Vorgang mehr als 250 Jahre später auf Rügen:

Der „Stadtanzeiger Bergen“ war bei den gewählten Vertretern der Stadt in Ungnade gefallen, weil er sich kritisch über deren Tätigkeit geäußert hatte. Im Dezember 1993 schlug die Geburtsstunde des „Stadtboten Bergen“, dessen Herausgeber der jeweilige Bürgermeister der Stadt Bergen ist und der aus Steuermitteln finanziert wird…

Seit 1990 liegt zwar auch Rügen im Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, das in Art. 5 die Pressefreiheit garantiert. Das Vorgehen der Stadt Bergen gegen ein Presseorgan störte aber niemanden, nicht einmal die Presse selbst. Der „Stadtanzeiger Bergen“ war ja schließlich nur ein „Käseblättchen“.

Solange Auflagenhöhe und Einschaltquoten stimmen, ist es ja auch Wurst, was im Lande vor sich geht. – Da läßt es sich gut leben mit einer A 13- Einstellung.

Das bunte Treiben und das große Geldausgeben in den neuen Bundesländern fand zwar unter den Augen der Medien statt, bei diesen aber keine weitere Beachtung.

Da wurde 1992 mal berichtet, der Leiter des Rechnungsprüfungsamts der Stadt Potsdam wäre in die Wüste geschickt worden, weil er einen „allzu wissenschaftlichen Arbeitsstil“ an den Tag gelegt und sich über „geparkte“ Gelder aufgeregt hätte. – Der, der von Berufs wegen dazu angehalten ist, die Ausgabe von Steuergeldern auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, wird gefeuert, weil er seine Pflicht erfüllt. Auch für den Dümmsten ergibt sich daraus der Verdacht, daß es da etwas zu verbergen und zu vertuschen gilt. Für deutsche Medien aber offensichtlich nicht. Die Sachverhalte, die sich dahinter verbergen, sind zu kompliziert, als daß sich daraus eine griffige Headline machen ließe. Also ignoriert man die Tatsachen und beruhigt sich damit, daß die handelnden Personen demokratisch legitimiert seien.

Dabei ist aus den genannten Gründen jede Form von „Hofberichterstattung“ einer freien Presse zumindest unwürdig. Die Medien hätten auch die Pflicht, sich gegen Einflußnahme durch die Politik zur Wehr zur setzen, und zwar heftig. Erst recht darf die Presse nicht schweigen, wenn sich Fehlentwicklungen und Mißstände so sehr häufen, daß jedes einzelne Ereignis eigentlich schon keine Nachricht mehr wert zu sein scheint.

Ich folgere daraus, daß die Medien zumindest seit 1989 ihrer Berichtspflicht nur ungenügend nachgekommen sind und daß für einen Großteil des Schadens nicht allein die vielgescholtene Fa. Kohl, Waigl & Co verantwortlich ist; sondern die bei Presse, Funk und Fernsehen beschäftigten Schlafmützen, die dem Fluß der Steuergelder nicht von der Quelle bis zur Mündung gefolgt sind. Soweit zum Thema Pressefreiheit.“ (.Gerhard Altenhoff, Der Bundesadel, unv. Manuskript, 2000)

Solange Institutionen wie „Presserat“ und „Staatsverträge“ über die öffentlich-rechtlichen Medien existieren, wird der Geist des Joseph Goebbels die bundesdeutschen Medien nicht verlassen.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen in der Sache gedient zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen


Steuerzahlerbund knöpft sich BER vor – Der Löwe brüllt – es lachen die Lämmer!

September 19, 2012

Steuerzahlerbund knöpft sich BER vor | tagesschau.de.

„Same prodedure as last year, Miss Sophie?“ – „Same procedure as every year, James!“ – So regelmäßig wie „Dinner for One“ erscheint das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes. – Und genau so regelmäßig regen sich die Medien ein paar Tage lang über die Verschwendung von Steuermitteln auf, um anschließend mit der „Hofberichterstattung“ aus dem „Kabinett Merkel“ fortzufahren. – vor 15 Jahren keimte ein wenig Hoffung auf, denn der Steuerzahlerbund stellte mit reichlich Pomp das Gutachten über die strafbarkeit der Verschwendung von Steuergeldern vor. – Und was geschah? – Eine Verhaftungswelle im „öfentlichen Dienst“? – Weit gefehlt! – Es wurde weitergemacht wie gewohnt. – Bis zum nächsten Schwarzbuch.

Ich darf in Erinnerung rufen:

Die Strafbarkeit der rechtswidrigen Verwendung öffentlicher Mittel

Statement von Dr. Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler, in der Pressekonferenz am 24. Januar 1997 in Bonn

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Verschwender von Steuergeldern gehen schweren Zeiten entgegen. Mit der argumentativen Unterstützung des Gutachtens von Professor Dr. Wolf werden wir Fälle, von denen wir meinen, daß es sich um eine rechtswidrige Verwendung von Steuergeldern handelt, zur Strafanzeige bringen. Die Kernaussage des Gutachtens, daß der Paragraph 266 des Strafgesetzbuches ein wirksames Mittel zur Bestrafung der Steuergeldverschwendung sein kann, löst ein Problem, das sich in der Vergangenheit immer wieder gestellt hat: Wenn wir nämlich mit unserer Forderung nach Ergänzung des Strafgesetzbuches an die Politik herantraten, hat man uns beschwichtigend wissen lassen, das bestehende Instrumentarium reiche aus. Ein neuer Straftatbestand oder die Ergänzung bestehender Straftatbestände seien nicht nötig. Sogar die Rechnungshöfe vertraten diese Auffassung. Wenn wir dann aber in konkreten Einzelfällen wie beim Gästehaus des Bundes auf dem Petersberg und beim Neubau des Plenarsaals Strafanzeigen erstattet haben, mußten wir erleben, daß Ermittlungsverfahren eingestellt oder gar nicht erst aufgenommen wurden, weil das Strafrecht dafür angeblich keine Handhabe bot. Im Laufe der Zeit wurde aber eine positive Entwicklung für uns erkennbar. Die Begründungen, warum im konkreten Fall keine Steuergeldverschwendung vorlag, wurden nämlich immer länger und kunstvoller. Der Rechtferti-gungsdruck nahm zu.

Dies war für den Bund der Steuerzahler der Grund, Professor Dr. Wolf, der zu diesem Thema bereits einschlägige Veröffentlichungen vorgelegt hat, mit der Erstellung des Gutachtens zu beauftragen. Wir wollten geklärt wissen, welche Möglichkeit Paragraph 266 StGB in der bestehenden Form bietet. Das Ergebnis kennen w’ir jetzt: Die rechtswidrige Verwendung von Steuergeldern ist strafbar. Darüber wird sich in Zukunft kein Staatsanwalt mehr so einfach hinwegsetzen können, wie das bisher geschehen ist.

Daß die vorsätzliche Verschwendung von Steuergel-dern nach geltendem Recht strafbar ist, erspart uns viel Arbeit. Denn die Parlamente haben sich in der Vergangenheit als äußerst phlegmatisch oder sogar unwillig erwiesen, wenn es darum ging, den Steuergeldverschwendern das Handwerk zu legen. Sporadische Vorstöße einzelner Abgeordneter oder Fraktionen in den Parlamenten, das Strafrecht zu ändern, versandeten. Aufgefallen bei diesen Initiativen ist vor allem eines: Die wortreichen Bekenntnisse zum sparsamen Umgang mit Steuergeldern, die in der Regel von allen Seiten vorgetragen wurden, standen in einem auffälligen Kontrast zum Ergebnis solcher Debatten. Die Rückbesinnung auf den Wesenskern des Untreuetatbestands erlaubt uns, die Frage der Einführung eines eigenen Straftatbestands der Amtsuntreue zunächst außen vor zu lassen. Das schließt aber nicht aus, daß wir diesen dornenreichen Weg nicht doch noch gehen müssen, wenn der Erfolg langfristig ausbleiben sollte. Wenn die Rechtsprechung diese Wendung nicht vollzieht und die herrschende Meinung sich nicht dieser Erkenntnis anschließt, müssen und werden wir unsere bisherige Forderung erneut massiv in den politischen Willensbildungsprozeß einbringen.

Die Staatsanwaltschaften betreten jetzt natürlich Neuland und werden gewisse Berührungsängste haben. Und es wird sicherlich ein gewisser Gewöhnungsprozeß an die neue Sichtweise erforderlich sein. Aber das ist nichts Neues. Ich darf das vergleichen mit der Bekämpfung der Korruption, denn die Parallelen sind eindeutig. In beiden Fällen handelt es sich um Straftaten ohne sichtbare Opfer; die Zeche zahlt stets der anonyme Steuerzahler. Hier wie dort wurde das Problem lange geleugnet und heruntergespielt. Auch bei der Bekämpfung der Korruption haben sich der Gesetzgeber und die Strafverfolgungsbehörden eine ganze Zeit lang ausgesprochen schwer getan, bis sie das richtige Augenmaß für diese Problematik entwickelt haben. Das ist bei der Verfolgung von Korruption erfolgreich verlaufen und wird bei der Verfolgung und Aufdeckung der Steuergeldverschwendung ähnlich sein. Es gilt nun, die neu gewonnenen Erkenntnisse in der praktischen Arbeit umzusetzen. Vor allem müssen die Strafverfolgungsbehörden den – bewußten oder unbewußten -Respekt vor großen Namen in Politik und Parteien ablegen.

Man könnte nun meinen, ein solches Vorgehen sei geeignet, den gesamten öffentlichen Dienst oder zumindest die Teile des öffentlichen Dienstes, die Steuergelder ausgeben, zu kriminalisieren. Diese Sichtweise ist jedoch falsch. Von einem wirksamen Straftatbestand der Untreue versprechen wir uns in erster Linie eine präventive Wirkung auf der einen und die gezielte Verfolgung und Bestrafung von Steuergeldverschwendern auf der anderen Seite, genauso wie bei allen anderen Vorschriften des Strafgesetzbuches. Die Androhung von Strafen soll potentielle Täter abhalten. In den Fällen aber, wo dies nicht gelingt, müssen die Täter nach den Buchstaben des Gesetzes bestraft werden.

Erklärung von Professor Dr. iur. Gerhard Wolf

Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozeßrecht und Rechtsinformatik Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)

Anläßlich der Pressekonferenz am 24. Januar 1997 in Bonn

jede vorsätzlich Haushaltsgesetzwidrige Verwendung öffentlicher Mittel ist eine strafbare Untreue

.Meine Damen und Herren ,durch die Vergeudung öffentlicher Mitte: gehen den öffentlichen Haushalten nach vorsichtigen Schätzungen jährlich mehr als fünfzig Milliarden DM verloren. Den­noch scheint – ungeachtet der gegenwärtigen Haushaltslage – in den verantwortli­chen staatlichen Stellen niemand bemüht zu sein, diesem Mißstand grundlegend abzuhelfen.

Die Vergeudung öffentlicher Mittel wird in der juristischen Praxis bisher nur in seltenen Fällen geahndet. Die strafrechtliche Rechtsprechung und Literatur liefern hierfür sogar scheinbar eine Begründung:

Die Strafbarkeit nach § 266 StGB wegen Untreue soll selbst bei einem bewußten

Verstoß gegen die Haushaltsgesetzte daran scheitern, daß der öffentlichen Hand kein Schaden entstehe, wenn für die rechtswidrig ausgegebenen Mittel irgendeine „per Saldo“ gleichwertige Gegenleistung erzielt wird. Wozu diese Ansicht führt, ziegt folgendes Beispiel: Schafft der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde unter Verrstoß gegen sämltiche Richtlinien für die Einrichtung seines Büros kostbare Tep­piche an, kann strafrechtlich angeblich nicht gegen ihn vorgegangen werden, wenn er für sie einen angemessenen Preis bezahlt hat: Dann stellen de Teppich einen „adäquaten Gegenwert für das ausgegebene Geld‘ dar. so daß die öffentliche Hand rechnerisch sucht geschädigt werde und der Täter folglich auch keinen Schädigungsvorsatz habe. Im Ergebnis würde dies bedeuten, daß sämtliche Haushaltsgesetze vorsätzlich vorsätzlich ignoriert werden könnten, ohne daß den Täter irgendwelche Folgen treffen.

Inzwischen setzt sich allmählich die Erkenntnis durch. daß ein strafrechtlicher Freibrief für die rechtswidrige Verwendung öffentlicher Mittel verfehlt ist. So hat das Landgericht Stuttgart Anfang Dezember 1996 den ehemaligen Generalintendanten

Der Württembergischen Staatstheater und seinen Verwaltungsdirektor wegen Untreue verurteilt. Die Angeklagten hatten den „Theater-Haushalt um Millionen überzogen“. Auch in den neuen Bundesländern mehren sich die Verfahren, in denen die Vergeudung öffentlicher Mittel als Untreue angeklagt wird.

Der geltende Untreuetatbestand läßt sich einfach zusammenlassen:

Untreue {Veruntreuung) ist die vorsätzliche Herbeiführung eines Vermögensnachteils unter Verstoß gegen eine rechtliche Beschränkung, der der Täter dem Vermögensinhaber gegenüber unterliegt. Diesen Tatbestand erfüllen auch diejenigen, die unter Beachtung der Haushaltsgesetze über die Verwendung öffentlicher Mittel zu entscheiden haben, dabei aber bewußt die bestehenden haushaltsgesetzlichen Beschränkungen ignorieren.

Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß es an dem nach § 266 StGB erforderlichen Schauen der öffentlichen Hand fehle, wenn diese eine gleichwertige Gegenleistung erhalte. Die „Saldierung“ von Vor- und Nachteilen bei der Schadensermittlung ist vielmehr logisch, methodisch und sachlich verfehlt: .An die Stelle der realen Vermögensgegensände tritt ein fiktiver Wert; die Ermittlung; der einzelnen Nachteile wird durch das Gesamtergebnis einer Gewinn- und Verlustrechnung ersetzt. Die Verneinung eines Schadens ist in den genannten Fällen nicht das Resultat einer Analyse der gesetzlichen Begriffe Vermögen, Schaden und Vermögensschaden, sondern sie beruht auf dem vorher festgelegten strafrechtlichen Ergebnis: Man scheut sich davor, hochrangige Beamte strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen, Es führt aber kein Weg an der Feststellung vorbei, daß ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Haushaltsgesetze vorliegt und – vereinfacht formuliert – „das Geld weg ist“. Mehr ist für die Strafbarkeit nach § 266 StGB jedoch nicht erforderlich.

Jeder Verstoß gegen ein Haushaltsgesetz stellt einen Mißbrauch einer eingeräumten Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis dar oder aber er begründet eine Verletzung der Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der öffentli­chen Hand. Haushaltsgesetze, Richtlinien und interne Verwaltungsanweisungen enthalten präzise Bestimmungen, wie verfügbare öffentliche Mittel auszugeben sind, so daß ein eingeräumtes Ermessen meisteng begrenzt ist. Neben solchen speziellen haushaltsrechtlichen Bestimmungen sind nach den Haushaltsgesetzen insbesondere die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Wer sich über eine die­ser Beschränkungen vorsätzlich hinwegsetzt, macht sich strafbar.

Strafbar ist jede vorsätzliche Verletzung des Haushaltsrechts. Die Strafbarkeit nach § 266 StGB erfordert zwar keineSchädigungsabsicht. Wenn der Täter aber weiß, daß sein Verhalten mit den Haushaltsgesetzen unvereinbar ist und möglicherweise zu einem Schaden des Vermögensinhabers führt. hat er sog. bedingten Vorsatz und ist daher wegen Untreue strafbar, wenn er dennoch handelt.

Die Regelung im Strafgesetzbuch läßt sich damit auf einen einfachen Nenner brin­gen. Ausgaben, die auf einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Haushaltsgesetze

Beruhen, schädigen die öffentliche Hand und sind daher als Untreue strafbar. Um welche haushaltsrechtliche Bestimmung es dabei geht, ist gleichgültig. Jede

Vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen die Haushaltsgesetze, die zu einer – folglich rechtswidrigen Ausgabe führt, ist strafbar. Darunter fällt vor allem:

Ausgaben trotz Fehlens eines Haushaltstitels, Haushaltsüberschreitungen, die bestimmungs- und sachwidrige Verwendung zweckgebundener Mittel, die fehlerhafte Vergabe öffentlicher Aufträge, übertriebener Repräsentationsaufwand, die Breicherung von Privatleuten durch öffentliche Mittel, Ämterpatronage. Alles das ist nach geltender Gesetzeslage als Untreue zu bestrafen.

Meine Thesen lauten:

1. Jede vorsätzlich haushaltsgesetzwidrige Entscheidung über die Verwendung öffentlicher Mittel ist eine nach 5 266 Abs. 1 StGB strafbare Untreue.

2. Die Ergebnisse, zu denen eine konsequente Anwendung der geltenden Strafgesetze führt, sind in keiner Hinsicht zu beanstanden: Untreue ist die vorsätzliche Herbeiführung eines Vermögensnachteils durch eine Entscheidung des Täters, die dieser trifft, obwohl er weiß, daß sie rechtswidrig ist. Es gibt nicht den geringsten Grund, die rechtswidrige Verwendung öffentlicher Mittel hiervon auszunehmen.

3. Die bisherige Praxis. nach der die rechtswidrige Verwendung öffentlicher Mittel keinerlei zivilrechtliche, dienstrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat, ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern stiftet geradezu dazu an, öffentliche Haushalte las Selbstbedienungsladen aufzufassen und die verfügbaren Gelder ohne jede Rücksicht auf die Bestimmungen des Haushaltsrechts auszugeben.

4. Staatsanwaltschaften und Gerichte sind gesetzlich verpflichtet, die Veruntreuung öffentlicher Mittel strafrechtlich zu verfolgen. Die Beachtung des geltenden Untreuestrafrechts läßt sich daher mit den vorhandenen gesetzlichen Regelun­gen erzwingen

Die Strafverfolgungsbehörden werden sich dementsprechend zunehmend mit der Frage auseinandersetzen müssen, warum sie in Fällen der Veruntreuung öffentlicher Mittel nicht einschreiten. Schärfer formuliert geht es um die einfache Frage, mit welcher Begründung Privatleute für die vorsätzliche rechtswidrige Schädigung fremden Vermögens, für das sie zu sorgen haben, nach § 266 StGB bestraft werden, währen die vorsätzliche rechtswidrige Verwendung öffentlicher Mittel durch Staatsdiener, die nach dieser Bestimmung ebenso strafbar sind, nicht geahndet wird. Auf diese Frage gibt es keine Antwort. Man sollte sie daher solange wiederholen, bis die erforderlichen Konsequenzen gezogen werden. Kommen die Staatsanwaltschaften ihrer Pflicht zum Einschreiten von Amts wegen nicht nach, sollte der erforderliche Enstscheidungsdruck durch Veröffentlichungen und durch begründete Strafanzeigen herbeigeführt werden.

Bisher sind die Veranwortlichen der berechtigten Forderung nach einer Bestrafung der Täter stets ausgewichen.

Wurde auf der Grundlage der geltenden Gesetze eine Strafanzeige erstattet, lautete die Antwort (der Staatsanwaltschaften), das „vorhandene Instrumentarium“ reiche nicht aus, um die Tat zu verfolgen.

Wurde daraufhin die Forderung nach einer gesetzlichen Neuregelung erhoben, verwies man (seitens der Mitglieder der zuständigen Gesetzgebungsorgane) auf das „vorhandene Instrumentarium“, das völlig ausreichend sei.

Auf Dauer wird es nicht gelingen, sich mit dieser widersprüchlichen Argumentation aus der Affäre zu ziehen. Man kann sich nicht den jeweils bequemsten Vorwand heraussuchen, ohne die eigene Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Behauptung: „Die geltenden Gesetze reichen nicht aus“ und die Behauptung.“ Die geltenden Gesetze reichen völlig aus“, schließen einander aus, auch wenn sie von verschiedenen staatlichen Stellen aufgestellt werden. Wird ein solches Spiel mit verteilten Rollen dennoch – mittlerweile seit Jahrzehnten – praktiziert, geraten alle Beteiligten in den Verdacht, bei ihrer Argumentation nicht redlich zu sein.

Die geltende gesetzliche Regelung ist eindeutig: Personen, denen die Entscheidung über die Verwendung öffentliche Gelder anvertraut ist, veruntreuen diese Gelder und sind daher wegen Untreue strafbar, wenn sie sich über die haushaltsgesetzlichen Beschränkungen, die sie dabei zu beachten haben, vorsätzlich hinwegsetzen.

Die Alternative zu dieser Gesetzeslage wäre die These, daß jeder, der in eine entsprechende Position aufgestiegen ist, öffentliche Mittel unter unverhohlener Mißachtung des Haushaltsrechts nach Belieben verwenden kann, ohne Gefah zu laufen, dafür strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Bisher hat niemand gewagt, dies öffentlich gutzuheißen. Daraus müssen die Konsequenzen gezogen werden.

Daraus müssend die Konsequenzen gezogen werden. – Mehr als fünf Jahre vor dieser Aufforderung hatte ich aurf Rügen, eine Insel, die bekanntlich im Wahlkreis der Bundestagsabgeorneten Angla Merkel liegt, die von Wolf geforderten Konsequenzen gezogen. – Es ist mir nicht gut bekommen, Besser gesagt, der Schuß ging voll nach hinten los, weil die Staatsanwaltschaft Stralsund in einer Art vorauseilendem Gehorsam über dem Ex-Stasi-Spitzel Klaus Eckfeldt, seinerzeit Landart des Kreises Rügen, einen beispiellosen „Rettungsschirm“ aufgespannt hatte. – Und das mit offensichtlicher Billigung der Wahlkreisabgeordneten Angela Merkel. – Weitere Details sind hier nachzulesen.

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Des Schröders Harras

September 19, 2023
Harras war früher nicht nur ein geläufiger Name für scharfe Hunde, sondern Harras war der Name der Hauptfigur in Carl Zuckmayers ‚Des Teufels General“.
Im Jahre 2003 wurde der heute als Bundeskanzler bekannte Olaf Scholz zum Generalsekretär der SPD gewählt. In seiner nassforschen Art ließ er sich zu der Äußerung hinreißen, die SPD müsse die Lufthoheit über den Kinderbetten erobern.
Heute wissen alle, die damals in den Kinderbetten lagen, durch die Berichterstattung von der Front in der Ukraine, daß „Lufthoheit“ nichts anderes bedeutet als Tod und Verderben.
Ich gehe einmal davon aus, dass Olaf Scholz wieder einmal vergessen hat, dass er jemals Generalsekretär der SPD war und vor allem, dass er diese Äußerungen jemals tätigte. Mit dem nachfolgend wiedergegebenen Text meiner Mail vom 30.09.2003 an ihn rufe ich ihm und allen anderen von „Polit-Demenz“ Betroffenen seine Äußerung in Erinnerung.
Ich sage dazu weiter nichts; – sondern überlasse das Schlusswort Karl Zuckmayer und Curd Jürgens

Lieber Olaf Scholz,

das mit dem Wählerauftrag, das mußt Du mir einmal erklären. – Aber bitte so, als wäre ich vier Jahre alt. Das mußt Du können, wenn die SPD die Lufthoheit über den Kinderbetten erringen soll.

Da habe ich doch im Morgenmagazin der ARD vom 29.9.2003 aus Ihrem Munde gehört, daß die „Abweichler“ der SPD-Fraktion lernen müßten, die Mehrheitsentscheidung zu akzeptieren. Gilt das für Olaf Scholz und die SPD nicht? – Sind wir alle schon so PISA-geschädigt, daß wir nicht mal mehr das kleine Einmaleins beherrschen? – Oder beschränken sich die Bildungslücken vielleicht doch auf die SPD:

38,5% der Wähler bei der letzten Bundestagswahl haben pro Schröder gestimmt. Wenn ich richtig rechne, haben 62,5% der Wähler einen Kanzler Schröder abgelehnt. Wo bleibt der Respekt des Olaf Scholz und der SPD vor der Mehrheitsentscheidung? 

Aber beleuchten wir das Märchen vom Wählerauftrag einmal ein wenig näher:

„Unterzieht man die politische Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland einer näheren Prüfung, offenbaren sich rasch drei Verwerfungen, die zeigen, daß das gegenwärtige politische System, das auch als Verfassungswirklichkeit bezeichnet wird, von den Vorstellungen des Verfassungsgebers erheblich abweicht:

Nach Art. 21 des Grundgesetzes sollen die Parteien an der Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Art und Weise, in der die politischen Parteien diesen Verfassungsauftrag erfüllen, läßt die erste Verwerfung sichtbar werden:

Tatsächlich versuchen die Parteien, die über eine parlamentarische Mehrheit verfügen, dem Volk, also dem Souverän, ihre Vorstellungen rücksichtslos aufzuzwingen. Der Streit um den sogenannten „Ausstieg aus der Kernenergie“ macht dies überdeutlich. Ein Bruchteil der Bevölkerung hat qua Stimmzettel bei den Wahlen die Position der „Grünen“ befürwortet. Die Äußerungen des Bundesumweltministers in dieser Debatte lassen indes darauf schließen, dieser sei dazu ausersehen, der Stromerzeugung durch Kernenergie den Garaus zu machen. Trittin ist nicht der einzige, der sein Amt mit dem des lieben Gottes verwechselt, aber er ist ein gutes, weil markantes Beispiel.

Ihre Befugnis zu einem derartigen Vorgehen leiten Parlamentarier und Regierungen aus dem sogenannten Wählerauftrag ab. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen soll es rechtfertigen, die parteipolitischen Vorstellungen per Gesetz allgemeinverbindlich durchzusetzen. Diese Auffassung, die letztlich in allen Parteien herrschend ist, ist grundfalsch. Denn auch eine bei Wahlen erzielte absolute Mehrheit repräsentiert tatsächlich nur eine Minderheit der Gesamtbevölkerung. Erstens ist die gesamte Jugend von der Mitentscheidung über die eigene Zukunft ausgeschlossen. Und zweitens beträgt die Wahlbeteiligung nie 100%. Auch eine absolute Parlamentsmehrheit ist zwangsläufig ein Minderheitsvotum. Der „Wählerauftrag“ ist eine Fiktion. Tatsache ist, daß Parlamentarier und Regierung für die Mehrheit des Volkes gewissermaßen als „Geschäftsführer ohne Auftrag“ agieren müssen. Das aber tun sie zweifellos nicht.

Wie sehr unsere Politiker den „Wählerauftrag“ mißverstehen, zeigt sich auch an ihrem Verständnis für die Aufgaben des Bundesrates. – Knackpunkt Numero Zwei. – Nach Art. 50 GG wirken über den Bundesrat die Länder an der Gesetzgebung des Bundes mit. Der Bundesrat ist damit zwar ein Bundesorgan, aber in erster Linie das Gremium, in dem die Interessen der Bundesländer gegenüber dem Bund vertreten und gewahrt werden sollen. Vereinfacht gesagt, stellen die Mitglieder des Bundesrates die Anwälte der Länder gegenüber dem Bund dar.

Bereits seit geraumer Zeit stehen aber bei den Beratungen im Bundesrat parteipolitische Interessen und Auseinandersetzungen im Vordergrund. Das geht so weit, daß die Medien (sic!) davon reden, die gegenwärtige Bundesregierung verfüge nicht nur über eine Mehrheit im Bundestag, sondern auch im Bundesrat. Der offene Verfassungsbruch, nämlich das Umfunktionieren der Länderkammer in ein Instrument der Parteipolitik, bleibt nicht nur unbeanstandet, sondern wird von Presse, Funk und Fernsehen als Normalität vermarktet.“

„Habe ich es nicht gleich gesagt: der Bundesbürger ist nicht mehr Herr im eigenen Haus. Politik wird nicht in den Parlamenten gemacht, sondern in den Parteizentralen. Als ob er angetreten wäre, meine Auffassung zu bestätigen, versuchte der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt, die frei gewählten FDP- Abgeordneten des hessischen Landtages dahingehend zu beeinflussen, die Koalition mit der CDU zu beenden.

Ich darf in Erinnerung rufen, daß nach den demokratischen Verfassungen des Bundes und der Länder der Abgeordnete als Vertreter des ganzen Volkes und nicht einer Partei gilt. Er ist an Aufträge nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen.

Ist das FDP-Präsidium das Gewissen ihrer Abgeordneten? – Mit Sicherheit nicht. Mit Sicherheit sind es auch nicht die Kreisverbände der hessischen FDP, die jetzt einen Sonderparteitag durchgesetzt haben, um eine Entscheidung herbeizuführen.

An diesen Vorgängen offenbaren sich erneut die Verzerrungen der Demokratie in Richtung auf ein Diktat der Parteien. Das gegenwärtige Parteiensystems ist ein komplexes adaptives System, das alle qualitativen Merkmale einer Adelsschicht aufweist. Es reagiert in seiner Gesamtheit und in seinen Teilen irrational. Weil auch die FDP irrational reagiert, kann sie das Aufbegehren des hessischen Landesverbandes nicht tatenlos hinnehmen. Die Behauptung, der Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt sei nun geschwächt, ist zwar durchaus zutreffend, aber nur unter irrationalem Aspekt; denkt man darüber nach, was er aus verfassungsrechtlicher Sicht getan hat, mußte er scheitern, denn in einer Demokratie kann der Vorsitzende einer Partei keine Weisungen mit Anspruch auf Gehorsam erteilen.

Auf dem Parteitag werden Delegierte (auf deutsch: Abgeordnete) abstimmen, die von der “Basis” mit entsprechenden Vollmachten versehen sind. Wo aber bleibt der Wählerwille? – Einen Wählerauftrag gibt es zwar nicht, aber die Mehrheit der Wähler hat sich für eine Koalition der Fraktionen von CDU und FDP ausgesprochen und es ist alleiniges Entscheidungsrecht der Fraktion, diese unter den gegebenen Umständen fortzuführen.-

Sollte der Parteitag das Ende der Koalition beschließen, würde das nicht nur einen Angriff auf die Rechte und verfassungsmäßigen Pflichten der Abgeordneten darstellen; die Abgeordneten selbst würden in ein Dilemma gedrängt:

Folgt die FDP-Fraktion dem Beschluß des Parteitages, kommt sie einer “Weisung” nach, was sie nicht darf. Das wäre verfassungswidrig, zumal seit dem Beschluß, die Koalition fortzusetzen, sachlich keine Änderung eingetreten ist. Widersetzt sich die Fraktion der Partei, ist das mit Sicherheit die letzte Wahlperiode, die die konkreten Abgeordneten für die FDP in irgendeinem Parlament absolvieren durften. Ihre politischen Karrieren finden ihr Ende, weil die Namen nie wieder auf einer Landesliste auftauchen werden. Listenabgeordnete sind die “Lenkwaffen” der Parteien in den Parlamenten. Abgeordnete, die unfolgsam sind, sind aus der Sicht der jeweiligen Partei zwangsläufig unbrauchbar. Zur Strafe entzieht man ihnen das Adelsprädikat. Das wiederum kommt einer tiefen Demütigung gleich, und freiwillig demütigen läßt sich niemand. Folglich liegt die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, daß die FDP-Fraktion des hessischen Landtages einen Beschluß zur Beendigung der Koalition ohne inhaltliche Diskussion in die Tat umsetzen wird. Was in der Verfassung steht, bindet ja nicht. Jeder Adelige hat sich dem Kodex des Adels zu unterwerfen – auch bei der FDP.“

„Nun sind die Wahlen in Nordrhein-Westfalen gelaufen, die SPD und die Grünen haben „gewonnen“. Die Regierungsbildung ist abgeschlossen und stolz wird verkündet, man habe dem „Wählerauftrag“ Folge geleistet. Der Wähler habe die Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen beauftragt, miteinander einen Koalitionsvertrag abzuschließen und eine gemeinsame Regierung zu bilden. – Der Koalitionsvertrag wurde nach einigen Geburtswehen abgeschlossen; alles, was die Vertragsparteien nach der Wahl miteinander ausgekungelt hatten, wurde als dem Wählerwillen entsprechend verkauft. Die zuständigen Parteigremien der Koalitionsparteien segneten diese Vereinbarung ab, die Regierungsbildung in NRW konnte endlich anlaufen. – Da kann doch was nicht stimmen. So weit kann die Liebe des Souveräns zu seinen Repräsentanten nun wirklich nicht reichen; denn der Inhalt der Koalitionsvereinbarung war nämlich dem Wähler vor der Wahl nicht bekannt. Und daß die Parteien im nachhinein den Wählerwillen repräsentieren könnten, das finde ich in keiner Verfassung dieser Republik niedergelegt. Die Möglichkeit einer Verfassungsänderung durch Parteienbrauch ist mir bislang auch unbekannt. Vielleicht habe ich aber auch nur die entsprechende Vorlesung versäumt. – Kann ja sein.

Aber nehmen wir den „Wählerwillen“ einmal unter die Lupe: Rund 56% der Wähler hatten ihre Stimme abgegeben. Rund 7% davon haben sich für die Grünen entschieden. Der Rest der Wahlberechtigten hat den Grünen eine klare Absage erteilt. – Dennoch geht die Firma Bärbel Höhn & Co hin und maßt sich an, den Menschen im Lande Vorschriften machen zu wollen, weil diese das so gewollt hätten.

Obgleich anonym, ist die Wählerstimme eine rechtsverbindliche Willenserklärung. Mit ihr entscheidet der Souverän rechtsverbindlich über die Zusammensetzung seiner Vertretung für die kommende Legislaturperiode. Man kann daher unter diesem Aspekt die Kandidaturen für ein Abgeordnetenmandate als ebenso rechtsverbindliche Angebote auffassen. Aus gutem Grunde gibt es im deutschen Recht den Grundsatz, daß das Schweigen auf ein rechtsverbindliches Angebot einem klaren „Nein!“ gleichkommt. Diesen Grundsatz setzen auch Grundgesetz und die Länderverfassungen stillschweigend voraus, denn sonst hätte es für Wahlen eine abweichende Regelung getroffen.

7% von 56% der Wahlberechtigten haben den Grünen ihre Stimme gegeben. 49% der Wahlberechtigten haben mit dem Stimmzettel den Grünen eine Absage erteilt. Die Fraktion der Nichtwähler, immerhin 44% der Wahlberechtigten, haben durch ihr Schweigen ebenfalls ihre Ablehnung gegenüber den Grünen zum Ausdruck gebracht. – Ergo haben rund 94% allein der Wahlberechtigten die Politik der Grünen abgelehnt. – Da die Jugend nicht wählen darf, schrumpft  die Zustimmung – bezogen auf die Gesamtbevölkerung – auf ein geradezu unbedeutendes Maß.

Daß damit die Legitimation für den Ministerpräsidenten Wolfgang Clement auf tönernen Füßen steht, versteht sich von selbst. Jedenfalls kann er sich zur Rechtfertigung seiner Handlungen und Unterlassungen nicht auf den „Wählerauftrag“ berufen. Die Mehrheit des Wahlvolkes hat er nicht hinter sich scharen können.

Wenn man das Wort „Wählerauftrag“ in den Mund nimmt, sollte man die Landesverfassung zumindest greifbar haben. Dort ist nämlich festgehalten, daß der Landtag einen Ministerpräsidenten wählt. Der tatsächliche „Auftrag“ des Wählers richtet sich an die Abgeordneten, einen Dummen zu finden, dem sie nach ihrer freien Überzeugung das Amt des Ministerpräsidenten anvertrauen können.

Die Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen bietet auch ein augenfälliges Beispiel dafür, daß in unserer Republik der Souverän nicht mehr Herr im eigenen Hause ist, weil die Parteien längst in verfassungswidriger Weise die Macht an sich gerissen haben.

Die Koalitionsvereinbarung hatten zwar Landesfürst Wolfgang und seine Umweltministerin Höhn ausgekaspert; die tatsächliche Zusammenarbeit der entsprechenden Parlamentarier und die Vergabe der Ämter und Posten war aber davon abhängig, daß die jeweiligen Parteien diese Vereinbarung absegneten. Ob und wie Parlament und Regierung arbeiten können, wurde dem Willen der Parteitage unterworfen.“ ( alle Zitate aus Gerhard Altenhoff, „Der Bundesadel“ –  unveröffentlichtes Manuskript 1999-2000)

Dein Vorgänger im Amt des Pontifex Maximus der SPD, General a.D. Franz Müntefering, hatte seinerseits nach der Wahl in NRW den ebenfalls auf Fortsetzung der rot-grünen Koalition gerichteten „Wählerwillen“ in alle Welt hinausposaunt. Insbesondere hatte er seinerzeit betont, daß der „Wähler“ SPD und Grüne beauftragt hätte, eine Regierung „unter der Führung von Ministerpräsident Wolfgang Clement“ zu bilden. – Da bleibt mir die Luft weg , denn da frag ich mich und Dich doch: wenn „der Wähler“ das getan hat, durfte der Genosse Wolfgang dann so mir nichts, dir nichts seinen Posten verlassen, als Wirtschaftsminister nach Berlin gehen und dort einen weiteren Pensionsanspruch erwerben? Und bitte erläutere mir, wieso der Peer Steinbrück jetzt Ministerpräsident von NRW ist. Den kannte vor der Wahl 2000 niemand von „Wir in Nordrhein-Westfalen“. Vor der Wahl 2000 hatte die SPD den zukünftigen Weggang des Fürsten Wolfgang nicht angekündigt. Mit anderen Worten, „der Wähler“, der dem Wolfgang Clement den „klaren Regierungsauftrag“ erteilt hatte, wußte zum Zeitpunkt der „Auftragserteilung“ nicht, daß der „Beauftragte“ seinen Auftrag nicht würde ausführen können.

Der „Wählerbeauftragte“ hat ohne Not den Bettel hingeschmissen. Nach Euren eigenen Worten hatte er einen auf fünf Jahre befristeten Festauftrag. Er hat nach nicht einmal der Hälfte dieser Zeit seinen Posten verlassen. Somit  hat er das Auftragsverhältnis zur Unzeit gekündigt. Und er hat den Auftraggeber nicht gefragt, ob dieser mit der Erledigung der Auftrags durch einen Unbekannten einverstanden wäre. Dem gegenwärtigen Ministerpräsidenten des Landes NRW fehlt damit jede demokratische Legitimation. Er ist ein Usurpator.

Da Dein Kanzler sich in seiner ersten Regierungserklärung ebenfalls auf den Wählerauftrag beruft, müssen er und seine Partei in absehbarer Zeit mit einer Reihe von Kündigungen rechnen. Den „Wählerauftrag“ gibt es zwar nicht, aber zur Sicherheit kann jeder, dem ein Rechtsverhältnis angedichtet wird, dieses vorsorglich kündigen…

Und, mein lieber Olaf Scholz, mit Leuten, die ihren Posten zur Unzeit verlassen, läßt sich weder ein Krieg noch eine Wahl gewinnen. Mit dem Personal läßt sich nicht einmal die Lufthoheit der SPD über den Kinderbetten erringen. Zur Erinnerung an Deine eigenen Worte:

Wie gut, daß Du den Begriff Lufthoheit in die Debatte geworfen hast. Denn mehr als Luft-Hoheiten sind Du und Dein Kanzler nämlich nicht. Warum das so ist, erklären Dir gerne Deine „Abweichler“.

Liebe Grüße

Dein

Gerhard Altenhoff

Ausschnitt „Des Teufels General“

X – Faktor live!

August 1, 2023

Meinem Großonkel Gerhard Winning zum 107. Todestag

Die folgende Geschichte ist schier unglaublich, aber sie entspricht der Wahrheit. Sie beginnt Anfang des Jahres 2023, als ich nach Corona Jahren in der Gaststätte „an d´r Weyh“ in Nievenheim einen guten alten Bekannten wiedertraf und wir im Lauf der Unterhaltung auf irische Musik zu sprechen kamen, von der er, was ich bis dahin nicht gewusst hatte, ebenso begeistert ist wie ich.
Obwohl die Geschichte hier ihren Anfang hat, sind ihre Wurzeln doch wesentlich früher angelegt. Ich beginne mit meiner eigenen Geschichte:
1962, ich war gerade im zweiten Schuljahr, erlebte ich bewußt zum ersten Mal das alljährliche Schulfest an der Elsa-Brandström-Schule in Düsseldorf. Es war ein wunderbarer Spaß. Unvergesslich blieben mir zwei Melodien, die ich Jahre später aus meiner Erinnerung wieder abrufen konnte. Sie hatten mich als Kind fasziniert und auch nach Jahren wieder in ihren Bann gezogen – Ende der 60er Jahre machten THE DUBLINERS mit ihrer Single 7 DRUNKEN NIGHTS / BLACK VELVET BAND Furore. Da waren die Melodien, die mich fasziniert hatten, wieder da! – ohne daß ich mir seinerzeit dessen bewußt gewesen wäre, einen – nach heutigen Maßstäben – „Migrationshintergrund“ zu haben: Die Vorfahren meiner Großmutter väterlicherseits waren ursprünglich irische Einwanderer.
Mit meinem Migrationshintergrund begann ich mich freilich erst dann zu beschäftigen, nachdem ich 1976 das erste Mal meinen Fuß auf irischen Boden gesetzt hatte, und mich ohne weitere Vorankündigung heimisch gefühlt hatte.
Merkwürdigerweise überkam den gegenwärtigen amerikanische Präsident Joe Biden ein ähnliches Gefühl, als er unlängst seine ursprüngliche Heimat Irland besucht hatte.
Ich greife jetzt unzulässigerweise auf eine Doktrin zurück, die in den Südstaaten der USA immer noch existiert: einmal Nigger immer Nigger. – den Sinn drehe ich freilich um 180° herum und behaupte zu meinen Gunsten: Einmal Ire immer Ire.
1977 und ’78 waren weitere Reisen nach Irland fällig. 1978 erstand ich die LP der „Wolfetones“ „As Gailge“, die – wie der Name sagt, nur gälische Lieder enthält. Das Album enthält auch das Lied aus der Zeit des Kampfes der Iren um ihre Unabhängigkeit von der englischen Krone.
ÓRÓ, SÉ DO BHEATHA ABHAILE
Wer weiß außerhalb Irlands schon, wie diese Worte auszusprechen sind und was sie zu bedeuten haben. – ich wusste es auch nicht, wurde aber an einem der vielen Abende in irischen Pubs zumindest über die Bedeutung des Liedes aufgeklärt. Es handelte sich um die Aufforderung an im Ausland befindlicher Iren, nach Hause zurückzukehren und am Befreiungskampf der Insel gegen die britische Besatzung teilzunehmen.
ÓRÓ, SÉ DO BHEATHA ABHAILE  . LYRICS ÜBERSETZUNG:
Sei gegrüßt oh Frau, die so gelitten hat
Es war unser Verderben, daß du in Ketten lagst
Dein schönes Land im Besitz der Diebe
Während du an die Fremden verkaufst wurdest
Oh-ro, willkommen zuhause
Oh-ro, willkommen zuhause
Oh-ro, willkommen zuhause
Nun kommt der Sommer!
Grace O’Malley kommt über das Meer
Mit bewaffneten Kriegern zu ihrem Schutz
Es sind nur Gälen, keine Franzosen, keine Spanier
und sie werden die Fremden vernichten
Oh-ro, willkommen zuhause
Oh-ro, willkommen zuhause
Oh-ro, willkommen zuhause
Nun kommt der Sommer!
Möge es dem Wunderkönig gefallen, was wir sehen
Auch wenn wir vielleicht nur eine Woche danach leben,
Grace O’Malley und an die tausend Krieger …
Zerstreuen die Fremden
Oh-ro, willkommen zuhause
Oh-ro, willkommen zuhause
Oh-ro, willkommen zuhause
Nun kommt der Sommer
Es hatte wohl einige Zeit gedauert, den Sinn des Liedes zu verinnerlichen:
Mein Vater war im Mai 1978 an den Folgen des Zweiten Weltkriegs allzu früh gestorben. Gut einen Monat vor meinem Vater war meine Großmutter mütterlicherseits ebenfalls verstorben, sie hatte seit einem Bombenangriff auf mein Elternhaus im Jahr 1941 ebenfalls unter den Kriegsfolgen stark zu leiden.
Es war wohl im Frühjahr 1979, als ich meine Mutter wieder einmal zum Friedhof begleitet hatte. Wir standen bei unserer Gräbetour vor dem Grab meiner Großmutter Johanna Altenhoff, geborene Winning. An diesem Tag nahm ich zum ersten Mal ganz bewußt eine Grabsteininschrift zur Kenntnis und bezog sie auf mich persönlich:
Eingemeißelt in einen der Grabsteine ist die Erinnerung an meinen Großonkel Gerhard Winning, der im August 1916 vor Verdun gefallen war. – er war damals gerade 23 Jahre alt. Mir fiel dabei auf, daß ich zu diesem Zeitpunkt nicht einmal zwei Jahre älter war als mein Großonkel Gerhard zu dem Zeitpunkt, als er für Kaiser, Volk und Vaterland sein Leben lassen musste.
Seitdem hatte ich mich immer wieder gefragt, wie die Welt wohl aussehen würde, wenn er damals dem Ruf, den das Lied  ÓRÓ, SÉ DO BHEATHA ABHAILE ausgesendet hatte, gefolgt wäre. Hätte er zu Ostern 1916 sein Gewehr 98 dem Kaiser vor die Füße geschmissen und gesagt: „Pass auf, lieber Kaiser, ich scheiße auf euren Krieg, gehe nach Irland zurück und kämpfe für mein Land“. – Die Weltgeschichte hätte mit Sicherheit einen anderen Verlauf genommen, vielleicht nur minimal, vielleicht aber auch dramatisch ganz anders. – Wir wissen es nicht und wir werden es auch nie erfahren.
Erstaunlich jedoch ist die Weltgeschichte, die später den Verlauf genommen hat, der zum Corona-Wahnsinn und dazu führte, daß ich erst zu Beginn des Jahres 2023 meinen Bekannten wieder in der Kneipe  „an d’r Weyh“ traf. Ich erzählte ihm von meiner Familiengeschichte und wollte ihm die die Krippenfiguren, die mein Urgroßvater hergestellt hatte, im Internet zeigen, erinnerte mich jedoch nicht spontan an die Website http://www.krippenfiguren.de. Also googelte ich nach Winning-Figuren und prompt erschien – wahrlich wie aus heiterem Himmel – der Hinweis auf den Katalog der Manufaktur meines Urgroßvaters. – Es wird wohl niemanden erstaunen, daß ich ohne jegliches Zögern dieses Buch beim Verkäufer bestellte. – Rund 100 Jahre hatte es wohl auf irgendeinem Dachboden oder – was wahrscheinlicher ist – in irgendeinem Kirchenarchiv herumgelegen, ohne daß jemand es beachtet hätte. Nun aber hatte es den Weg nach Hause zurückgefunden.
SÉ DO BHEATHA ABHAILE – Willkommen zuhause.
Die Geschichte hätte damit eigentlich ihr Ende finden können, hat sie aber tatsächlich nicht.
Am 20 Januar 2023 flog ich zum Familienbesuch nach Spanien. Am 21. Januar 23 besuchten wir – wie Samstags üblich – den Markt in Playa Flamenca, Orihuela Costa, Alicante. – Wie üblich tranen wir zunächst einen Kaffee an unserer Stamm-Kaffeebude.
Während meine Frau anschließend über den Markt schlenderte, blieb ich mit meinem Hund und dem Kaffee vor Ort. Am Nebentisch saßen zwei Damen, die sich unterhielten. Ihre Unterhaltung ging zunächst im allgemeinen Stimmengewirr unter. Plötzlich drangen vertraute Laute an mein Ohr: ÓRÓ, SÉ DO BHEATHA ABHAILE. Die Frage stand im Raum, wie ÓRÓ, SÉ DO BHEATHA ABHAILE korrekt auszusprechen wäre… .Es stellte sich heraus, daß beide Mädels aus Irland stammten, eine von beiden aber wohl nicht in Irland aufgewachsen und deswegen des Gälischen nicht mächtig war. Ich griff in die Unterhaltung ein und bestätigte die Richtigkeit der Aussprache. Das Ende vom Lied war, daß wir zu dritt die erste Strophe des Liedes anstimmten . Mangels weiterer Textkenntnis beließen wir es dabei. Für mich war es dennoch ein mehr als erstaunliches Erlebnis.
Dieses Ereignis kann ich leider nicht mit objektiv nachprüfbaren Beweismitteln belegen,  – es sei denn, man erkennt die Tatsache, daß ich nach Rückkehr meiner Frau ihr unmittelbar davon erzählt hatte, als aussagekräftiges Indiz an.
Unschwer zu beweisen ist indes, was in diesem Zusammenhang weiter geschah:
Ich wohne jetzt seit fast 13.000 Tagen in Dormagen und bin demzufolge mehrere tausendmal die Kölner Straße entlang gegangen. Aber erst am 5. Mai 2023 hatte ich im Fenster des Hauses Kölner Straße 130 aus dem Augenwinkel 4 Figuren wahrgenommen. – als ich genau hinguckte, erinnerten sie mich an unsere Krippenfiguren und die Bilder in meinem jüngst erworbenen Katalog. – ich war ein wenig verdattert und dachte mir: Das kann doch nicht wahr sein! – Du hast den Katalog deines Urgroßvaters in die Hände bekommen und jetzt auch noch sein Schaufenster entdeckt. – Ein Schaufenster, von dem kaum jemand Notiz nahm und von dessen Existenz auch niemand außer mir irgendeine Ahnung hatte. Ich scheute allerdings davor zurück, spontan auf die Klingel zu drücken und mich über die Herkunft der Figuren zu erkundigen. Also nahm ich mir vor, schriftlich mit den Hausbewohnern in Kontakt zu treten.-Wie das nun einmal so ist, ging dieses Vorhaben im alltäglichen Treiben zunächst einmal verloren.
Am 18.07 hatte ich für meinen Hund einen Termin beim Hundefriseur in Dormagen. Es ergab sich also die Gelegenheit, in der Kölner Straße 130 vorbeizuschauen und dort den von mir seit langer Zeit geplanten Brief wegen der Winnigfiguren in den Kasten zu werfen.
Wie das so üblich ist, hatte ich den Brief im Auto vergessen. Auf dem Rückweg zum Fahrzeug blieb ich kurz vor dem Fenster stehen. Eine Dame kam über die Straße und schloss die Haustür auf. Ein wenig verdattert sprach ich sie an und teilte ihr mit, daß ich eigentlich auf dem Weg wäre, einen Brief bei ihr einzuwerfen, um Näheres über die Herkunft der bei ihr ausgestellten Figuren zu erfahren. Sie eröffnete mir, daß sie eigentlich davon gar keine Ahnung hätte, die Statuen würden ihrem Sohn gehören, der Dinge solche Art sammelt und Theologie studiert hätte. Ich warf dann später den Brief in den Kasten, bisher habe ich aber nichts weiteres darüber gehört.
Das wäre der eigentlich das Ende der Geschichte gewesen, aber am Abend des 27.07 2023 meldete der Ticker des Senders „WELT“ die Nachricht, die irische Sängerin Sinead O’Connor wäre verstorben. Da wurde mir doch ganz anders, hatte Sinead O’Connor doch dem Lied ÓRÓ, SÉ DO BHEATHA ‚BHAILE eine vom üblichen Irish Folk abweichende Interpretation verliehen. – Sie hatte im übrigen, von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbeachtet, diversen irischen Volksliedern mit ihrer Stimme einen ganz eigentümlichen Charakter verliehen, der auf mich wirkt, wie ihn nur Mister Spock mit hochgezogener Augenbrauen zutreffend beschreiben kann: „faszinierend.“ – Und in einem der auf YouTube veröffentlichen Live Konzerte tritt sie in einem Kapuzenmantel auf, der sie aus mancher Kameraposition so erscheinen lässt, als wäre sie eine bei der Firma Winnig gefertigte Madonna…

Sinead O’Connor
Winning-Figur
Dieses Lied hat zweifellos eine magische Wirkung

bis vor wenigen Jahren war im Internet die Seite krippenkabinett.de von Guido Esper, einem selbsternannten „Krippenarr“ und Fan der Figuren meines Urgroßvaters verfügbar. Aus Gründen, die sich meiner Erkenntnis entziehen gibt es diese Seite nur noch in der wayback machine von archive.org. ich kann sie jedem interessierten nur ans Herz legen:

http://web.archive.org/web/20190117000602/http://www.krippenkabinett.de/krippennarr.html


Corona, Rassimus und eine falsche Formulierung

Juni 17, 2020
www.giordano-bruno-institut.de

Wie kann man „Corona“ mit Rassismus in Verbindung bringen? – Ganz einfach, durch eine falsche Formulierung:

Wir wollen versuchen, in aller Kürze zu ergründen, warum die Schöpfung 99,84% ihrer Zeit bis heute verstreichen ließ, sich selbst die Krone aufzusetzen. – Das war meine falsche Formulierung. – Aber wie kam es dazu? – Es würde zu lange dauern, es Ihnen zu erklären. Nehmen Sie sich einfach die Zeit, es von Anfang an nachzulesen:

Beginn des Zitats:

Das erste, was mir auf der Suche nach Antworten klar wurde, war, daß einer dabei auf der Strecke bleiben mußte, nämlich der Homo sapiens sapiens. Er entpuppte sich immer mehr als virtuelles Wesen, das vor gut 250 Jahren von Carl von Linné kreiert worden war, aber nie eine reale Existenz erlangte. Wer im Geschichtsunterricht gut aufgepaßt hat, dem wird auffallen, daß diese Artbezeichnung seit ihrer Erfindung fast ausschließlich auf Menschen europäischer Herkunft angewandt wurde und mehr als einmal selbst dort dem Angehörigen des Nachbarvolkes, ja dem unmittelbaren Nachbarn „entzogen“ wurde, um ungehemmt und ungestraft töten zu können.

Sapiens sapiens! Das lateinische Wort sapiens bedeutet weise. Diese Überbetonung, ja Beschwörung der Weisheit, die war mir schon suspekt, als Menschen auf dem Mond landeten und dies zum riesigen Sprung für die Menschheit erklärten, während Millionen ihrer Mitmenschen auf der Erde durch Bomben, Granaten und Napalm vom Leben zum Tode befördert wurden.

Homo sapiens sapiens war also in meinen Augen schon vorher auf dem absteigenden Ast. Den Startschuß für seinen endgültigen Untergang gaben – aus einem vollkommen anderen Zusammenhang heraus – Artgenosse Milosevic und sein Faible für „Ethnische Säuberungen“, sowie die Unfähigkeit der „zivilisierten“ Menschheit, einem auf frischer Tat ertappten mutmaßlichen Völkermörder den Garaus bzw. ihn dingfest zu machen. Homo sapiens sapiens hauchte sein virtuelles Leben in den zerschossenen Häuserzeilen Grosnys (Tschetschenien) endgültig aus. Homo sapiens sapiens löste sich damit buchstäblich in Schall und Rauch auf. Den Ausschlag für diese Beurteilung gab der als „Terroristenjagd“ getarnte Eroberungskrieg und das große Schweigen der „zivilisierten“ Menschheit hierzu.

Aber keine Sorge, die Menschheit wird den Untergang des Homo sapiens sapiens überleben. Freilich wird die Umfirmierung in Australopithecus superbus1 ein wenig gewöhnungsbedürftig sein, läßt sich aber meines Erachtens nicht vermeiden, denn die Reise von der Urzeit bis an die Schwelle des dritten nachchristlichen Jahrtausends endet unter anderem in der erstaunlichen Feststellung, daß wir uns von jenem Zweibeiner, der vor gut drei Millionen Jahren lebte und den die Forscher liebevoll „Lucy“ 2 tauften, weniger unterscheiden als ein Dackel vom Wolf.

Auf unserer Reise in Jirkas Boot werden wir von der Zeit an, da sich die Wege zwischen Mensch und Schimpansen trennten, bis zur Gegenwart an sechs Stellen die Richtung ändern. Mehr nicht.

Sie werden sehen, warum die Natur aus einer angeborenen Wirbelsäulenverkrümmung der aufrechten Gang entwickeln konnte und ein kleiner Gendefekt einen erfolgreichen Jäger entstehen ließ.

Sie werden auch sehen, daß unsere Vorfahren vor nicht einmal 2 Millionen Jahren gezwungen waren, ihr Hirnvolumen zu steigern, um nicht jämmerlich zu erfrieren. Die Auseinandersetzung mit der Umwelt verlangte damals zunehmend analytische Fähigkeiten und Phantasie.

Ferner werden Sie Zeuge werden eines in der Naturgeschichte beispiellosen Vorgangs, nämlich der Entwicklung dessen, was wir Sprache nennen und Sie werden erleben, daß die Ursache der Sprachentwicklung eigentlich ziemlich banal ist und daß unser Gehirn nur deshalb so exorbitant groß ist, weil die Umsetzung von Bildern in akustische Signale beim „Sender“ und die Rückumwandlung in Bilder beim Empfänger einen riesigen „Arbeitsspeicher“erfordert .

Und sie werden verblüfft feststellen daß weder seßhafte Lebensweise noch Staatenbildung Errungenschaften des menschlichen Geistes sind. Sie haben sich nur nicht vermeiden lassen. Die Turbulenzen, von den die Menschheit immer wieder heimgesucht wird, zeigen, daß die Bildung von Großgesesellschaften als evolutionärer Prozeß noch lange nicht abgeschlossen ist. Viel menschliches Leid hat seinen Grund darin, daß wir uns für mehr gehalten haben als wir tatsächlich sind. – Eben „nur“ Australopithecinen.

Das Leben als Australopithecus hat freilich auch Vorteile, denn – um vorab nur ein Beispiel zu nennen – eine der wesentlichen Errungenschaften der Aufklärung, nämlich die Menschenrechte, erscheinen plötzlich als Grundbedürfnisse des Menschen, die im Verlaufe der Kulturgeschichte unter die Räder kamen. Sie gehören damit zur Natur des Menschen und nicht zu seinem kulturellen Überbau. Man kann sie negieren und auch zeitweise gewaltsam unterdrücken. Sie sind dennoch allgegenwärtig wie der Sex – und den hat schließlich auch keiner abschaffen können.

Was Staaten anbelangt, so werden langfristig nur die überleben können, die ein demokratisch verfaßtes Gemeinwesen repräsentieren, sehr wahrscheinlich wird die Verfassung dieser Gemeinwesen nur das sogenannte Mehrheitswahlrecht kennen und Parteien nur eine untergeordnete Rolle spielen. Deren Einfluß wird auf das für notwendige Polarisierung erforderliche Maß reduziert sein. Mit Australopithecinen ist eben auf lange Sicht kein anderer Staat zu machen. Es wird freilich noch lange dauern, bis die Menschheit das Machtstreben und die Herrschsucht ihrer Häuptlinge auf ein gesundes Maß zurechtgestutzt und unter Kontrolle gebracht hat.

In der Welt des Australopithecus ist kein Raum für Rassismus; dieser schrumpft auf die Dimension einer Familienfehde. Denn aus der Sicht des Australopithecus ist auch der „weiße Mann“, diese merkwürdige „Herrenrasse“, nichts anderes als ein verkrüppelter Neger; der „Weiße“ ist unvollständig, weil ihm Hautpigmente fehlen. Die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern, zwischen Hutus und Tutsis erscheinen als ins Groteske übertriebener Bruderzwist. – Und damit steht dieser Konfliktherd nicht allein da. – Allerdings, erst wenn diese Erkenntnis Eingang in die Köpfe unserer Mitmenschen gefunden hat, können Schwerter zu Pflugscharen werden.

Damit aber ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, deshalb wird die Menschheit bis dahin noch einen unermeßlichen Blutzoll zu zahlen haben; für den sind weniger die Völker, umso mehr aber deren Repräsentanten verantwortlich. Dennoch wird die Natur sich nicht aufhalten lassen; nicht einmal die nuklearen Knallfrösche sind in der Lage, alle Menschen zu vernichten.

Auch jene, die da glauben, durch Genmanipulation den perfekten oder zumindest besseren Menschen schaffen zu können, werden eine herbe Enttäuschung hinnehmen müssen. Das, was den Menschen wirklich ausmacht, ist mehr als die Fähigkeit, zwei und zwei zusammenzählen zu können. Es ist ein bunter Strauß von Verhaltensmustern und Fertigkeiten, die sich nicht aufspalten und trennen lassen, ohne sie bzw. das Ganze zu zerstören. Frankensteins Traum wird auf ewig einer bleiben und der perfekte Mensch das Reich der Phantasie nicht verlassen. Dort bleiben aus guten Gründen auch unsere geklonten Politiker und deren Wunschuntertanen. Sie sind da alle auch sehr gut aufgehoben, denn das Reich der Phantasie, das ist die eigentliche Domäne des Menschen, die er mit keinem anderen Lebewesen dieser Erde zu teilen braucht.

Aber all die Phantasten, die solche Vorstellungen hegen, darf man dafür nicht tadeln, denn gerade die Entwicklung der oftmals als blühend gescholtenen Phantasie hat die Menschheit vor dem drohenden kollektiven Kältetod bewahrt.

Damit will ich mein Eingangsplädoyer abschließen, alle Indizien und Beweismittel vorlegen und Ihnen damit ein eigenes Urteil ermöglichen.

Bevor wir in Jirkas Boot von Ortstermin zu Ortstermin reisen, müssen wir uns erst einmal über die Wirkungsweise der Evolution klar werden. Denn immerhin liegen vom Startpunkt unserer Reise aus gerechnet, rund 3,5 Milliarden Jahre Entwicklungsgeschichte der Organismen hinter uns. Nur die letzten fünf Millionen Jahre bereisen wir; das sind nur rund 0,16%. Wir wollen versuchen, in aller Kürze zu ergründen, warum die Schöpfung 99,84% ihrer Zeit bis heute verstreichen ließ, sich selbst die Krone aufzusetzen. – Sie werden sehen, daß die Methoden der Evolution, neuartige Lebewesen zu schaffen, nicht ganz den Vorstellungen ihres Entdeckers entsprechen.

Ende des Zitats

„Wir wollen versuchen, in aller Kürze zu ergründen, warum die Schöpfung 99,84% ihrer Zeit bis heute verstreichen ließ, sich selbst die Krone aufzusetzen“. – Das war meine in der Sache fehlerhafte Formulierung. Nicht die Evolution hat sich die Krone selbst aufgesetzt – das hat nur Napoleon Bonaparte getan. Der Mensch hat es ihm gleichgetan und ist jetzt von einem Wesen, das nur mit dem Rasterelektronenmikroskop sichtbar gemacht werden kann, auf Rang 2 der „Kronen der Schöpfung“ verwiesen worden. Originell, aber nicht unzutreffend, hat man in Unkenntnis der Fähigkeiten dieses Nano-Wesens diesem den Namen „Corona“ (lat. Krone) verpaßt.

Bevor die befürchtete „Zweite Welle“ kommen kann, muß die „Erste“ erst einmal nachweisbar abgeebt sein. – Und der Nachweis ist schwierig zu führen, denn „Covid 19“ bleibt in dieser Welt wie die Pest oder die Tuberkulose, wie Mumps und Masern oder Ebola.

Mangelnde „Schwarmintelligenz“ des „Homo Sapiens Sapiens“ führt heute noch zu solchen Dummheiten wie „Rassismus“. – Vor 21 Jahren bot sich die Gelegenheit, mit dieser Dummheit ein für allemal Schluß zu machen, so wie die Naturwissenschaft mit Galileo, Leibniz, Kant und Newton der Vorherrschaft des Klerus ein Ende gesetzt hatte.

Aber die „Medien“, an die sich eine „Presseerklärung“ nun einmal wendet, fanden im Jahre 1999 nicht einmal für nötig, überhaupt von ihr Notiz zu nehmen. – Wäre es anders gewesen, hätten auch die Kultusminister davon Notiz nehmen und die Lehrbücher umschreiben müssen. – Menschenrassen – eine Erfindung des menschlichen Geistes ohne jedweden wissenschaftlichen Hintergrund. Das ist zum Leidwesen Gottes unterblieben. – Und so muß sich auch „die Presse“ vorwerfen lassen, der Flamme des Rassismus den Sauerstoffhahn weiter aufgedreht zu haben.

Wenn in der menschlichen Evolution überhaupt von „Rasse“ gesprochen werden kann, dann allenfalls im Hinblick auf die zeitliche Abfolge der Menschen“typen“, die seit dem ersten Auftreten des „aufrechten Gangs“ die Erde bevölkerten: Seit Urzeiten ist es das entscheidende Merkmal, das den Menschen von den übrigen Primaten unterscheidet, die ventral (bauchwärts) verschobene Mitte der Wirbelbrücke. – Daß diese sich erst in den ersten Lebensmonaten – zumindest beim modernen Menschen . bildet und ihm den „aufrechten Gang“ zwangsweise in den Rücken drückt, deutet auf eine in ihrem Ursprung angelegte „Erbkrankheit“ hin:

Unsere frühen Vorfahren sind nicht „von den Bäumen herabgestiegen“, sie hatten vielmehr Schwierigkeiten, auf selbige zu klettern, bevor die Räuber des Dschungels sie erwischten. Sie hatten Glück, weil sich infolge des afrikanischen Grabenbruchs in Ostafrika der dadurch ausgelöste „Klimawandel“ eine baumarme Zone geschaffen hatte, in der sie vor den Jägern des Waldes sicher waren. – Mensch, da haste Schwein jehabt!

Die „Informationsblase“ in der die hergebrachten „Medien“ viele Nutzer der „Social Networks“ verorten, haben sie vor langer Zeit selbst geschaffen. Sie berichten nur, was in ihr Weltbild paßt, und das ist vor allem das, was die Inhaber der sozialen Dominanz, die „Politiker“ verbal ausscheiden. – Propaganda.


VW – Verfassungsgericht und Wulff – die zwei Seiten ein und derselben Medaille

Dezember 8, 2013

http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/hannover/wulff2087.html

Als der Wulff noch den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachesn mimte, war er „kraft Gesetzes“ Mitglied im Aufsichtsrat des VW-Konzerns. Gleichzeitig war er „kraft seinen Amtseides“ und damit auch „kraft Gesetzes“ einem anderen gegenüber zur Loyalität verpflichtet:

„Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Volke und dem Lande widmen, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Niedersächsische Verfassung sowie die Gesetze wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber allen Menschen üben werde.“

Daß der Wulff es mit dieser Pflicht nicht ganz so genau genommen hat, ist wohl hinlänglich bekannt. und das, obwohl er dieselbe Ausbildung durchlaufen mußte, die sowohl die Richter am Bundesverfassungsgericht als auch der Verfasser dieses Beitrages genießen durften: Er hatte dereinst die „Befähigung zum Richteramt“ nach § 5 des deutschen Richtergesetzes erworben:

(1) Die Befähigung zum Richteramt erwirbt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt; die erste Prüfung besteht aus einer universitären Schwerpunktbereichsprüfung und einer staatlichen Pflichtfachprüfung.

(2) Studium und Vorbereitungsdienst sind inhaltlich aufeinander abzustimmen.

Wenn sich eine Person, die diesen strengen Anforderungen einmal gerecht geworden ist, sich selbst als geistig so „minderbemittelt“ darstellt, daß einem die Tränen kommen, was hat er dann im „höchsten Staatsamt“ zu suchen? – Und was haben Personen, die pflichtvergessen auf dem Richterstuhl tief und fest schlafen, auf der Richterbank des Bundesverfassungsgerichts zu suchen? –

Deutsche Richter verkünden ihre Urteile

IM NAMEN DES VOLKES!

Ob all das, was „Im Namen des Volkes“ für „Recht erkannt“ worden ist, will ich offenlassen. Jedenfalls ist das, was in dieser Sache:

http://www.welt.de/politik/deutschland/article122648309/Eilantrag-gegen-den-Mitgliederentscheid-scheitert.html

als Gerichtsbeschluß gefaßt und verkündet-  Gott sei Dank(!) also nicht als Urteil „im Namen des Volkes“ – verkündet wurde, mit dem erklärten Willen des Inhabers der verfassungsgebenden Gewalt nicht wirklich kompatibel. Der Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt kann nicht wollen, daß ein kleiner Haufen von rund 475.000 Männekes darüber befindet, ob und ggfs. wie lange die „Mehrheit“ des 18. Deutschen Bundestages daran hindert, das zu tun, was ihre Aufgabe ist: Wahl eines Bundeskanzlers und Gesetzgebung. – Aber eigentlich hindert die Mehrheit der Mitglieder des 18. Deutschen Bundestages sich selbst an der Erfüllung der ihnen vom Souverän übertragenen Aufgaben. – Damit widersetzen sie sich dem vom Souverän klar und eindeutig erteilten „Wählerauftrag“.

Ihr habt zu tun, was euch das Grundgesetz befiehlt! – Ende der Ansage und „Aus die Maus“!

Nein, man wartet mit Billigung des allerhöchsten Bundesgerichts ab, bis 0,59% des Volkes darüber befunden haben, ob den Abgeordneten der „Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ bei der längst überfälligen Wahl eines Bundeskanzlers ihre Stimme für eine gewisse Angela Merkel abgeben dürfen. – Nein, dieses Procedere schräkt die Arbeit der frei gewählten Abgeordneten in keinster Weise ein!

Da kann man eigentlich nur sagen: „Furchtbare Juristen“! („Furchtbare Juristen – die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz“ – so betitelte Ingo Müller sein Buch über die Geschichte der deutschen Justiz von Anbeginn des Untergangs der Weimarer Republik bis zum untauglichen Versuch, die Justiz des „Dritten Reichs“ juristisch aufzuarbeiten.)

Als ob der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) es darauf angelegt hätte, meine Definition des „furchtbaren Juristen“ mit aller Gewalt bestätigen zu wollen:

Montags fällt man am Volksgerichtshof Todesurteile wegen Wehrkraftzersetzung. Am Dienstag bringt man Kriegsverbrecher in Nürnberg an den Galgen. Der Mittwoch bleibt der Verkündung von Todesurteilen vorbehalten, die in den Diensträumen der Stasi bereits vorformuliert worden waren. Donnerstags läßt man – mit der Scharia unter dem Arm – vergewaltigte Frauen öffentlich steinigen. Und am Freitag nimmt man offensichtlich begründete Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an und verhängt eine „gesetzlich vorgesehene Mißbrauchsgebühr“ in Höhe von € 500,–.

Der „furchtbare Jurist“ läßt sich also – für jeden Menschen auf dieser Welt erkennbar – eindeutig kennzeichnen.

Das ist die eine Seite der Medaille.

Auf der anderen Seite befindet sich das Konterfei einer Person, die von seiner Ausbildung her seinen gesetzlichen Richtern, den Staatsanwälten und seinen Verteidigern ebenbürtig ist: Christian Wulff. Obwohl er den Satz:

„VOM STAAT GIBT ES KEINE LEISTUNG OHNE GEGENLEISTUNG“

geprägt hat, mimt er heute den Labrador, der eine „Schwarzwälder Kirschtorte“ vom Tisch gezogen und verputzt hat. „War da was?“

Mein früherer Kollege (auch er war einmal – wie ich auch  – Rechtsanwalt) vermag „schwachköpfige Richter“ ( Zitat Adolph Freiherr Knigge, vom Umgang mit Menschen: über den Umgang mit Juristen ) von seinem fehlenden „Unrechtsbewußtsein“ überzeugen, als ehemaliger „Staats- und Parteichef“ der Niedersachsen wird er das denen, auf deren Kosten er gegenwärtig lebt und in Zukunft leben wird, kaum glaubwürdig ‚rüberbringen können. – Jeder Hartz IV – Empfänger muß sich angesichts der Alimentation eines Christian Wulff bis ins Mark getroffen fühlen.

Aber, das ist in der öffentlichen Wahrnehmung schon lange vergessen, es gab schon einmal einen „Bundespräsidialamtsbesetzer“, der in die Schlagzeilen geraten war. – Er war ein wenig geschickter als der Wulff und saß die Affäre einfach aus. – Erl ieß sich schließlich auch kein Hotel und keinen Kneipenbummel von einem „Freund“ bezahlen, es ging damals nur um Flüge, die zu Lasten der „Hausbank“ eines Johannes Rau gingen. Sie wurde vor 13 Jahren durch die Presse genudelt. – Aber wer weiß das heute noch?

„Ich“! Herr Lehrer, denn ich hatte es damals aufgeschrieben. – Und wie der Zufall es so will, auch das Bundesverfassungsgericht einer überfälligen Apokalypse zugeführt. „Apokalypse“, das ist entgegen landläufiger Meinung kein Weltuntergang, das griechische Wort bedeutet lediglich „Entschleierung“. – Man könnte Apokalypse – in Anlehnung an das Rheinische Karnevalsbrauchtum – auch „politischen Aschermittwoch“ oder „Demaskierung“ nennen.

Geben wir den apokalyptischen Kavalleristen die Gelegenheit, ihre Pferde erneut anzuspornen:

http://www.lulu.com/shop/gerhard-altenhoff/der-bundesadel/ebook/product-551706.html S. 26Ff:

Habe ich es nicht gleich gesagt: der Bundesbürger ist nicht mehr Herr im eigenen Haus. Politik wird nicht in den Parlamenten gemacht, sondern in den Parteizentralen. Als ob er angetreten wäre, meine Auffassung zu bestätigen, versuchte der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt, die frei gewählten FDP- Abgeordneten des hessischen Landtages dahingehend zu beeinflussen, die Koalition mit der CDU zu beenden.

Ich darf in Erinnerung rufen, daß nach den demokratischen Verfassungen des Bundes und der Länder der Abgeordnete als Vertreter des ganzen Volkes und nicht einer Partei gilt. Er ist an Aufträge nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen.

Ist das FDP-Präsidium das Gewissen ihrer Abgeordneten? – Mit Sicherheit nicht. Mit Sicherheit sind es auch nicht die Kreisverbände der hessischen FDP, die jetzt einen Sonderparteitag durchgesetzt haben, um eine Entscheidung herbeizuführen.

An diesen Vorgängen offenbaren sich erneut die Verzerrungen der Demokratie in Richtung auf ein Diktat der Parteien. Das gegenwärtige Parteiensystems ist ein komplexes adaptives System, das alle qualitativen Merkmale einer Adelsschicht aufweist. Es reagiert in seiner Gesamtheit und in seinen Teilen irrational. Weil auch die FDP irrational reagiert, kann sie das Aufbegehren des hessischen Landesverbandes nicht tatenlos hinnehmen. Die Behauptung, der Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt sei nun geschwächt, ist zwar durchaus zutreffend, aber nur unter irrationalem Aspekt; denkt man darüber nach, was er aus verfassungsrechtlicher Sicht getan hat, mußte er scheitern, denn in einer Demokratie kann der Vorsitzende einer Partei keine Weisungen mit Anspruch auf Gehorsam erteilen.

Auf dem Parteitag werden Delegierte (auf deutsch: Abgeordnete) abstimmen, die von der “Basis” mit entsprechenden Vollmachten versehen sind. Wo aber bleibt der Wählerwille? – Einen Wählerauftrag gibt es zwar nicht, aber die Mehrheit der Wähler hat sich für eine Koalition der Fraktionen von CDU und FDP ausgesprochen und es ist alleiniges Entscheidungsrecht der Fraktion, diese unter den gegebenen Umständen fortzuführen.-

Sollte der Parteitag das Ende der Koalition beschließen, würde das nicht nur einen Angriff auf die Rechte und verfassungsmäßigen Pflichten der Abgeordneten darstellen; die Abgeordneten selbst würden in ein Dilemma gedrängt:

Folgt die FDP-Fraktion dem Beschluß des Parteitages, kommt sie einer “Weisung” nach, was sie nicht darf. Das wäre verfassungswidrig, zumal seit dem Beschluß, die Koalition fortzusetzen, sachlich keine Änderung eingetreten ist. Widersetzt sich die Fraktion der Partei, ist das mit Sicherheit die letzte Wahlperiode, die die konkreten Abgeordneten für die FDP in irgendeinem Parlament absolvieren durften. Ihre politischen Karrieren finden ihr Ende, weil die Namen nie wieder auf einer Landesliste auftauchen werden. Listenabgeordnete sind die “Lenkwaffen” der Parteien in den Parlamenten. Abgeordnete, die unfolgsam sind, sind aus der Sicht der jeweiligen Partei zwangsläufig unbrauchbar. Zur Strafe entzieht man ihnen das Adelsprädikat. Das wiederum kommt einer tiefen Demütigung gleich, und freiwillig demütigen läßt sich niemand. Folglich liegt die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, daß die FDP-Fraktion des hessischen Landtages einen Beschluß zur Beendigung der Koalition ohne inhaltliche Diskussion in die Tat umsetzen wird. Was in der Verfassung steht, bindet ja nicht. Jeder Adelige hat sich dem Kodex des Adels zu unterwerfen – auch bei der FDP.

Adel und Obrigkeit mochten die Presse nie. Sie empfanden sie stets als eine Störgröße, die man unterdrücken mußte. Auch in der Bundesrepublik, wie sich in Nordrhein-Westfalen zeigt: Es wird behauptet, der “Spiegel” hätte der Witwe des Piloten der Air-West-LB ein “Kopfgeld” versprochen, wenn ihre Informationen zum Rücktritt nordrhein-westfälischer Landespolitiker führen sollten. Die NRW-SPD hat sich beim Presserat darüber beschwert.

Das ist ungeheuerlich! – Aber nicht, was der Spiegel macht, die Beschwerde ist es. Warum? –

Nach meiner Auffassung ist die Pressefreiheit der unabhängigen Justiz ebenbürtig und unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren der Demokratie. Es kommt hier meiner Meinung nach nicht darauf an, ob die Behauptung über das Vorgehen des “Spiegel” zutrifft oder nicht, und zwar aus folgenden Gründen:

Bei der Justiz ist es seit ewigen Zeiten üblich, daß Belohnungen ausgesetzt werden, um Missetäter dingfest zu machen. – An dieser Stelle müssen wir uns vor Augen führen, was der Begriff dingfest machen bedeutet. Er kommt aus der germanischen Rechtssprache und leitet sich vom Thing ab. Das Thing war in germanischer und fränkischer Zeit die Volksversammlung als politische, Gerichts- und Heeresversammlung. Neben dem echten Thing, das regelmäßig stattfand und an dem jeder freie Mann teilnehmen mußte, gab es das gebotene Thing, das zunächst unregelmäßig nach Bedarf abgehalten wurde; Karl der Große führte einen festen Abstand von 14 Tagen ein, wobei nur noch der Gerichtsvorsitzende, Schöffen und die Streitparteien anwesend waren. Aus der Funktion des Thing als Gericht folgt, daß dort auch über das Fehlverhalten von Stammesmitgliedern geurteilt wurde.

Der Presse kommt in der Demokratie die Aufgabe zu, den Souverän darüber zu informieren, welche Aktivitäten Politiker entfalten, die nicht ganz mit dem Soll übereinstimmen. – Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal wiederholen: die Presse muß Bericht erstatten; zu richten, das ist das alleinige Recht des Souveräns.

Wenn ein Presseorgan im Rahmen der Berichtspflicht Informationen nur dann erlangen kann, wenn es Geld dafür bezahlt, ist das von keiner anderen oder geringeren Qualität, als wenn die Strafverfolgungsorgane eine Belohnung aussetzen. Es ist legitim. Immerhin geht es um Tatsachen, die für die Entscheidungsfindung des Souveräns von erheblicher Bedeutung sein können.

Kein Politiker hat Anspruch darauf, daß sein Fehlverhalten dem Volk verschwiegen wird. Allein die Tatsache, daß sich die NRW-SPD überhaupt beschwert hat, offenbart die tiefe Kluft, die zwischen dem Volk und einer Partei besteht, die von sich selbst behauptet, eine große Volkspartei zu sein. Besser als auf diese Weise kann man Kleingeist und Egoismus nicht outen.

Parteispenden, Sponsoring von Landesregierungen, schwarze Kassen, all das ist jetzt ruchbar geworden. Zur Verdeutlichung der Sache personifizieren wir den ziemlich abstrakten Souverän im Thing: Nehmen wir an, das Thing wäre aufgrund des von der Presse vorgetragenen Plädoyers geneigt, einem beschuldigten Politiker Fehlverhalten vorzuwerfen. Wie wird er sich verteidigen?

Die Psychologieprofessorin Astrid Schütz (TU Chemnitz) hat herausgefunden, daß politische Skandale oft nach dem gleichen Muster ablaufen. Sie hat dazu ein “Sieben-Stufen-Modell“ defensiver Selbstdarstellung entwickelt. Einfaches “Leugnen” bildet die erste Stufe, dann kommt das “Umdeuten” des eigenen Verhaltens oder es wird eine “Beteiligung abgestritten.” Wenn eine “Rechtfertigung” des eigenen Verhaltens keinen Erfolg bringt, dann sollte es wenigstens das “Bestreiten einer negativen Absicht.” Wenn auch das noch nichts nützt, wird es damit versucht, die “Bedeutung zu relativieren.” Am Ende, wenn all diese Mittel versagen, bleibt als siebte Stufe das “Eingeständnis,” das meist den Rücktritt zur Folge hat (Kölner Stadtanzeiger 12. /13. 2. 2000 S. 5). Politiker neigen also dazu, jede Schuld bereits dann von sich zu weisen, wenn der Sachverhalt noch gar nicht geklärt ist. Dieses Verhaltensmuster läßt sich in einem Satz zusammenfassen: Ich habe den Krug nicht bekommen, aber er war schon kaputt, als ich ihn bekam und er war noch ganz, als ich ihn weggab. Wer so argumentiert wirft Nebelkerzen und verschleiert jeden Blick auf die anzuwendenden Maßstäbe.

Am psychologischen Modell der Frau Schütz läßt sich unschwer ablesen, daß sich erwischte Politiker gern auf einen subjektiven Maßstab der Bewertung zurückziehen, der im Rechtsleben des Alltags aber nur im Ausnahmefall anzutreffen ist, nämlich im Strafrecht. Nur hier gibt es einen subjektiven Verschuldensmaßstab, alle anderen Rechtsgebiete messen mit der objektiven Elle. Zentrale Vorschrift ist diesbezüglich § 276 BGB, wonach fahrlässig handelt, wer die im Verkehr (gemeint ist der Rechtsverkehr) erforderliche Sorgfalt außer acht läßt. Aber der Verschuldensmaßstab allein bringt uns noch nicht weiter, denn die Prüfung des Verschuldens kann erst ansetzen, wenn ein Verhalten festgestellt ist, das zu einer Sanktion führen muß.

Welche Sanktion kann denn unser Thing verhängen, wenn die Verteidigungsstrategien des Politikers versagen? – Keine. Aus dem Amt jagen, das geht nicht.

Die einzige Konsequenz, die ein Politiker zu fürchten hat, ist der eigene Rücktritt. Es scheint sich seit der Französischen Revolution eingebürgert zu haben, daß ein Politiker, der es verdient, aus dem Amt gejagt zu werden, seinen Hut nimmt, bevor er den Kopf verliert.

Wann aber hat ein Politiker das Feld zu räumen? – Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland enthält keine Regelung zur Frage, welcher Sachverhalt zum Verlust eines politischen Amtes führen muß. Also müssen wir uns die Entscheidungshilfen aus anderen Rechtsgebieten holen. Nun sind die Beziehungen von Politikern zum Volk etwas eigenartig. Sie werden durch allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlen begründet. Beamtenrecht paßt ebensowenig wie Arbeitsrecht. Da wir alle aber komplexe adaptive Systeme sind, bei deren Interaktionen immer wieder dieselben Muster auftreten, brauchen wir nur auf der Skala des Alltagslebens nach einem Muster zu suchen, das mit dem Verhältnis des Bürgers zum Politiker übereinstimmt. Den Weg weisen die von Politikern gern benutzten Begriffe Auftrag und Mandat. Beide Begriffe werden im täglichen Sprachgebrauch für die Umschreibung des Rechtsverhältnisses zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten verwendet. Hier wie dort basiert das Verhältnis auf einem gewissen Vertrauensvorschuß, der dem Mandatsträger entgegengebracht wird. Anwalt und Politiker erledigen ihre Aufträge selbständig und in eigener Verantwortung. Beide übernehmen auch die Verantwortung für den, der sie mandatiert hat. Auf den ersten Blick scheint allerdings ein gravierender Unterschied zu bestehen, denn das alltägliche Mandatsverhältnis kann jederzeit von beiden Teilen aufgelöst werden, während der Politiker zwar sein Mandat im Laufe der Wahlperiode aufgeben kann, der Wähler kann ihm aber nicht das Mandat entziehen. Aber der Unterschied hat keine Bedeutung für die Frage, wann ein Fehlverhalten vorliegt. Er ist nur relevant für die Konsequenzen, die sich ergeben.

Aus diesem Grunde muß die Frage, ob ein eventuelles Fehlverhalten einen Mandatsverlust zwingend zur Folge hat, in beiden Fällen ähnlich beurteilt werden.

In diesem Zusammenhang stoßen wir auf etwas, das uns zu denken geben sollte: dem Anwalt ist es bei Strafe und Berufsverbot untersagt, widerstreitende Interessen zu vertreten. Dahinter steckt ein tiefer Sinn. Ein Prozeß, egal vor welchem Gericht, lebt von der Polarisierung der Interessen. Sie erst macht eine Entscheidungsfindung möglich. Ein Anwalt, der gegenläufige Interessen vertritt, bewirkt gewissermaßen einen Kurzschluß in diesem System und läßt es in sich zusammenfallen. Eine an Recht und Gesetz orientierte Entscheidungsfindung wird damit unmöglich gemacht. Die auch friedensstiftende Funktion eines Gerichtsverfahrens wird beeinträchtigt.

Nun übertragen wir diese Grundsätze auf die vom Volk mandatierten Abgeordneten. Der Abgeordnete ist definitionsgemäß Vertreter des ganzen Volkes. Wo haben wir hier die notwendige Polarisierung, das Spannungsverhältnis, das dem oben Gesagten entspricht?

Der erste Anschein sagt uns, daß die Polarisierung in den einander gegenüberstehenden Programmen der Parteien besteht. Das aber paßt nicht zu der Vorstellung, jeder Abgeordnete vertrete das ganze Volk und nicht eine bestimmte Klientel oder ein Programm. Ein Blick in andere Parlamente zeigt uns, daß es um den Sitzungssaal des Plenums eine Wandelhalle gibt, in der sich Interessenvertreter aller Couleur aufhalten und versuchen, Abgeordnete zu beeinflussen. Das englische Wort für Wandelhalle ist kurz: Lobby.

Die Lobby. Das also ist der Gegenpol, um den sich hier das Problem dreht. Wir brauchen uns in der gegenwärtigen Situation keine großen Gedanken zu machen, wo die Grenzen für eine zulässige Beeinflussung von Politikern durch Lobbyisten zu ziehen sind, denn jedenfalls ist die in Deutschland vorherrschende Interessenkollision bei Politikern weit jenseits des Zulässigen.

Interessenkollision ist ein Tatbestand, der einen Anwalt zur Niederlegung seines Mandats zwingt. Bereits die Gefahr der Wahrnehmung widerstreitender Interessen hat die Beendigung des Mandats zur Folge.

Träger politischer Mandate haben sich folglich in ähnlicher Weise zu verhalten, also so, daß bereits der Anschein vermeiden wird, er werde sich dieser Gefahr aussetzen.

Aus diesem Blickwinkel muß auch das Verhalten des gegenwärtigen Bundespräsidenten betrachtet und gewürdigt werden.

Auch Bundespräsident Johannes Rau folgte beim Einräumen seiner Flüge mit Air West-LB dem „Sieben-Stufen-Modell.“ Er verbirgt sich darüber hinaus hinter einem höchst renommierten Strafverteidiger. Auch Strafverteidiger sind komplexe adaptive Systeme und als Spezialisten darauf geeicht, subjektive Schuldvorwürfe abzuwehren. Die aber stehen gegenwärtig gar nicht zur Diskussion. Auch Johannes Rau wirft Nebelkerzen. Denn er erklärt sich nicht vollständig zu den erhobenen Vorwürfen. Sein Verteidiger wird ihm wohl das Schweigen angeraten haben. Im Strafprozeß darf er das, da ist auch der Rat: „Klappe halten“ sinnvoll. Eine Straftat wird Johannes Rau aber nicht vorgeworfen, also bleiben die Besonderheiten des Strafprozesses außen vor.

In allen anderen Fällen trifft jede Partei die prozessuale Wahrheitspflicht, das heißt, jede Partei hat sich zum Vorbringen der Gegenseite vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären. Verletzt eine Partei ihre Wahrheitspflicht und schweigt ganz oder teilweise, hat das zur Konsequenz, daß das Vorbringen des Gegners als zugestanden gilt.

Wer Gesetze im Namen der Bundesrepublik Deutschland unterschreibt, der sollte diesen Unterschied kennen und für die eigene Verteidigung berücksichtigen. Unter diesem Aspekt reicht die Behauptung, die Flüge seien dienstlich veranlaßt worden, nicht aus, wenn dafür nicht eine detaillierte Begründung erfolgt. Denn daß sich Bundespräsident Rau in seiner Amtszeit als Ministerpräsident durch die Inanspruchnahme der Air West-LB der Gefahr der Interessenkollision ausgesetzt hat, steht wohl außer Frage. Auch er ist nur ein Mensch. Es kommt auch nicht auf seine subjektive Einstellung zu den Dingen an, gemessen wird mit der objektiven Elle.

Unter diesem Aspekt bekommt die Äußerung „es dürfe nicht der Eindruck entstehen, in Deutschland sei Politik käuflich,“ natürlich einen anderen Stellenwert. Schon angesichts der Beträge, die in bar den Besitzer wechseln oder auf schwarzen Konten geparkt werden, wird einem ganz schwindelig. Aber es ist nur ein geringer Bruchteil der Gelder, die durch das System fließen. Sie erinnern sich an den Satz, den böse Zungen behaupten könnten: „Politik ist nicht käuflich, weil man nichts kaufen kann, was ausverkauft ist.“? Politik in Deutschland ist ausverkauft. Am Ende des ersten Teil habe ich das Bild vom Baum an der Küste gezeichnet, dem der Seewind eine prägnante Form aufzwingt. Der Witz daran ist, Sie können keinem einzelnen Windstoß irgendeine Beteiligung an der Formgebung nachweisen. Und Sie können keinem Hundertmarkschein, keiner Einzelspende eine konkrete politische Entscheidung zuordnen. Die gegenseitigen und vielfältigen Abhängigkeiten von Parlamentariern, Parteien, Spendern und Sponsoren erzeugen nun einmal das Bild eines korrupten Politikapparats, der, wie wir gesehen haben, ein komplexes adaptives System ist. Aus dem Wesen dieser Systeme ergibt sich, daß es für das Gesamtbild nicht ausschlaggebend ist, ob ein einzelner Politiker „käuflich“ ist. Das System als Ganzes ist es ohne Zweifel.

Die vom Grundgesetz beabsichtigte Polarisierung ist aufgehoben. Das System ist kurzgeschlossen. Gleichwohl haben wir ein Spannungsverhältnis zu verzeichnen, das allerdings sehr ungesund ist. Polarisierung wird gefährlich, wenn der Kontakt zwischen den Polen abreißt. Entweder geschieht dann gar nichts, wenn aber die Spannung wächst, kommt es zu einer schlagartigen Entladung.

Die neue Polarisierung, die sich bereits architektonisch im neuen Regierungsviertel niedergeschlagen hat, wird durch die diversen Affären mehr und mehr sichtbar; man nennt sie Politikverdrossenheit. Was heißt das? – Um das Gemeinwesen, die Polis, kümmert sich der Bürger nicht mehr, die „Partei der Nichtwähler“ hat gegenwärtig den größten Zulauf, weil „die da oben ja doch machen, was sie wollen.“ Volkes Stimme hat das zutreffend erkannt. „Die da oben,“ das ist der Bundesadel, der sich im Berliner und den anderen Regierungsvierteln mehr und mehr einigelt und das Mitspracherecht des Bürgers auf die Stimmabgabe bei der Wahl beschränkt. Ich glaube, in ausreichendem Umfang nachgewiesen zu haben, daß es nahezu unmöglich ist, „einfach so“ mit den besten An- und Absichten in die Politik zu gehen.

Das ist doch eigentlich unverständlich, denn Politiker rechtfertigen ihre geradezu fürstlichen Gehälter gebetsmühlenartig in folgender Weise: In der Wirtschaft würden für vergleichbare Positionen höhere Vergütungen gezahlt; es finde sich kaum jemand, der bereit sei, die Belastungen eines Politikers für die im Vergleich zur Wirtschaft geringfügige Entlohnung auf sich zu nehmen. Diese Argumente, das konnte ich hier wohl ganz klar zeigen, gehört in die Märchenstunde. Wer den Ritterschlag erhält, das bestimmt immer noch der Bundesadel selbst.

Daran offenbart sich, daß auch der Bundesadel über ein bestimmtes Rekrutierungssystem verfügt. Das läßt nur die nach „oben“ durch, von denen erwartet werden kann, daß sie im Sinne des Adels handeln, nicht im Sinne des Volkes. Und, es klingt bitter, das Auswahlverfahren setzt sich fort bis zur Wahl der Verfassungsrichter. Deren Wahl obliegt zwar dem Parlament, bei der konkreten Richterwahl entscheidet ein kleiner Ausschuß, der auch noch auf den Proporz achten muß. Achten Sie einmal darauf: es sind in der Regel verdiente Politiker, die dort einen Job angeboten bekommen. Man bleibt eben unter sich und weiß, wer wem was zu verdanken hat. Wir sind alle nur Menschen, keiner ist besser als der andere. Daher ist es höchst unwahrscheinlich, daß der Standesdünkel mit dem Überstreifen der roten Robe abgelegt wird. Er wird bei jeder Entscheidung mit am Richtertisch sitzen und Einfluß nehmen. Nicht bewußt und nicht sichtbar, aber er ist dabei. – Überzeugen Sie sich selbst: Nur 2 Mitglieder des 2. Senats des BVerfG haben keine offensichtlich „politisch“ geprägte Vergangenheit: http://www.bundesverfassungsgericht.de/richter.html

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Homo Sapiens – Superstar oder „Slapstick-Affe“?

August 31, 2013

Homo Sapiens Superstar – History – ZDFmediathek – ZDF Mediathek.

Angesichts des „globalen Bürgerkriegs“, der allenthalben rational nicht erklärbar ist, erscheint schon die für unsere Spezies gängige Artbezeichnung „Homo Sapiens Sapiens“ (der Weise-zum-Quadrat-Mensch) als blanker Hohn. – „Homo Sapiens“ auch noch zum „Superstar“ zu erklären, überschreitet die „rote Linie“ des philosophisch wie biologisch Erträglichen. – Mit Waffen ausgestattet, die mehr Menschen das Leben kosten können als alle Chemiewaffendepots Assads zusammen, benimmt sich der „Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika“ wie ein Oberlehrer, der sich anschickt, einen aufsässigen Schüler mit dem Rohrstock zu maltraitieren. – Rohrstock, man kann einen solchen auch als „Schlagstock“ bezeichnen. Der Schlagstock der „Keystone-Cops“ verlieh in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einer bestimmten Art von Filmkomödie ihren Namen: SLAPSTICK. – Das Herumschleichen um den Teil des globalen Bürgerkriegs, der zur Zeit die sozialen Turbulenzen im nahen Osten beherrscht, zeigt unzweideutig, daß der „moderne Mensch“ alles andere ist als ein „Homo Sapiens Sapiens“. – Vor allem ist er kein „Homo Sapiens Superstar“. – Schon die Eingangssequenz des verlinkten Films verfälscht die Geschichte des Menschen, vor allem die Geschichte seines Jagdverhaltens, das mehrere Millionen Jahre älter ist als der erste „Homo Sapiens“:

„Wir rekapitulieren, daß bei der Entstehung der Savanne in Ostafrika die für diese Landschaft typischen Lebewesen sukzessiv eingesickert sind. Die Vorfahren des Menschen gehörten zu den Pionieren. Die Nachstellungen durch Fleischfresser hielt sich in Grenzen. – Nach und nach besiedelten die typischen Pflanzenfresser der offenen Ebene, vorwiegend Huftiere, den Lebensraum unserer Vorfahren. Die Jäger, deren Hauptnahrungsquelle die Huftiere waren, folgten nach.

Damit wurde auch das Leben für unsere Vorfahren gefährlicher, denn der relativ langsame Mensch war für einen schnellen Jäger ein willkommener Leckerbissen; und gegenüber Raubtieren, die im Rudel jagten, hatte er nicht einmal den Hauch einer Chance.

Da sich die Rahmenbedingungen in der Natur fortlaufend ändern, können wir die, unter denen eine Rückkoppelungsschleife für die unbehaarte Haut ansetzen konnte, nur anhand des weiteren Geschehensablaufes bestimmen.

Unsere Vorfahren waren wesentlich intelligenter, als man bislang annahm. Erst jüngst hat der Verhaltensforscher Christope Boesch zeigen können, daß auch Schimpansen beim Werkzeuggebrauch kulturelle Unterschiede kennen. Der Unterschied bei der Handhabung eines Gegenstandes setzt eine voneinander verschiedene Idee über dessen Gebrauch voraus. Ferner lernen Schimpansenkinder von ihren Müttern nicht nur die verschiedenen Arten genießbarer Pflanzen zu unterscheiden; sie lernen auch, zu welchem Zeitpunkt die jeweiligen Früchte reif sind. Ohne diese „Schulstunden“ sind sie in freier Wildbahn nicht lebensfähig. Handaufgezogene Schimpansen, denen ihre Pfleger ein Leben in Freiheit ermöglichen wollten, wurden auf eine für diesen Zweck reservierte Insel verfrachtet und mußten unter der Obhut des Menschen erst einmal lernen, sich dort selbst zu ernähren.

Wir sollten also gar nicht mehr hinhören, wenn gesagt wird, das Gehirn unserer hominiden Vorfahren hätte „lediglich“ die Größe eines Schimpansenhirns gehabt. Denn gegenüber den Kenntnissen und Fertigkeiten, die ein Schimpansenkind lernt, erscheint, was den Nahrungserwerb anbelangt, unsere Zivilsation als ein Verharren im Säuglingszustand. – Mit dem Supermarkt an der Ecke als ewige Mutterbrust.

Wenn Schimpansenkinder ihre Nahrungsquellen in der beschriebenen Weise nur durch Tradition kennenlernen, setzt das voraus, daß sie klassifizieren können. Klassifizieren bedeutet, die Einheit in der Vielfalt erkennen. – Einheit in der Vielfalt aber ist das Kennzeichen jeder echten Sammlung. Nach diesem Muster wird übrigens auch das Angebot in einem Supermarkt gestaltet.

Die intellektuellen Fähigkeiten eines Schimpansen reichen auch vollkommen aus, Werkzeuge in differenzierter Weise zu gebrauchen. Die Erkenntnisse, die Christophe Boesch gewonnen hat, beziehen sich auf die Benutzung feiner Werkzeuge, nämlich auf die Handhabung von Grashalmen beim Ameisen- bzw. Termitenfang.

Nun kann der Mensch dank seiner Fähigkeit zum „Pinzettengriff“ Gegenstände erheblich besser manipulieren als ein Schimpanse. Aber allein die Tatsache, daß unsere nächsten Verwandten sie benutzen, läßt den Schluß zu, daß unsere gemeinsamen Vorfahren sich ähnlich verhielten.

Nach dem Übergang zur bipeden Lebensweise war der Daumen zunächst neutralisiert. Seiner Funktion beim Baumhangeln, die eine Mutation in Bereich der Hand zum tödlichen Risiko hätten werden lassen, war er beraubt. Veränderungen an seiner Struktur waren unschädlich, soweit sie einem Werkzeuggebrauch nicht im Wege waren. Das tatsächliche Verhalten unserer Altvordern, nämlich eifrig Werkzeuge zu benutzen, setzte eine Rückkoppelungsschleife in Gang und ließ die menschliche Hand in ihre heutige Form fließen.

Nicht nur der Werkzeuggebrauch bewirkte Neuerungen im Leben unserer Vorfahren.

Der Einzug des Großwildes und der ihnen folgenden Fleischfresser in die Savanne forderte von unseren Vorfahren erhöhte Aufmerksamkeit und eine ständige Beobachtung der Umgebung, wobei sie lernten, mit der latenten Gefahr durch Freßfeinde fertig zu werden, indem sie lernten, deren Verhalten einzuschätzen.ii

Unsere Vorfahren kannten die Gewohnheiten ihrer natürlichen Feinde sehr genau. Dabei sind ihnen mit Sicherheit die diversen Jagdstrategien gemeinschaftlich lebender Fleischfresser nicht entgangen.iii Sie waren auch dazu in der Lage, artfremde Verhaltensweisen nachzuahmen. – Einen Vorgang, der – auf die entsprechende Neigung der Schimpansen bezogen – in der deutschen Sprache mit „Nachäffen“ tituliert wird.

Im 20. Jahrhundert beobachteten Forscher über Jahre hinweg das Verhalten sozial lebender Fleischfresser. „Eine Löwinnen-Gruppe, die Seite an Seite in offener Querformation ruhig und zielstrebig auf ihre Beute zusteuert, dürfte wohl die erstaunlichste menschenähnliche Verhaltensweise im ganzen Tierreich sein. Die Gruppenjagd bietet ganz offensichtlich Vorteile. Während die Wildhunde auf diese Weise Zebras töten können, sind gemeinsam angreifende Löwinnen in der Lage, es mit großen Tieren wie Büffeln und Giraffen aufzunehmen, die mit einer einzelnen Raubkatze durchaus fertig werden könnten. Außerdem gelingt es einem einzelnen Löwen, der sich auf eine Herde grasender Tiere stürzt, in neun von zehn Fällen nicht, Beute zu schlagen, während die gemeinschaftlich jagenden Löwen viel häufiger Erfolg haben, besonders wenn sie nachts im Dickicht jagen oder sich ihrer Beute gegen den Wind nähern. Manchmal lauern Löwen auch ihren Opfern auf, ein anderes Mals greifen sie offen an und treiben die Tiere in eine Sackgasse.“ ( Nigel Calder, Das Lebensspiel S. 145 f )

Heute ist es möglich, einen Beobachtungszeitraum von drei Jahren mit wenigen Zeilen Text oder einigen Minuten Film allen Menschen dieser Welt unmittelbar zugänglich zu machen. Vor vier Millionen Jahren sah das etwas anders aus. Die künftige Jagdstrategie im Rahmen eines Sandkastenspiels zu diskutieren, lag weit außerhalb der Möglichkeiten unserer Vorfahren. Sie waren darauf angewiesen, es einfach zu versuchen. – In diesem Zusammenhang erscheint das Hervorheben der Menschenähnlichkeit des Verhaltens von jagenden Löwinnen als Verwechslung von Original und Fälschung.

Gute Beobachter waren sie, unsere Vorfahren. Im Nachahmen waren sie Meister. Sie verfügten ferner über eine ausgeprägte Abenteuerlust. Also wird es nur eine Frage der Zeit gewesen sein, bis sie begannen, das Verhalten ihrer Freßfeinde zu kopieren. Das ist der Grund, weshalb wir im Jagdverhalten mancher Raubtiere etwas Menschenähnliches zu entdecken glauben. Wir sind die Plagiatoren!

Allerdings bleibt auch nach dieser Feststellung die Frage offen, warum unsere Vorfahren das Verhalten ihrer Freßfeinde kopierten.

Wir haben oben gesehen, daß Organismen die neu entstandene Savanne nach einem bestimmten Schema besiedelten. Zunächst die Pflanzen und Insekten, mit ihnen die Insektenfresser, es folgen die Pflanzenfresser, dann die Fleischfresser, die die Pflanzenfresser fressen.

Mit der Zeit erwuchs den frühen Zweibeinern der Savanne ernsthafte Konkurrenz durch die klassischen herbivoren Steppentiere. Ferner mußten sie sich nun mit deren Jägern auseinandersetzen, die mit Sicherheit keine Skrupel kannten, einen bipeden Affen zu schlagen.

Um zu überleben, wird unseren Vorfahren nichts anderes übrig geblieben sein, als sich ihre Nahrung auch durch die Jagd zu verschaffen.“

Australopithecus Superbus, der Mensch im Licht nichtlinear-dynamischer Evolution, S. 73 ff:

http://www.lulu.com/shop/gerhard-altenhoff/australopithecus-superbus-der-mensch-im-licht-nichtlinear-dynamischer-evolution/ebook/product-544454.html

Am Anfang war das Feuer, so der Titel eines Films über die angeblichen Anfänge der Menschheit. – Das ist so nicht richtig. Wenn man der Darstellung folgt, die Stanley Kubrick an den Anfang stellte, kristallisierte sich mit der Verwendung des Schlagstocks die Menschheit aus der übrigen Affenwelt heraus:

http://www.myvideo.de/watch/4122757/Am_Anfang_war_der_der_Schlagstock

Aber wir folgen der Darstellung Kubricks nicht, weil den „Vor- und Frühmenschen“ dessen Verwendung mehr als fremd war. – Bis zum Auftreten des „Homo Sapiens Superstar“ bildete die Menschheit eine Art globalen „Swingerclub“:

Klicke, um auf sexclub-neandertal.pdf zuzugreifen

i vgl. auch Wolfgang Köhler, Intelligenzprüfungen am Menschenaffen, S. 70ff u. 103ff

ii Meiner Ansicht nach finden wir das Echo jener Zeit in der Tatsache, daß der Mensch dazu fähig ist, reale Gefährdungen der Natur zu ignorieren. Beispielsweise siedelt er in hochgradig erdbebengefährdeten Gebieten und an Vulkanhängen. Aus allen Begründungen, die dafür abgegeben werden, läßt sich entnehmen, daß die Erwartung, alles unter Kontrolle zu haben, verhindert, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Das schwere Erdbeben von Kobe, der Ausbruch des Montserrat und die Flutwellen der letzten Jahre haben gezeigt, daß es auch bestimmtes emotionales Muster zur Bewältigung solcher Katastrophen gibt. Anstatt sich mit der Tatsache abzufinden, daß das Unvermeidliche geschehen ist, reagieren die Menschen enttäuscht und suchen unsinnigerweise nach den Schuldigen.

iii Die Gabe, die Phänomene der Umgebung ausdauernd zu beobachten, spiegelt sich wieder in den Kenntnissen prähistorischer Astronomen. Sie mußten eine unglaubliche Geduld an den Tag legen und außerdem ein Gespür für Veränderungen haben, das beim zivilisierten Menschen einer schnellebigen Zeit nicht verloren, aber unterdrückt ist, so daß es sich nur noch in seinen Phantasien entfalten kann.


Der kleine „Law&Order-Knigge“

August 27, 2013

Der kleine „Law & Order“ – Knigge

Gestaltet von Adolph Freiherr Knigge, Gottfried Wilhelm Leibniz, Ernst Moritz Arndt und Friedrich Schiller.

Zusammengestellt und kurz kommentiert von Gerhard Altenhoff

laworderknigge (PDF)

Mit Adolph Freiherr Knigge verbindet auch Otto-Normaljurist gewisse Benimmreglen, die sich mehr oder weniger auf das Betragen am gedeckten Tisch oder auf dem Tanzboden beschränken. – Am gedeckten Tisch kann es ja schließlich zu Situationen kommen, die einem von Loriot entworfenen Sketch nahekommen könnten:

Einst speiste ich mit dem Benediktinerprälaten aus I*** bei Hofe in H***; man hatte dem dicken, hochwürdigen Herrn den Ehrenplatz neben Ihro Hoheit der Fürstin gegeben; vor ihm lag ein großer Ragoutlöffel zum Vorlegen: er glaubte aber, dieser größere Löffel sei ihm zur besonderen Ehre zu seinem Gebrauche dahingelegt, und um zu zeigen, daß er wohl wisse, was die Höflichkeit erfordert, bat er die Prinzessin ehrerbietig, sie möchte sich doch statt seiner des Löffels bedienen, der freilich viel zu groß war, um in ihr kleines Mäulchen zu passen. (Adolph Freiherr Knigge, Über den Umgang mit Menschen, 5.Auflage, Leipzig 1989, S. 17)

Aber die Einhaltung der „Höflichkeit“ bei Tische, das war nicht die Intention Knigges bei Abfassung seines Werks: Über den Umgang mit Menschen. – Sie war eine gänzlich andere; – und Knigges geistigen Nachlaß finden wir heute in Artikel 1 des Grundgesetzes, nämlich die Menschenwürde:

Im Kapitel Über den Umgang mit den Geringern schreibt Knigge (3. Teil 2. Kapitel)

Im siebenten Kapitel des zweiten Teils dieses Werks habe ich von dem Betragen des Herrn gegen den Diener und von den Pflichten geredet, welche der Vornehmere auf sich hat, denen, die vom Schicksale bestimmt sind, in Unterwürfigkeit zu leben, ihr Dasein leicht und süß zu machen. Ich verweise also zuerst die Leser dahin und füge hier nur noch einige Regeln für den Umgang mit solchen Personen hinzu, die zwar nicht in unseren Diensten, aber doch der Geburt, dem Vermögen oder andereren bürgerlichen Verhältnissen nach tiefer wie wir stehen.

Man sei höflich und freundlich gegen solche Leute, denen das Glück nicht gerade eine so reichliche Summe nichtiger, zeitiger Vorteile zugeworfen hat wie uns, und ehre das wahre Verdienst, den echten Wert des Menschen auch im niederen Stande! Man sei nicht, wie die mehrsten Vornehmen und Reichen, etwa nur dann herablassend gegen Leute von geringerem Stande, wenn man ihrer bedarf, da man sie hingegen verabsäumt oder ihnen übermütig begegnet, sobald man ihrer entbehren kann! Man vernachlässige nicht, sobald ein Größerer gegenwärtig ist, den Mann, den man unter vier Augen mit Freundschaft und Vertraulichkeit behandelt, schäme sich nicht, den Mann vor der Welt zu ehren, der Achtung verdient, möchte er auch weder Rang, noch Geld noch Titel führen! Man ziehe aber nicht die niedern Klassen bloß aus Eigennutz und Eitelkeit vor, um die Stimme des Volkes auf unsre Seite zu bringen; um als ein lieber, leutseliger Herr gepriesen und über andre erhoben zu werden! Man wähle nicht vorzüglich den Umgang mit Leuten von gemeiner Erziehung, um etwa in diesen Zirkeln mehr geehrt, mehr geschmeichelt zu werden, und glaube nicht, daß man populär und natürlch sei, wenn man die Sitten des Pöbels nachahmt! Man sei nicht lediglich darum freundlich gegen die Geringeren, um irgendeinen Höheren im Range zu demütigen, nicht aus Stolz herablassend, um desto mehr geehrt zu werden, sondern überall aus reiner redlicher Absicht, aus richtigen Begriffen von Adel und aus Gefühl von Gerechtigkeit, die über alle zufällige Verhältnissse hinaus in dem Menschen nur den Wert schätzt, den er als Mensch hat!” (Adolph Freiherr Knigge, Über den Umgang mit Menschen, 5.Auflage, Leipzig 1989, S. 236f)

In Blick in die europäische Geschichte seit der französischen Revolution und in die globale Gegewart lehrt, daß sich der Staat nach wie vor mit der Achtung der Menschenwürde mehr als schwertut. Von den Amerika bis Zimbabwe, von Afghanistan bis Zairer – In aller Welt haben “nationale Sicherheit” bzw. die “Staatssicherheit” Vorrang vor den Menschenrechten, die schließlich die Menschenwürde konkretisieren und ihr ein handhabbares Antlitz verleihen.

Ich hatte immer gedacht, es wäre die erschreckendste Erkenntis meines Lebens, ein „furchtbarer Jurist“ zu sein, nämlich einer, dessen Ausbildung und „Vorbereitung auf das Richteramt“ bis hin zum Erlangen der „Befähigung zum Richteramt“ sich von der eines Roland Freisler (ehemals Präsident des Volksgerichtshofs) nicht grundsätzlich unterschieden hatte – weder formal noch inhaltlich.

Als das Bundesverfassungsgericht dem Schröder die „Fahnenflucht“ ermöglicht hatte ( BVerfG, 2 BvE 4/05 vom 25.8.2005, Absatz-Nr. (1 – 243), http://www.bverfg.de/entscheidungen/es20050825_2bve000405.html ), dachte ich blitzartig: „Man müßte sich eigentlich schämen, Jurist zu sein“.

In der Folgezeit mehrten sich die Anzeichen, daß dieser Gedanke richtig war.

Furchtbare Juristen – die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz“ – so betitelte Ingo Müller sein Buch über die Geschichte der deutschen Justiz von Anbeginn des Untergangs der Weimarer Republik bis zum untauglichen Versuch, die Justiz des „Dritten Reichs“ jurisitsch aufzuarbeiten.

Ich hatte das ungute Gefühl, das mich beschlichen hatte, als nach dem 11. September 2001 der „furchtbare Jurist“ wie der legendäre Todesstern Nemesis am westlichen Horizont auftauchte, nicht ernst genommen. Erst nach und nach wurde mir klar, daß ich zu einer Variante des Homo Sapiens gehöre, die sich tagtäglich des Verrats an der eigenen Sache schuldig macht. Justitias Hohepriester in den Vereinigten Staaten von Amerika huldigten einer neuen Form der Monotheismus. Widerspruchslos unterwarfen sich die gesetzgebende und vor allem die rechtsprechende Gewalt dem Willen des Präsidenten der Vereinigten Staaten und dessen Junta. – Unbefristeter Freiheitsentzug ohne Anklage und Rechtsbeistand, Möglichkeit der Folter, Begründung der Zuständigkeit von Militärgerichten für Nichtangehörige der US-Streitkräfte usw. usw.

Wer kennt die Zahl der Unschuldigen, die heute noch in Guantanamo und anderen Verliesen der US-Sonderjustiz für die bösen Gedanken im Kopf eines George W. Bush büßen müssen? – Das Bild vom furchtbaren Juristen begann sich zu verdichten, freilich ohne konkrete, begriffliche Formen anzunehmen.

Als Hohepriester Justitias hatten wir spätesten ausgedient, als mir Anfang November 2008 die Gedanken des Augustinus über „Staat“ und „Gerechtigkeit“ mehr oder weniger „zufällig“ über den Weg liefen:

Hier ist nun der Platz, kurz und klar auszuführen, was ich oben auszuführen versprochen haben, daß nämlich nach den Begriffsbestimmungen, die Scipio in Ciceros Schrift über den Staat (Cic. rp. 2, 42ff) gebraucht, Rom nie ein Staat gewesen ist. Denn er bestimmt in Kürze den Begriff des Staates dahin, daß er Sache des Volkes sei. Ist diese Bestimmung richtig, so ist das römische Reich nie ein Staat gewesen, weil es nie die Sache des Volks gewesen ist, was ja dn Begriff des Staates ausmachen soll. Denn Volk nennt er eine Vereinigung von Menschen, die durch Übereinstimmung des Rechts und durch Gemeinschaft des Nutzens in sich selbst verbunden ist. Was er aber unter Übereinstimmung des Rechts versteht, das erklärt er im Verfolg der Auseinanderset­zung, indem er zeigt, daß ohne Gerechtigkeit ein Staatswesen nicht geführt werden könne. Wo also keine wahre Gerechtigkeit ist, kann auch kein Recht sein. Denn was nach Recht geschieht, das geschieht doch gerecht; was aber ungerecht geschieht, kann nicht nach Recht geschehen. Denn als Recht kann man nicht irgendwelche schlechte Bestimmung im Menschen gelten lassen und bezeichnen, da ja Recht nur sein soll, was aus dem Quell der Gerechtigkeit geflossen ist; und es ist falsch, was gewisse Leute zu sagen pflegen, die kein Gefühl für Recht besitzen, das nämlich sei Recht, das dem von Nutzen, der der Stärkere ist. Wo also keine wahre Gerechtigkeit ist, kann auch keine durch Übereinstimmung des Rechts verbundene Gemeinschaft der Menschen sein und also auch kein Volk nach jener Begriffsbestimmung des Scipio bei Cicero. Und wo kein Volk, da ist auch keine Sache des Volkes, sondern irgendeiner Menge, die des Namens Volk nicht würdig ist; da es ferner kein Recht gibt, wo keine Gerechtigkeit, so kann also, wo keine Gerechtigkeit, auch kein Staat sein. Gerechtigkeit ist ferner die Tugend, die jedem das Seinige gibt. Was aber ist das für eine Gerechtigkeit beim Menschen, die eben diesen Menschen den wahren Gott entzieht und ihn unreinen Teufeln unterstellt? Heißt das, jedem das Seinige zu geben? Ist doch ungerecht, wer ein Grundstück dem nimmt, der es gekauft hat, und es dem gibt, der kein Recht darauf hat: kann da der gerecht sein, der sich selbst die Herrschaft Gottes,d er ihn geschaffen hat, entzieht und bösen Geistern dient?

Sehr scharf und deutlich genug wird in jenen Büchern über den Staat für die Gerechtigkeit eingetreten wider die Ungerechtigkeit. Darin wird zunächst die Sache der Ungerechtigkeit wider die Gerechtigkeit verfochten und ausgeführt, ein Staatswesen könne nur durch Ungerechtigkeit bestehen und geleitet werden, und dies damit scheinbar sehr stark begründet, daß es ungerecht sei, wenn Menschen herrschenden Menschen dienen müssen, daß aber ein herrschgewaltiger Staat solche Ungerechtigkeit befolgen müsse, wolle er über seine Provinzen herrschen. Und es wird darauf zugunsten der Gerechtigkeit erwidert, das eben sei gerecht, weil es nämlich solchen Menschen nützlich sei zu dienen und eine solche Knechtschaft ihnen nur zum vorteil sei, wenn sie recht geschieht, das heißt, wenn damit den bösen die Möglichkeit des Unrechts genommen ist; so nämlich seien sie unterworfen besser daran als in Freiheit. Und dies zu bekräftigen, wird ein aus der Natur genommenes und ganz erlesenes Beispiel angeführt und gesagt: „Warum sonst würde Gott dem Menschen, die Seele dem Leib, die Vernunft der Begierde und den anderen lasterhaften Teilen der Seele gebieten?“ Gewiß wird durch dies Beispiel genügend erwiesen, daß Knechtschaft mitunter nützlich und daß Gott zu dienen immer nützlich ist. Eine Gott dienende Seele gebietet recht dem Leib, und in der Seele selber gebietet eine Gott dem Herrn ergebene Vernunft recht der Begierde und den anderen Leidenschaften. Wo also ein Mensch Gott nicht dient, was kann in ihm noch für Gerechtigkeit gelten? Ohne Gott zu dienen kann ja weder die Seele dem Leib noch die Vernunft den Leidenschaften in Gerechtigkeit gebieten. Und da in einem solchen Menschen keine Gerechtigkeit ist, wie kann sie in einer Vereinigung solcher Menschen sein? Hier also gibt es jene Übereinstimmung des Rechts nicht, die aus der Menschenmenge erst das Volk macht, dessen Sache doch der Staat sein soll. Was soll ich noch vom Nutzen reden, in dessen Gemeinschaft die Menschenmenge verbunden sein soll, daß sie ein Volk sei? Denn achtest du genau, kann doch für solche ein Leben nicht von Nutzen sein, die gottlos leben, wir jeder lebt, der Gott nicht dient, sondern den Teufeln dient, die selbst so gottlos sind, als sie sich, unreinen Geistern, gleich Göttern opfern lassen wollen. Ich glaube, was ich über die Übereinstimmung des Rechts gesagt habe, genügt, um klar zu machen, daß nach dieser Begriffsbestimmung ein Volk, dessen Sache doch der Staat sein soll, nicht sein kann, in dem Gerechtigkeit nicht ist. Man sagt vielleicht, die Römer hätten in ihrem Staat nicht unreinen Geistern, sondern guten und heiligen Göttern gedient. Muß ich so oft und immer wiederholen, was ich schon genug, mehr als genug gesagt? Nur ein Dummkopf oder ein schamlos Streitsüchtiger kann es sein, der mir in diesen Ausführungen so weit gefolgt ist und noch daran zweifeln kann, daß die Römer bösen und unreinen Geistern gedient. (Joseph Bernhardt, Augustinus, Bekenntnisse und Gottesstaat, Stuttgart 1951, S. 325ff)

Das Bild verdichtete sich am Ende soweit, daß der „furchtbare Jurist“ eine Gestalt annahm, die sich anhand von fünf Wochentagen darstellen ließ:

Montags fällt man am Volksgerichtshof Todesurteile wegen Wehrkraftzersetzung. Am Dienstag bringt man Kriegsverbrecher in Nürnberg an den Galgen. Der Mittwoch bleibt der Verkündung von Todesurteilen vorbehalten, die in den Diensträumen der Stasi bereits vorformuliert worden waren. Donnerstags läßt man – mit der Scharia unter dem Arm – vergewaltigte Frauen öffentlich steinigen. Und am Freitag nimmt man offensichtlich begründete Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an und verhängt eine „gesetzlich vorgesehene Mißbrauchsgebühr“ in Höhe von € 500,–.

Der „furchtbare Jurist“ läßt sich also – für jeden Menschen auf dieser Welt erkennbar – eindeutig kennzeichnen.

Weil die Juristenausbildung in aller Welt jeden auf der Welt existierenden Juristen befähigt, morgen früh seinen Dienst am Volksgerichtshof antreten zu können, muß man sich da nicht tatsächlich schämen, Jurist zu sein?

Unser „seliger Adolph“ hat mir dann schließlich gezeigt, daß meine Erkenntnis zwar richtig war, sich aber mangels einschlägiger Erfahrung in den Epochen vor meiner Zeit einstweilen nur skizzenhaft darstellen ließ. – Das macht sie nicht nur erschreckender und bitterer, als sie vorher schon war, Adolph & Adolf lösten gewissermaßen ein juristisches Erdbeben der Stärke 9 aus, dem hoffentlich ein entsprechender juristischer Tsunami folgen möge:

Ich hatte es bereits angedeutet: Bis zum heutigen Tage haben sich Juristen in aller Welt und über alle Revolutionen hinweg den „Mächtigen“ unterworfen und zu willfährigen Dienern der „Macht“ machen lassen. – Sie wurden nicht „mißbraucht“ – wie Wehrpflichtige, die man nach Rußland befohlen hatte, sie haben sich höchst freiwillig mißbrauchen lassen und lassen sich immer noch mißbrauchen! – Wir schauen nach Rußland und sehen die Verfahren gegen Chodorkowski und die „Pussy Riots“. – Man muß schon mit einem weißen Stock in der Gegend herumfuchteln und eine gelbe Binde mit drei schwarzen Punkte tragen um zu übersehen, daß der stalinistische „Schauprozeß“ das Ende der Sowjetunion um mehr als 20 Jahre überlebt hat.

Wir betrachten die Exzesse der „Justiz“ in den USA, wo der „Whistleblower“ Manning glücklich sein muß, daß er „nur“ 35 Jahre hinter Gittern verbringen soll und der Giftspritze knapp entgangen ist.

Was hat der Mann verbrochen?

Er hatte gegen das Schweigegebot verstoßen. – In der Non-Government-Organisation „Mafia“ heißt das Schweigegebot „Omerta“. Die Mafia kennt für den Bruch der „Omerta“ nur eine Sanktion, nämlich den Tod.

Merkwürdig, aber immer, wenn jemand gegen die angeblich demokratisch legitimierte und in irgendwelchen Dienstvorschriften verankerte „Omerta“ verstößt, drehen die vom Steuerzahler finanzierten „Paten“ förmlich durch. Man darf nicht nur, man muß die Frage in den Raum stellen: Warum reagiert ein angeblicher Rechtsstaat wie die USA mit ähnlicher Heftigkeit auf das Brechen der Omerta wie die Mafia?

Bei näherer Betrachtung ist das kein Wunder, denn der „moderne Rechtsstaat“ und das organisierte Verbrechen haben beide ihre Wurzeln im antiken Rom.

Es ist hier nicht der Platz für einen amkribischen Vergleich zwischen dem römischen Senat und der Cosa Nostra, aber schon ein flüchtiger Blick ins Geschichtsbuch ermöglicht den Abgleich zwischen den Verhaltensmustern des „Senats von Rom“, der Mafia und Exekutiv- bzw. Justizorganen der „Demokratie“. – Die Parallelen sind unverkennbar; sie lassen sich nur durch die gemeinsame Wurzel „Senat von Rom“ erklären. Also werfen wir einen Blick auf die „Verfassungswirklichkeit“ der römischen Republik in der Zeit zwischen dem zweiten punischen Krieg und dem augusteischen Principat:

… Die hohen Ämter waren unbezahlte Ehrenstellungen – ein Grund mehr dafür, daß sie nur den Wohlhabenden und Vornehmen zufielen. Die östlichen Reichtümer, aber auch die östlichen Vorstellungen von Kultur und Herrschaftssitte, hoben die Nobilität immer höher und erweiterten die Kluft, die sie von den Regierten trennte. Die Regierten aber bejahten, wie das so zu sein pflegt, instinktiv den Glanz des Höheren. Da nun bestimmte Geldgeschäfte, insbesondere die Staatspachtungen (Einziehung von öffentlichen Einkünften durch Pächter), den Senatoren nicht zugänglich waren, konnte sich eine besondere Schicht von Kapitalisten entwickeln, die den irreführenden Namen „Ritter“ trug. Der Reiterdienst war des kostspieligste, und deshalb gehörten zu den Ritterzenturien die bemitteltsten Bürger; sie widmeten sich nun in erster Linie den neuen Möglichkeiten des Gelderwerbs, verwandt und befreundet selbstverständlich mit dem Amtsadel, vielfach aber infolge von Eifersucht und Reibereien gegen ihn eingenommen. Ausbeutung, Erpressung, Skandalprozesse, Käuflichkeit, die sich bis zu hochverräterischen Beziehungen mit Landesfeinden steigerte, waren leider Erscheinungen, mit denen bald mehr und mehr als mit alltäglichen Mißständen gerechnet wurde. Der Mittelstand der alten Zeit konnte sich dabei nicht halten, ein kleiner Prozentsatz stieg auf zu Reichtum und Einfluß, der Hauptteil sank herab. (…) Das war ein willkommenes Menschenmaterial für ehrgeizige Politiker: ein solcher Patron brauchte dem Arbeitslosen nur etwas Wohnung, Kleidung und Geld zukommen zu lassen, um willfährige Klienten zu haben. Menschenkraft wurde billig; ohne Claque, Stimmvieh und Prügelgarde war schließlich kein Amt mehr zu haben. Als Belohnung gab es Abfütterung, Kornverteilung, Mieterlaß und glänzende Spiele.“ ( V. Valentin, Illustrierte Weltgeschichte I, 1968 S. 142f)

Wenn wir noch näher hinsehen, werden einige Parallelen zur Situation in unserer Republik auffällig, nämlich das Auseinanderfallen von Verfassung und Verfassungswirklichkeit, die Reformunfähigkeit, die eifersüchtige Verteidigung der eigenen Privilegien und die schleichende Entmündigung des Volkes, verbunden mit der Vernachlässigung der Interessen des Mittelstandes, die zu dessen weitgehender Proletarisierung führte.

Auch im alten Rom trat im Laufe der Zeit eine Polarisierung ein, die Gewinnmöglichkeiten der verbliebenen freien Bauern und Handwerker in der Stadt waren bescheiden; demgegenüber standen den Senatoren und der „Kapitalistenschicht“ alle Möglichkeiten offen, große Vermögen anzuhäufen. Da in Rom die meisten Magistrate nur für ein Jahr vergeben wurden, befand es sich außerdem zwangsläufig in einer Art „Dauerwahlkampf“ und Legitimationskrise.

Die weitgehende Geschlossenheit der römischen Führungsschicht entspringt nicht zum wenigsten der Identität ihrer wirtschaftlichen und politischen Interessen und der Identifizierung dieser Interessen mit jenen der Republik insgesamt. Allein die Stellung der führenden Familien und Geschlechter zwang zur Selbstdarstellung in einer für moderne Maßstäbe oft als penetrant erscheinenden Form. Zu den alten Ehrenzeichen der Tunika mit dem breiten Purpurstreifen, dem latus clavus, den eigentümlichen Sandalen und dem goldenen Ehrenring kamen jetzt neue demonstrative Sonderrechte, wie Ehrensitze bei den Spielen. (Karl Christ, Krise und Untergang der römischen Republik, 1979 S.90)

Beim augusteischen Principat handelt es sich – im Gegensatz zur völlig offenen Machtausübung der Diktatur Caesars – nach Entstehung und Wesen um ein verdecktes Machtsystem. Der Princeps war von Anfang an dazu gezwungen, seine Machtstellung zu legitimieren, seine persönliche Qualifikation einzuhämmern und die Wiederherstellung der staatlichen Ordnung, die restitutio rei publicae, zu behaupten – während in der Verfassungswirklichkeit die absolute Macht des Princeps unbestritten, die Verquickung von Staat und domus principis Frau, Kindern, Verwandten, Helfern bis herab zu Freigelassenen und Sklaven, offensichtlich war. Darüber mußte es zur Ausbildung jener Ideologie kommen, die zum Wesen des augusteischen Pricipats gehört, in zunehmendem Maße dann aber auch zu jenem politischen Klima, das durch Widersprüche vielfältigster Art, Verstellung und Heuchelei, Adulation und Opportunismus, Anpassung wie Korruption, Beeinträchtigung freier geistiger Entfaltung und die Vergiftung der gesellschaftlichen Beziehungen durch Denunzianten und Majestätsprozesse gekennzeichnet wurde, kurzum, zur Lebenswirklichkeit des Welt des Tacitus. ( Christ aaO. S. 464f)

Ich darf als bekannt voraussetzen, daß im alten Rom die Beseitigung eines politischen Rivalen durch Dolch oder Gift an der Tagesordnung waren. Hätten es in der Antike Automobile und Tommy-Guns gegeben, die Straßen Roms wären denen Chicagos zu Al Capones Zeiten gleichgekommen.

Auch heute noch sind die Parallelen zwischen Staatsorganisation und organisiertem Verbrechen unverkennbar; die „Reformen“ des Mafia-Bosses Lucky Luciano, der aus rivalisierenden Gangs eine geschlossen operierende Organisation geformt hatte, werden sogar mit der Gründung und dem Verhalten der Vereinten Nationen gleichgesetzt. http://www.youtube.com/watch?v=CalC-rKc2Wg

Die näheren Einzelheiten zu ergründen, will ich vorläufig den Soziologen und Politologen überlassen. Ich kann freilich nicht umhin, ihnen eine Art „Forschungsprogramm“ auf’s Auge zu drücken:

Volksvertreter oder Gaunerbande? Demokratie oder organisierte Kriminalität? – Ich überlasse es Ihnen, diese Fragen für sich selbst zu beantworten. Am Ende werden Sie mir allerdings darin beipflichten müssen, daß allem Anschein nach die Republik auf Verhältnisse zusteuert, die dereinst Mafia, Camorra und Cosa Nostra in den Schatten stellen werden. Denn wenn, dann wird auch das mit deutscher Gründlichkeit betrieben! (Gerhard Altenhoff, Störtebekers Erben – Geschichten aus Merkels Leichenkeller, S. 111: http://www.lulu.com/shop/search.ep?type=&keyWords=St%C3%B6rtebekers+Erben&x=0&y=0&sitesearch=lulu.com&q=

Laut Augustinus hatten die alten Römer „bösen und unreinen Geistern“ gedient; das antike Rom ist uns nach rund 2.000 Jahren also immer noch näher als uns lieb sein kann.

Der Dienst an den den „bösen und unreienen Geistern“ hat auch heute noch Hochkonjunktur, wird aber durch die Allgegenwart der politischen Parteien übertüncht und von den Meden unreflektiert als „demokratischer Rechtsstaat“ verkauft.

Der vielbeschworene „Rechtsstaat“ war und ist eine Illusion, ein Ergebnis von mehr als 200 Jahren Propaganda:

Die „BRD“ ist definitionsgemäß ein „Rechtsstaat“ und deswegen ist alles, was in der „BRD“ geschieht, „rechtsstaatlich“. – Demonstranten werden „rechtsstaatlich einwandfrei“ zusammengeknüppelt, „rechtsstaatlich einwandfrei“ werden Autofahrer per Radarfalle abgezockt. „Rechtsstaatlich einwandfrei“ sperrt man einen unbequemen Mitbürger sieben Jahre in die Psychiatrie. – Die Liste des rechtsstaatlichen Unrechts kann, wenn man will, recht stattliche Formen annehmen.

Für Politiker und die ihnen blind folgenden Otto-Normaljuristen ist es schlicht unvorstellbar, daß sich der „demokratische Rechtsstaat“ nicht an „rechtsstaatliche“ Regeln hält. – Wenn also im „Einzelfall“ rechtsstaatliche Regeln verletzt werden, ist das bedauerlich, aber wegen der menschlichen Fehlbarkeit unvermeidbar. Julien Assange und Edward Snowden wissen vor lauter Rechtsstaatlichkeit eigentlich gar nicht mehr, wo sie Unterschlupf und Asyl finden können, um nicht der menschlichen Fehlbarkeit der staatlichen Organe anheimzufallen. Diese „Fehlbarkeit im Einzelfall“ bekommen die Häftlinge Guantanamos ebenso systematisch zu spüren wie die Mädels von „Pussy Riots“ oder gar die russischen Homosexuellen beiderlei Geschlechts. Die „Mächtigen“ Rußlands etikettieren „rechtsstaatlich einwandfrei“ Schwule und Lesben als „kriminell“, die Machthaber in aller Welt etikettieren denjenigen, der die Wahrheit in die Welt hinausposaunt als „Verräter“. Und so waren, sind und bleiben sie, die „Etikettierten“, für die „Justiz“ Verbrecher: Alle, die dem „Gesetz“ nicht gehorcht haben oder nicht gehorchen. – Uns sei das Gesetz noch so unsinnig oder ungerecht. „Rechtsstaatlich einwandfrei“ wird deshalb allenthalben das „Recht“ gebrochen. – Es wird gebrochen, nicht „gebeugt“! – Es gibt nur „rechtsstaatlich“ oder „nicht rechtsstaatlich“. – Tertium non datur.

Heinrich von Kleist hat den plattentektonischen Grabenbruch zwischen recht haben und Recht bekommen in seinen Werken Prinz Friedrich von Homburg und Michael Kohlhaas in aller Deutlichkeit und letztlich für jeden Menschen auf dieser Welt intuitiv verständlich beschrieben.

Vor rund 2.400 Jahren ließ Manlius Torquatus wegen „unberechtigen Eingriffs in eine Schlacht“ den eigenen Sohn hinrichten. Und Friedrich der Große mußte in jungen Jahren aus „erzieherischen Gründen“ zuschauen, wie sein Freund Katte in Übereinstimmung mit „Recht und Gesetz“ einen Kopf kürzer gemacht wurde. – Die Kohlhaassche Selbstjustiz machte auch in „Ein Mann sieht rot“ und vielen anderen Hollywood-Streifen Forore, freilich werden darin am Ende die Protagonisten nicht wie der Kohlhaas auf das Rad geflochten.

Nach allem ist es also die Heftigkeit, mit der auch in den USA ein „Verräter“ verfolgt wird, nicht verwunderlich. Und sie unterscheidet sich nicht im Geringsten vom Fanatismus, mit dem die Richter am Volksgerichtshof die „Weiße Rose“ bzw. die Männer des 20. Juli abgeurteilt hatten. – Sie waren bzw. sind der „Insubordination“ schuldig. – Auf einer kleineren Größenskala erlebt der Bürger den Fanatismus der Obrigkeit bei der Verfolgung von Insubordanition fast jeden Tag am eigenen Leibe: er braucht nur falsch zu parken oder sich nicht anzuschnallen… – Es besteht daher der dringende Verdacht, daß auch im „demokratischen Rechtsstaat“ mehr Recht gebrochen als gesprochen wird.

Das macht die Justiz so unheimlich – und so unheimlich gefährlich für Leib, Leben, Freiheit, Ehre und Eigentum. – Auch heute noch!

Damit stellt sich nahezu von selbst die Frage, wie es zu dieser nach wie vor erschreckenden, aber ebenso erstaunlichen Feststellung kommen kann.

Ich hatte lange nach einer Antwort in der Literatur gesucht. Gefunden habe ich sie – mehr oder weniger per Zufall – am Vorabend der französischen Revolution:

Wenden wir uns nun zu den Juristen. Nächst den natürlichen Gütern, nächst der Wohlfahrt des Geistes, der Seele und des Leibes ist in der bürgerlichen Gesellschaft der sichre Besitz des Eigentums das Heiligste und Teuerste. Wer dazu beiträgt, uns diesen Besitz zuzusichern, wer sich weder durch Freundschaft noch Parteilichkeit, noch Weichlichkeit, noch Leidenschaft, noch Schmeichelei, noch Eigennutz, noch Menschenfurcht bewegen läßt, auch nur einen einzigen, kleinen Schritt von dem graden Wege der Gerechtigkeit abzuweichcn, wer durch alle Künste der Schikane und Überredung, durch die Unbestimmtheit, Zweideutigkeit und Verwirrung der geschriebnen Gesetze hindurch klar zu schauen und den Punkt, den Vernunft, Wahrheit, Redlichkeit und Billigkeit bestimmen, zu treffen weiß, wer der Beschützer des Armen, des Schwachem und Unterdrückten gegen den Stärkern, Reichern und Unterdrücker — wer der Waisen Vater, der Unschuldigen Retter und Verteidiger ist —, der ist gewiß unsrer ganzen Verehrung wert.

Was ich hier gesagt habe, beweist aber auch zugleich, wie sehr viel dazu gehört, auf den Titel eines würdigen Richters und auf den eines edeln Sachwalters Anspruch machen zu dürfen, und es ist, am gelindesten gesprochen, sehr übereilt geurteilt, wenn man behauptet, es werde, um ein guter Jurist zu sein, wenig gesunde Vernunft, sondern nur Gedächtnis, Schlendrian und ein hartes Herz erfordert, oder die Rechtsgelehrsamkeit sie nichts anders wie die Kunst, die Leute auf privilegierte Art um Geld und Gut zu bringen. Freilich, wenn man unter einem Juristen einen Mann versteht, der nur sein römisches Recht im Kopfe hat, die Schlupfwinkel der Schikane kennt und die spitzfindigen Distinktionen der Rabulisten studiert hat, so mag man recht haben; aber ein solcher entheiligt auch sein ehrwürdiges Amt.

Doch ist es in der Tat traurig — um auch das Böse nicht zu verschweigen —, daß in diesem Stande die Handlungen so vieler Richter und Advokaten sowie die Justizverfassung in den mehrsten Ländern sehr mannigfaltige Gelegenheit zu jenen harten Beschuldigungen geben. Da widmen sich denn die schiefsten Köpfe dem Studium der Rechtsgelehrsamkeit, womit sie keine andre feine Kenntnisse verbinden, dennoch aber so stolz auf diesen Wust von alten römischen, auf unsre Zeiten wenig passenden Gesetzen sind, daß sie von dem Manne, der die edlen Pandekten nicht am Schnürchen hat,glauben, er könne gar nichts gelernt haben. Ihre Gedankenreihe knüpft sich nur an ihr Buch aller Bücher, an das Corpus juris an, und ein steifer Zivilist ist wahrlich im gesellschaftlichen Leben das langweiligste Geschöpf, das man sich denken mag. ln allen übrigen menschlichen Dingen, in allen andern den Geist aufklärenden, das Ilcrz bildenden Kenntnissen unerfahren, treten sie dann in öffentliche Ämter. Ihr barbarischer Stil, ihre bodenlangen Perioden, ihre Gabe, die einfachste, deutlichste Sache weitschweifig und unverständlich zu machen, erfüllt jeden, der Geschmack und Gefühl für Klarheit ht, mit Ekel und Ungeduld. Wenn du auch nicht das Unglück rlebst, daß deine Angelegenheit einem eigennützigen, parteiischen, faulen oder schwachköpfigen Richter in die Hände fallt, so ist es schon genug, daß dein oder deines Gegners Advokat ein Mensch ohne Gefühl, ein gewinnsüchtiger Gauner, ein Pinsel oder ein Schikaneur sei, um bei einem Rechtsstreite, den Jeder unbefangne, gesunde Kopf in einer Stunde schlichten konnte, viele Jahre lang hingehalten zu werden, ganze Zimmer voll Akten zusammcngeschmiert zusehn und dreimal soviel an Unkosten zu bezahlen, wie der Gegenstand des ganzen Streits wert ist. ja am Ende die gerechteste Sache zu verlieren und dein offenbares Eigentum fremden Händen preiszugeben. Und wäre beides nicht der Fall, wären Richter und Sachwalter geschickte und redliche Männer, so ist der Gang der Justiz in manchen Ländern von der Art, daß man Methusalems Alter erreichen muß, um das Ende eines Prozesses zu erleben. Da schmachten dann ganze Familien im Elende und Jammer, indes sich Schelme und hungrige Skribler in ihr Vermögen teilen. Da wird die gegründetste Forderung wegen eines kleinen Mangels an elenden Formalitäten für nichtig erklärt. Da muß der Ärmere sichs gefallen lassen, daß sein reichrer Nachbar ihm sein väterliches Erbe entreißt, wenn die Schikane Mittel findet, den Sinn irgendeines alten Dokuments zu verdrehn, oder wenn der Unterdrückte nicht Vermögen genug hat, die ungeheuren Kosten zu Führung des Prozesses aufzubringen. Da müssen Söhne und Enkel ruhig zusehn, wie die Güter ihrer Voreltern unter dem Vorwande, die darauf haftenden Schulden zu bezahlen, Jahrhunderte hindurch in den Händen privilegierter Diebe bleiben, indes weder sic noch die Gläubiger Genuß davon haben, wenn diese Diebe nur die Kunst besitzen, Rechnung aufzustellen, die der gebräuchlichen Form nach richtig sind. Da muß mancher Unschuldige sein Leben auf dem Blutgerüste hingeben, weil die Richter nicht so bekannt mit der Sprache der Unschuld wie mit den Wendungen einer falschen Beredsamkeit sind. Da lassen Professoren Urteile über Gut und Blut durch ihre unbärtigen Schüler verfassen und geben demjenigen recht, der das Responsum bezahle — doch was helfen alle Deklamationen, und wer kennt nicht diesen Greuel der Verwüstung?

Einen bessern Rat weiß ich nicht zu geben wie den: man hüte sich, mit seinem Vermögen oder seiner Person in die Hände der Justiz zu fallen!

Man weiche auf alle mögliche Weise jedem Prozesse aus und vergleiche sich lieber, auch bei der sichersten Überzeugung von Recht, gebe lieber die Hälfte dessen hin, was uns ein andrer streitig macht, bevor man es zum Schriftwechsel kommen lasse!

Man halte seine Geschäfte in solcher Ordnung, mache alles darin bei Lebzeiten so klar, daß man auch seinen Erben nicht die Wahrscheinlichkeit eines gerichtlichen Zwistes hinterlasse!

Hat uns aber der böse Feind zu einem Prozesse verholfcn. So suche man sich einen redlichen, uneigennützigen, geschickten Advokaten – man wird oft ein wenig lange suchen müssen und bemühe sich, mit ihm also einig zu werden, daß man ihm außer seinen Gebühren noch reichere Bezahlung verspreche — nach Verhältnis der Kürze der Zeit, binnen welcher er die Sache zu Ende bringen wird!

Man mache sich gefaßt, nie wieder in den Besitz seiner Güter zu kommen, wenn diese einmal in Advokaten- und Kuratorenhände geraten sind, besonders in Ländern, wo alter Schlendrian, Schläfrigkeit und Inkonsequenz in Geschäften herrschen!

Man erlaube sich keine Art von Bestechung der Richter! Wer dergleichen gibt, der ist beinahe ein ebenso arger Schelm wie der, welcher nimmt.

Man waffne sich mit Geduld in allen Geschäften, die man mit Juristen von gemeinem Schlage vorhat!

Man bediene sich auch keines solchen zu Dingen, die schleunig und einfach behandelt werden sollen!

Man sei äußerst vorsichtig im Schreiben. Reden, Versprechen und Behaupten gegen Rechtsgelehrte! Sie kleben am Buchstaben; ein juristischer Beweis ist nicht immer ein Beweis der gesunden Vernunft, juristische Wahrheit zuweilen etwas mehr, zuweilen etwas weniger wie gemeine Wahrheit, juristischer Ausdruck nicht selten einer ändern Auslegung fähig wie gewöhnlicher Ausdruck, und juristischer Wille oft das Gegenteil von dem, was man im gemeinen Leben Willen nennt!(Knigge aaO 273ff)

Das klingt doch erstaunlich modern, aktuell und lebensnah! Und es ist auch für den juristischen Laien verständlicher als die Gedanken, die fast ein Jahrhundert zuvor unser Kollege Gottfried Wilhelm Leibniz über Recht und Gerechtigkeit zu Papier gebracht hatte:

Ebenso steht es mit der Gerechtigkeit. Wenn dies ein fester Ausdruck ist, der eine bestimmte Be­ deutung hat, mit einem Worte, wenn dies Wort nicht einfacher, sinnloser Schall ist, wie »blitiri«, dann wird sich dieser Ausdruck oder dieses Wort »Gerechtigkeit« doch irgendwie definieren oder durch einen verständlichen Begriff erklären lassen. Aus jeder Definition aber kann man, indem man sich der unbestreitbaren logischen Regeln bedient, sichere Folgerungen ziehen. Und eben das tut man im Aufbau der notwendigen und streng beweisenden Wissenschaften, die nicht von den Tatsachen, sondern allein von der Vernunft abhängen, wie dies für die Logik, die Metaphysik, die Arithmetik, die Geometrie, die Wissenschaft von der Bewegung und auch für die Wissenschaft vom Rechte gilt. Denn diese alle haben ihr Fundament nicht in Erfahrungen und Tatsachen, sondern dienen dazu, von den Tatsachen selbst Rechenschaft zu geben und sie im voraus zu regeln; und das hätte für das Recht selbst dann Geltung, wenn es auch in der ganzen Welt kein Gesetz gäbe.

Der Fehler derer, welche die Gerechtigkeit von der Macht abhängig gemacht haben, kommt zum Teil daher, daß sie Recht und Gesetz verwechselt haben. Das Recht kann nicht ungerecht sein — das wäre ein Widerspruch —, aber das Gesetz kann es sein. Denn das Gesetz wird durch einen Machtspruch eingeführt und aufrechterhalten. Und wenn es der Macht nun an Weisheit oder gutem Willen fehlt, so kann sie recht schlechte Gesetze einführen und aufrechterhalten. Zum Glück für das Ganze der Welt sind die Gesetze Gottes stets gerecht, und er ist imstande, sie aufrechtzuerhalten, wie er das auch zweifellos tut, obgleich dies nicht stets in sichtbarer und unmittelbarer Weise geschieht, wofür er sicherlich gewichtige Gründe hat.

Es handelt sich also darum, endlich den Formalgrund der Gerechtigkeit und den Maßstab zu bestimmen, an dem wir die Handlungen abmessen müssen, um zu erfahren, ob sie gerecht sind oder

nicht. Nach allen vorhergehenden Erörterungen nun konnte man diesen schon voraussehen: »ge recht« ist, was in gleichem Maße der Weisheit und der Güte gemäß ist. Die Güte geht darauf aus, das größtmögliche Gute zu erreichen; um dies jedoch zu erkennen, bedarf sie der Weisheit, die nichts andres als die Erkenntnis des Guten ist, so wie die Güte nichts andres ist als die Neigung, allen Gutes zu erweisen und das Böse zu verhindern, wofern es nicht für ein größeres Gutes oder zur Verhinderung eines größeren Übels notwendig ist. Es wohnt demnach die Weisheit dem Verstande und die Güte dem Willen, die Gerechtigkeit somit ihnen beiden inne. Die Macht ist etwas ganz andres. Wenn sie jedoch hinzutritt, so bewirkt sie, daß aus dem Rechte eine Tatsache wird, und daß, was sein soll, auch wirklich existiert, soweit wenigstens, als die Natur der Dinge dies erlaubt. Und eben dies ist Gottes Tätigkeit mit Bezug auf die Welt.

Da aber die Gerechtigkeit auf das Gute geht, und Weisheit und Güte, die vereint die Gerechtigkeit bilden, sich auf das Gute beziehen, so wird man fragen, was denn eigentlich das wahre Gute ist. Ich antworte, daß es nichts andres ist, als was der Vervollkommnung der verstandesbegabten Substanzen dient. Demnach sind offenbar Ordnung, Zufriedenheit, Freude, Güte und Tugend ihrem Wesen nach etwas Gutes und können niemals schlecht sein, während die Macht, von sich aus, gleichfalls ein Gut ist, weil es, wenn alles übrige gleichbleibt, besser ist, sie zu haben, als sie nicht zu haben. Sie wird indessen ein sicheres Gut nur dann, wenn sie Mit Weisheit und Güte vereinigt ist . . .

Man wird also vielleicht sagen können, daß die Vorschrift, niemand Unrecht zu tun, »neminem laedere«, die des sogenannten ius strictum ist, daß es indessen eine Forderung der Billigkeit ist, auch am rechten Platze Gutes zu tun, und daß eben dies der Sinn der Vorschrift ist, die uns befiehlt, jedem das zukommen zu lassen, was ihm gehört, »suum cuique tribuere«. Was aber hier das Rechte ist, das läßt sich aus der Regel der Billigkeit oder der sozialen Gleichheit erkennen: »Quod tibi non vis fieri aut quod tibi vis fieri, neque aliis facito aut negato.« (Was du nicht willst, daß es dir geschehe oder was du willst, daß es dir geschehe, das füge anderen nicht zu oder verweigere es ihnen) Es ist dies die Regel der Vernunft so wohl wie unsres Herrn. Versetze dich an die Stelle des andern und du wirst den rechten Gesichtspunkt einnehmen, um zu beurteilen, was gerecht ist oder nicht. . .(Gottfried Wilhelm Leibniz, Von der Allmacht und Allwissenheit Gottes und der Freiheit der Menschen, zitiert nach „Leibnitz – Auswahl aus seinen Werken“, Auswahl und Einleitung von Friedrich Heer, 1- 40. Tausend, Frankfurt/Main und Hamburg 1958 S. 194f)

Ich wiederhole eine kurze Passage aus dem vorangegangenen Zitat:

Der Fehler derer, welche die Gerechtigkeit von der Macht abhängig gemacht haben, kommt zum Teil daher, daß sie Recht und Gesetz verwechselt haben. Das Recht kann nicht ungerecht sein — das wäre ein Widerspruch —, aber das Gesetz kann es sein. Denn das Gesetz wird durch einen Machtspruch eingeführt und aufrechterhalten. Und wenn es der Macht nun an Weisheit oder gutem Willen fehlt, so kann sie recht schlechte Gesetze einführen und aufrechterhalten.“

Und ich wiederhole den letzten Satz des Zitats:

Versetze dich an die Stelle des andern und du wirst den rechten Gesichtspunkt einnehmen, um zu beurteilen, was gerecht ist oder nicht. . .

Nun gelingt es aber sehr vielen Menschen nicht, sich an die Stelle des anderen zu versetzen. – Viele wollen das auch gar nicht, weil der Mensch, der sich unaufhörlich seiner „Vernunft“ und seines „Verstandes“ rühmt, nur „bedingt vernunftbegabt“ ist. – Dessen war sich Knigge bewußter als Leibniz, wie er in der Einleitung zum ersten Teil des „Umgangs mit Menschen“ durchblicken läßt:

Wir sehen die erfahrensten, geschicktesten Männer bei alltäglichen Vorfällen unzweckmäßige Mittel wählen, sehen, daß es ihnen mißlingt, auf andre zu würken, daß sie mit allem Übergewichte deer Vernunft dennoch oft von fremden Torheiten, Grillen und von dem Eigensinne der Schwächeren abhängen, daß sie von schiefen Köpfen, die nicht ert sind, mit ihnen verglichen zu werden, sich müssen regieren und mißhandeln lassen, daß hingegen Schwächlnge und Unmündige am Geist Dinge durchsetzen, die deer Weise kaum zu wünschen wagen darf. (Knigge aaO, S. 8)

Wenn ein zum „Kirchenvater“ aufgestiegener Philosoph und drei Juristen sich im Abstand von mehreren Jahrhunderten nahezu derselben Fragestellung widmen, die am Rest der jeweils zeitgenössischen Rechtsgelehrten abperlt wie Regentropfen am Blatt der Lotusblume, dann muß man schlicht und ergreifend die Frage in den Raum stellen, woran das liegt. – Wenn man Knigges Feststellungen zur Lage der Jurisprudenz am Ende des 18. Jahrhunderts mit den weltweiten Kapriolen der Rechtswissenschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts vergleicht, liegt die Antwort auf der Hand:

Der wissenschaftliche Fortschritt ist an den Juristen ebenso vorbeigeeilt wie an den Theologen. Im Vergleich zu Medizin, Physik und Chemie entspricht der heutige wissenschaftliche Stand der Jurisprudenz dem von Pestärzten und Alchimisten. Verglichen mit der Astronomie verharren die „Rechtsgelehrten“ immer noch in einer Art „ptolemäischem Weltbild“. – Im ptolemäischen Weltbild ist die Erde eine Scheibe, um die sich Sonne, Mond und Sterne in von Gott vorherbestimmten Bahnen bewegen. – Und wer sich allzu weit auf’s Meer hinauswagt, stürzt ab in die Hölle.

Juristen, das wird jeder verständige Leser bestätigen, neigen nicht gerade dazu, selbst zur Hölle zu fahren, sie schicken lieber andere dorthin. – Gerade nach der „Kopernikanischen Wende“ in der Astronomie loderten die Scheiterhaufen. Dort landeten neben den „üblichen Verdächtigen“ vor allem Gegener der klerikalen Propaganda, die wider besseres Wissen unbeirrt am ptolemäischen Weltbild festhielt.

Wider besseres Wissen?

Wider bessers Wissen!

Erastothenes, Bibliothekar in Alexandria, hatte circa 250 Jahre vor Christus bereits Umfang und Radius der Erde mit einer bestechend einfachen Methode fast präzise bestimmt. – Wegen der weiteren Einzelheiten sei auf Lancelot Hogben, Mathematik für alle, Köln 2001, S. 169f. verwiesen.

Bereits zur Mitte des 1. Jahrtausends vor Christus hatten phönizische Seefahrer das Mittelmeer verlassen und auf ihren Reisen, die sie entlang der Küsten nach Norden und nach Süden geführt hatten, die verschiedenen Klimazonen und den Äaquator entdeckt. Die Kugelgestalt der Erde und die Einteilung in Klimazonen seien, wie Hogben es formuliert, schon vor Euklid ein Gemeinplatz in der griechischen Astronomie gewesen. (Hogben aaO. S. 62ff). Hogbens Darstellung wird durch keinen Geringeren als den römischen Dicher Ovid bestätigt. Ovid beschreibt in seinem Epos Metamorphosen (Verwandlungen) eindrucksvoll die Kugelgestalt der Erde nebst ihren fünf Klimazonen:

Als so der Gott, wer immer es war, die Materie geordnet,

So sie zerteilt und die Teile zu wirklichen Gliedern gestaltet,

Ballte er gleich zu Beginn die Erde, damit sie auf jeder

Seite sich gänzlich gleiche, zur Form einer riesigen Kugel.

(Ovid, Metamorphosen, Zeile 33ff)

Ovid beschreibt in der Folge die Oberflächengestaltung unseres Heimatplaneten und gelangt zu folgender Feststellung:

So zerteilte der sorgliche Gott die umschlossene Kugel

Nach den nämlichen Zahlen: es decken fünf Zonen die Erde.

Wo sich die mittlere dehnt, da verwehrt es die Hitze zu wohnen;

Zwei deckt tiefer Schnee; zwei hat er dazwischengeschoben

Und ihnen Milde verliehen: Mit Kälte vermischte er Wärme.

(Ovid aaO. Zeile 47ff)

Die von Ovid erzählte Schöpfungsgeschichte blieb vielen Generationen von Lateinschülern vorenthalten. Sie verschwand für Jahrhunderte aus den Schulbüchern. Dafür mußte der Klerus schließlich sorgen, denn die biblische Schöpfungsgeschichte duldete keine Konkurrenz. – Noch zu Beginn der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts erklärten Lateinlehrer interessierten Schüler, die Zeilen 5 bis 88 der Metamorphosen, die Ovids Schöpfungsgeschichte enthalten, wären verschollen! – Als Schüler ist man ja froh, daß man nicht noch mehr Ovid-Texte übersetzen muß und hakt nicht weiter nach. – Wenn man sie dann nach Jahren zu Gesicht bekommt und den erstaunlichen Inhalt zur Kenntnis nimmt, ist man seinem Lateinlehrer böse und macht sich Gedanken über den fortwährenden Einfluß des Klerus auf die Lehrpläne des 20. Jahrhunderts.

Guten Gewissens kann man daher wohl nicht behaupten, die Kirche wäre bei der Verteidigung des ptolemäischen Weltbildes nicht bösgläubig gewesen.

Die Juristen beteiligten sich nach Kopernikus dienstbeflissen und mit wahrem Feuereifer an den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Folterknechte und Henker – All das zur Rettung einer als falsch erkannten Weltanschauung.

Die Jurisprudenz als „Hilfswissenschaft“ einer Ideologie, die den Anspruch auf Wahrheit erhebt.

Dieses Phänomen tauchte in der französichen Revolution, im Marxismus/Leninismus ebenso wieder auf wie im Nationalsozialismus. Bei den genannten politischen Phänomenen handelt es sich offensichtlich um Formen von Ersatzreligionen. – Und wenn wir heute in der islamischen Welt die Bestrebungen nach Wiedereinführung der Scharia verfolgen können, so deutet das auf eine ebenso innige wie gefährliche Verbindung zwischen Theologie und Jurisprudenz hin. – Eigentlich fehlt nur noch eine Hinwendung Israels zu den mosaischen „Nebengesetzen“ der 10 Gebote. (2. Mose, 21 bis 23/ 3. Mose, 16 bis 20) – Erstaunlich und erschreckend, für welch geringfüge Delikte „Gott“ die Todesstrafe vorgesehen hatte!

Was früher „Gott“ befohlen hatte, wird seit der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika und der französischen Revolution durch „die Politik“ in die Welt gesetzt, in einem fast undurchschaubaren Zusammenspiel zwischen der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt des Staates. – Es sei in Erinnerung gerufen, daß die Staatstheorien der Aufklärung von drei Staatsgewalten ausgehen: die gesetzgebende, die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt.

Einer der Begründer, Montesquieu, hat vor einer erneuten Vermischung der „Staatsgewalten“ ausdrücklich gewarnt:

Die politische Freiheit des Bürgers ist jene Ruhe des Gemüts, die aus dem Vertrauen erwächst, das ein jeder zu seiner Sicherheit hat. Damit man diese Freiheit hat, muß die Regierung so eingerichtet sein, daß ein Bürger den anderen nicht zu fürchten braucht.

Wenn in derselben Person oder der gleichen obrigkeitlichen Körperschaft die gesetzgebende Gewalt mit der vollziehenden vereinigt ist, gibt es keine Freiheit; denn es steht zu befürchten, daß derselbe Monarch oder derselbe Senat tyrannische Gesetze macht um sie tyrannisch zu vollziehen.

Es gibt ferner keine Freiheit, wenn die richterliche Gewalt nicht von der gesetzgebenden und vollziehenden getrennt ist. Ist sie mit der gesetzgebenden Gewalt verbunden, so wäre die Macht über Leben und Freiheit der Bürger willkürlich, weil der Richter Gesetzgeber wäre. Wäre sie mit der vollziehenden Gewalt verknüpft, so würde der Richter die Macht eines Unterdrückers haben.

Alles wäre verloren, wenn derselbe Mensch oder die gleiche Körperschaft der Großen, des Adels oder des Volkes diese drei Gewalten ausüben würde: die Macht, Gesetze zu geben, die öffentlichen Beschlüsse zu vollstrecken und die Verbrechen oder die Streitsachen der Einzelnen zu richten. (Ernst Forsthoff, -Hrsg-, Charles de Montesquieu: Vom Geist der Gesetze, Band 1, XI, 6, Tübingen 1990, S. 213f)

Ich hatte mich immer gefragt, warum die Erwähnung der Worte „Politik“, „politischer Wille“ oder „Wille des Gesetzgebers“ bei Otto-Normaljurist“ umgehend zu einer Notabschaltung des Gehirns führt.

Ein extrem konservatives, als fast religiös zu bezeichnendes Element der Jurisprudenz hält die Juristen in der Welt von Dogmata und „ex cathedra“ verkündeten „Lehrsätzen“ (Leersätzen?) gefangen wie Goldfische im Glas. – Die „Zehn Gebote“ einschließlich der „Nebengesetze“ waren Gottes Gesetz, das er dem Menschen mit auf den Weg gegeben hatte. – Alle „menschlichen“ Gesetze ließen sich darauf zurückführen, sie waren damit letztlich „göttlichen“ Ursprungs. Was einst das „Machtwort“ des Papstes war, was „Führer“, „Staats-und-Parteichefs“ vorgebetet hatten und heutige Imame vorbeten, ist der Wille Gottes, der „Vorsehung“ oder der „historischen Notwendigkeit auf dem Weg zum Kommunismus“.

So scheint die Aufklärung der Jurisprudenz ihren ursprünglichen „Gottesbezug“ entzogen zu haben. – Diese aber braucht ihn offensichtlich, anders wäre die Diskussion um Kreuze in Gerichtssälen und die Freistellung der „religiösen Beteuerungsformel“ bei der Ablegung von Eiden nicht zu erklären. – Selbst bei der Diskussion um den „Europäischen Verfassungsvertrag“ spielte der Gottesbezug eine nicht unerhebliche Rolle: http://www.e-politik.de/lesen/artikel/2003/gott-in-die-eu-verfassung/

Als die Aufklärung den Draht der Jurisprudenz zu Gott gekappt hatte und Gesetze ein „parlamentarisches Verfahren“ durchlaufen mußten, das allein „menschlicher Natur“ war und nur noch den Willen von Menschen repräsentierten, mußte sich die Jurisprudenz zur Rechtfertigung des eigenen Handelns etwas anderes einfallen lassen:

Maß aller Dinge ist heute der „Wille des Gesetzgebers“, den sich je nach Sach- und Rechtslage jeder gebildete Jurist selbst zusammenbasteln muß, weil er im Gesetz nicht klar zum Ausdruck kommt:

Und wird der Tatbestand nicht von dem Gesetz mit unverkennbarer Deutlichkeit vorgezeichnet, dann bin ich durch solche ‚Kautschukpararaphen‘ eingefangen, und wie man auch sonst in der Gesellschaft über mich denken mag, ich gehöre der Minderheit der Menschheit an, welche dem Strafgesetz verfallen ist. Darum ziemt dem Gesetzgeber nirgends größere Vorsicht gegen ein zu allgemeine und dehnbare Begrifssbestimmung, als in den Punkten, die unglücklicherweise in den politischen Kämpfen zum Tummelplatz der Kautschukgesetzgebung geworden sind.“ ( Eduard Lasker, Reichstagsrede 3. 12. 1875 – zitiert nach Eberhard Urban, der neue Büchmann – Geflügelte Worte, München 2007, S. 494f)

Lasker erschuf den „Gummiparagraphen“ bei der ersten Lesung einer Strafgesetznovelle, die eine Strafverschärfung von „öffentlichen Angriffen gegen die Institute der Ehe, der Familie und des Eigentums sowie auch von Schmähungen der Behörden, der Staatsgewalt, des Reiches, der einzelnen Bundesstaaten, der Gesetze und Verordnungen schon dann, wenn der Angeklagte nicht wider besseres Wissen oder unter wissenschaftlicher Entstellung der Tatsachen handelte“, zum Gegenstand hatte. (Urban aaO) – Die Debatte, die den „Gummiparagraphen“ zur Welt brachte, offenbart schon in der Aufgabenstellung die Abneigung der Jurisprudenz, sich den erkenntnistheoretischen Problemen der eigenen Wissenschaft zu stellen: „wissenschaftliche Entstellung der Tatsachen“ nannte der „Gesetzgeber“ des Jahres 1875 die Wahrheit, deren Suche als oberste Pflicht des Juristen innerhalb des Gerichtssaals angesehen wird.

Der Jurist wandelt also auch heute noch im Gerichtssaal auf den Spuren der frühen Hohepriester, die den „Willen der Götter“ verkündeten. – Nach Kopernikus und Luther folgten den Priestern die einfachen Pfarrer in den Gemeinden, die der Versammlung der Gläubigen in ihren Predigten genau den Willen Gottes verkündeten, den sie sich selbst ausgedacht hatten. In der Sache selbst trat keine Änderung ein. – Warum also sollten die Juristen ihre Haltung als „Hohepriester“ Justitias ändern? – Das Bild der Göttin erodierte freilich: Das Schwert wurde schartig, die Augenbinde durchsichtig und ihre Waage klemmte. Gleichwohl ziert ihr ursprüngliches Standbild auch in unserer Gegenwart viele Eingangshallen der Justizpaläste. – Aus diesem Grunde dürfte auch heute noch in vielen Juristenköpfen unbewußt die Vorstellung herrschen, daß „Gesetzgebung“ ein göttlicher Akt ist.

Die „Staatsgewalt“ wurde ursprünglich durch die Person des Fürsten repräsentiert. Er erließ Dekrete (Gesetze) und ließ diese entweder durch die ihm gehorchenden Truppen „vollziehen“ oder „auf dem Rechtsweg“ mit Hilfe der ihm untertänigen Richter durchsetzen. – Immerhin war der Fürst nicht zuletzt auch „Oberster Gerichtherr“.

In diesem Goldfischglas war es für die Juristen ziemlich einfach sich zurechtzufinden und ihre Bindung an Recht und Gesetz zu akzeptieren, vor allem an das Gesetz.

Daran änderte das Zeitalter der Aufklärung wenig, wie der Text Leibnizens zeigt. Die Idee der Gewaltenteilung erschütterte zwar die Legitimation der absoluten Herrscher und wirbelte damit die Jurisprudenz ein wenig durcheinander. – Diese löste das Problem in der denkbar konservativsten Weise. – Auch nach dem Sturz der absoluten Herrscher unterwarf man sich dem „Primat der Politik“, vor allem zur Zeit der französischen Revolution. – Während der Diktatur des „Wohlfahrtsausschusses“ fällten die Juristen die Todesurteile schneller, als die Guillotine sie vollstrecken konnte. – Ein ähnliches Phänomen trat erst im nationalsozialistischen Deutschland wieder auf. – Massenhinrichtungen von Regimegegnern gab es zwar auch in anderen Ländern, vor allem in der frühen Sowjetunion, das Problem bestand für die Verfahensbeteiligten lediglich darin, daß man mit dem Fallbeil die Todesurteile nur eines nach dem anderen vollstrecken kann.

All das machte und macht Otto-Normaljurist keinerlei Kopfzerbrechen. In seinem Goldfischglas vertraut er nach wie vor darauf, daß die Regierung ihm die Handungsanweisungen – das Gesetz – detailliert zur Verfügung stellen wird.

Im Zeitalter des Absolutismus entstand das, was wir „Regierung“ nennen. In Frankreich führte ab dem 13. August 1624 der durch Alexandre Dumas zu Weltruhm gelangte Kardinal Richilieu das „Kabinett“ des französischen Königs Ludwigs XIII. Als „Premier Ministre“.

In England war Sir Robert Walepole der erste „Prime Minister“ und „Regierungschef“ von 1721 bis 1742. Die übrigen Minister wurden nicht vom Parlament, sondern von Georg II. Und Georg III. ins „Kabinett“ entsandt. Ihre „Amtszeit“ endete auch nicht mit der Walpoles. (Colin F Padfield, British Constitution made simple, 4th Edition, London 1977, S. 123)

Später gab es ein „Agreement“ zwischen der britischen Krone und dem Parlament, wonach die Mitglieder des „Kabinetts“ auch „Members of Parliament“ sein mußten.

Das genau war der faule Kompromiß, der den Mythos der „modernen Demokratie“ begründete und die Doktrin der „demokratischen Legitimation“ von Regierungen durch Wahlen zur Welt brachte.

Ursprünglich „vollzog“ die Regierung den Willen des Monarchen, stand als williges Vollzugsorgan jedem Despoten zur freien Verfügung. – Die Regierung ist kein „Organ des Staates“, sondern eine gegen das Volk gerichtete Körperschaft. – Deswegen kann es auch keine „demokratisch legitimierte“ Regierung geben. – Diese Fiktion entstand, weil man sich am Ende des 18. Jahrhunderts ein Staatswesen ohne „Regierung“ einfach nicht mehr vorstellen konnte. – Die absolutistische Tradition hatte das Denken der Menschen geprägt!

Wir sehen das nicht zuletzt daran, daß die Präsidenten der USA und Frankreichs residieren wie die Sonnenkönige und auch in ihren öffentlichen Auftritten so behandelt werden. – Sie wurden zu Sonnenkönigen auf Zeit gemacht.

Das Beharrungsvermögen der Tradition hat sich nicht zuletzt nach dem Untergang des Ostblocks und der „DDR“ gezeigt. In den Kreisen und Gemeinden der untergegangenen DDR hat man trotz Änderung der Rechtslage den Dingen ihren „sozialitischen Gang“ Gang gelassen. – Wegen der Einzelheiten verweise ich auf meine unter dem Titel „Störtebekers Erben – Geschichten aus Merkels Leichenkeller“ veröffentlichten Chronik des Landkreises Rügen aus den Jahren 1991 bis 1995. http://www.lulu.com/shop/search.ep?type=Print+Products&keyWords=Störtebekers+Erben&x=14&y=7&sitesearch=lulu.com&q

Der vielbeschworene „Rechtsstaat“ war und ist, wie wir gesehen haben, eine Illusion, ein Ergebnis der Propaganda. So ist es kein Wunder, daß auch die „westliche Demokratie“sich am Ende als Gaukelei dar- und herausstellt:

Die n Großbritannien reale, im übrigen aber nur virtuelle Möglichkeit, durch Wahlen auf die „Auswahl“ des Regierungschefs Einfluß zu nehmen, streute dem Volk Sand in die Augen und ermöglichte den „Machtgieriegen“, sich mit breiter Zustimmung in die Position des „Alpha-Tieres“ katapultieren zu lassen.

Die Spiegelneuronen erlauben es den Parteigängern des „Regierungschefs“, sich ebenfalls als „Alpha-Tiere“ zu fühlen. – Spiegelneuronen sind die Gehirnzellen, die auf den Rängen der Fußballplätze für Torjubel und Tränen sorgen. – Bayern München „beherrscht“ die Bundesliga – und verkauft dementsprechend die meisten Fanartikel.

Jubel, Tränen und Fanartikel sind eher harmlose Produkte der Spiegelneuronen, die auf den Sportplätzen dieser Welt auch durchaus ihre Berechtigung haben. Geschichte und Gegenwart zeigen allerdings deren lebensgefährliche Effekte, denn die „demokratische Legitimation“ erlaubt offenbar jeden Rechtsbruch durch das „Alpha-Tier“ und macht sakrosankt. – Ohne sachliche Rechtfertigung behaupten Propaganda und selbst die „Rechtslehre“ seither, „Regierungsakte“ wären nicht justitiabel.

Darauf verließ sich am Ende des 2. Weltkrieges auch Hermann Göring, als er sich den amerikanischen Truppen stellte. – Er hatte nicht damit gerechnet, daß bereits ein Heer willfähriger Juristen bereitstand, mit einem eigens dafür geschaffenen Justiuzapparat über „Regierungsakte“ zu Gericht zu sitzen.

Es kann dahinstehen, ob die Nürnberger Prozesse als Siegerjustiz einzustufen sind oder auf der ernsthaften Absicht beruhen, Kriegsverbrechen den Krieg anzusagen. Jedenfalls hat die Zahl der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der Verbrechen gegen den Frieden und die Zahl der Kriegsverbrechen nach dem zweiten Weltkrieg eher zu- als abgenommen. – Legt man Art. 6 des Statuts für den Internationalen Militärgerichtshofs vom 8. August 1945 zugrunde und wendet das dort niedergelegte „Recht“ auf die „Führer“ der Gegenwart an, dürfte von Rechts wegen der „Henker von Nürnberg“ mit der Arbeit nicht nachkommen können… –

Ob Absolutismus, britsch-amerikanischer Demokratismus, Sozialismus oder Nationalsozialismus – für Otto-Normaljurist änderte sich im Grunde nichts, aber auch gar nichts, denn für ihn war und ist heute noch lediglich der „Output“ entscheidend, das „Gesetz“, was am Ende des „staatlichen“ Willensbidungsprozesses herauskommt und von Monarchen oder deren Surrogaten als „allgemeinverbindlich“ dem Staatsvolk bekanntgemacht wird. – Wie ein Gesetz zustandekommt, hat auch heute noch weder einen Richter noch einen Staatsanwalt, vor allem aber keinen Verwaltungsjuristen und erst recht keinen Advokaten zu interessieren. – Nach wie vor und unverbrüchlich hat man sich dem Willen des Gesetzgebers zu unterwerfen.

Was hinter den „Kabinettstüren“ ausgekaspert wird, ist für Otto-Normaljurist absolut tabu, es ist die Welt außerhalb seines Goldfischglases. Die diversen Gesetzblätter dieser Welt formen das Glas, dessen Totalreflektion den Blick in die Außenwelt versperrt. – Die absolutistischen Strukturen, die einen kopernikanischen Weckruf an die Rechtswissenschaft bislang verhindert haben, fanden sogar Eingang in das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden“. (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). – Die „verfassungsmäßige Ordnung“ ist in Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes in bestes deutsches Paragraphengummi geschnitten: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus: Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ – Wie die eindeutige Zusammenstellung unbestimmter Rechtsbegriffe zeigt, unterliegen die „Organe der Gesetzgebung“ keiner Bindung an „übergeordnete Rechtssätze“, wie etwa die Menschenrechte.

Die Signale für die seit den Tagen der Pharaonen ausgeübten Willkür in der Gesetzgebung sind auch in der „BRD“ auf „Grün“ geschaltet. – Und davon wird auch in der „BRD“ übereifrig Gebrauch gemacht.

Kein Wunder also, daß sich im Laufe der „Rechtsentwicklung“ in der „BRD“ die Lehre vom „Wählerauftrag“ an „die Politik“ herausbildete. – Der „Wählerwille“ übertrumpft sogar die unzweideutigen Verfahrensregeln des Grundgesetzes bei der Besetzung der „höchsten“ Staatsämter. – Und da Otto-Normaljurist nicht darin ausgebildet ist, den Bullshit, den die Mitglieder der Parlamente und der Regierungen von sich geben, zu hinterfragen, haben auch im „Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland“ die Exekutivorgane freie Hand, ihre Willkür durch das Affentheater der Parlamente zu schleusen und erstklassiges Paragraphengummi in die Gesetzbläter zu bugsieren. – Sie können aufgrund der inneren Organisation der Parteien und der Macht der Spiegelneuronen sicher sein, daß die Parlamentarier dem Willen ihrer jeweiligen „Führer“ bedingungslos folgen werden. – Falls sie nicht freiwillig folgen, wird der „Fraktionszwang“ sie von ihrer Pflicht, dem „Führer“ zu folgen, schon überzeugen. – Spätestens, wenn ihnen der Entzug der Gunst, auf der Landesliste der Partei einen bei der nächsten Wahl „sicheren“ Listenplatz zu haben, in Aussicht gestellt wird, vergessen auch die renitentesten unter den Abgeordneten ihr Gewissen.

Es ist also klar, daß die gesetzgebende Gewalt, die im Plenarsaal des Parlaments angesiedelt sein sollte, sich dem Führungsanspruch der vollziehenden Gewalt ohne Not und ohne jede Berechtigung unterwirft. –

Machen wir die Probe auf’s Exempel:

Der arme Richter, dem ein Angeklagter den Ruf entgegenschleudert: „Gott sei mein Zeuge!“ – Er wird vergeblich nach einer „ladungsfähigen Anschrift“ Gottes suchen lassen. – Und er wird mit Entsetzen feststellen, daß Gott dieses Schicksal mit dem Teufel und dem „Gesetzgeber“ teilt.

Im alten Rom und im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zur Zeit des Kopernikus waren die Verhältnisse klar: Gott war Gott, der Teufel war der Teufel und der „Gesetzgeber“ trat auf in Gestalt des Senats von Rom, des Caesar Augustus, des Kaisers oder des Landesfürsten auf.

Der „Gesetzgeber“ ist allerdings seit der ersten Protokollierung von Parlamentssitzungen eindeutig identifizierbar, und zwar nach Namen und ladungsfähigen Anschriften der jeweils über einen Gesetzentwurf abstimmenden Abgeordneten. – Diese könnten von der Justiz jederzeit über ihre tatsächliche Motivation bei der Abstimmung und über ihre entsprechende Sachkunde unter Eid befragt werden. – Vor allem aber auch darüber, ob sie den Inhalt des Abstimmungsgegenstandes überhaupt jemals begriffen oder den verabschiedeten Gesetzestext je gelesen hatten!

Ich möchte freilich den Richter sehen, der auf Antrag einer Partei einen entsprechenden Beweisbeschluß erläßt!

Für alle Gerichte dieser Welt ist es nach wie vor bequemer, dem „Gesetzgeber“ genau den Willen anzudichten, der dem jeweiligen Zeitgeist und der geheiligten Tradition der Jurisprudenz entspricht.

Fakten können den Prozeßablauf empfindlich stören!

Tatsachen, die haben für Otto-Normaljuristen nur dann Relevanz, wenn sie „der Wahrheitsfindung dienlich“, also in einem konkreten Prozeß „streitgegenständlich“ sind.

So merkwürdig es klingen mag, aber kaum eine andere Variante des Homo Sapiens hat mit Kleinkariertheit und Erbsenzählerei den naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn dermaßen vorangetrieben wie die Juristen. – Die Lektüre von Jürgen Thorwalds „Das Jahrhundert der Detektive“ und „Die Stunde der Detektive“ stempelte in den frühen siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts den Leser zum Exoten. – Heute flimmern CSI, CSI Miami oder CSI New York, Serien, die den forensischen Zweig der Naturwissenschaft zum Gegenstand haben, beinahe täglich über den Bildschirm.

Im Gerichtssaal treibt die Rechtswissenschaft die „Wahrheitssuche“ mittels naturwissenschaftlicher Erkenntnisse gnadenlos voran. Dieselbe Jurisprudenz scheut jedoch die – durchaus zulässige – Forschung nach den Ursachen des „Gesetzes“, den Ursachen des Gerichtssaals und den Handlungsantrieben der dort tätigen „Organe der Rechtspflege“-

Seit Pontius Pilatus, seinerzeit auch ein „Organ der Rechtspflege“, haben sich ausnahmslos alle „Organe der Rechtspflege“ darauf verlassen, daß das „Jüngste Gericht“ dem Antrag Jesu:

Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“

stattgeben und bei der Urteilsverkündung alle Sünden der „Staatsgewalt“ vergeben werde.

Das kann man doch wohl nur glauben, wenn man die Erde für eine Scheibe hält.

Das „Urvertrauen“ in die Güte und Gnade Gottes erlaubt der Jurisprudenz, alle Fakten, die das überkommene Weltbild stören, bestenfalls zu ignorieren.

Weil auch sein Weltbild durch die tägliche Propaganda der „freien Medien“ geprägt wird, ist es selbst für den geneigten Leser schwer zu glauben, daß das, was die Propaganda als „westliche Demokratie“ täglich an den Mann zu bringen versucht, genau der Form der „kollektiven Diktatur“ entspricht, wie sie während der franzöischen Revolution von Maximilien Robbespierre etabliert worden war:

Die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, die französische und alle ihr folgenden Revolutionen zeigen es überdeutlich:

Die „rechtsprechende Gewalt“ unterwirft sich der „vollziehenden Gewalt“ ebenso bereitwillig wie die „gesetzgebende Gewalt“:

Ob die Todesstrafe in den USA verfassungskonform ist, hängt von der jeweiligen Zusammensetzung des „Obersten Gerichtshofs“ ab, die ihrerseits durch den Präsidenten, also der „vollziehenden Gewalt“ bestimmt wird. So konnten wegen der schwankenden Rechtsprechung Todeskandidaten mehrfach hoffen, dem Henker vom Schafott zu springen, andere, die lange genug in der Todeszelle verharrt hatten, mußten schließlich erneut um ihr Leben fürchten. – Was gestern Recht war, kann heute kein Unrecht sein?

Wirklich?

Gerade der „Fall Obama ./. Osama“ verdeutlicht, daß man als oberstes „Vollstreckungsorgan“ des Volkswillens durchaus Spaß an der „Willensildung“ anstelle des Volkes und der Position des Richters in eigener Sache haben kann. – Es stört ja niemanden. – Und alle klatschen, wenn der Kopf fällt. – Ganz wie einst auf dem Place de la Concorde, als das „Kabinett Robbespierre“ bestimmte, was „Recht“ war und wer „Im Namen des Volkes“ zum Schafott gekarrt wurde. George Jaques Danton soll es auf den Punkt gebracht haben: „Seien wir schrecklich, damit es das Volk nicht sein muß!“

Der Schrecken der französischen „Wohlfahrt“ ist im Laufe der Jahrhunderte verblaßt.

Ein Schrecken sollte einem Demokraten indes erneut durch die Glieder fahren, wenn er in Kenntnis der Existenz der „furchtbaren Juristen“ sich der Frage stellt, wie man in Deutschland die höhsten Weihen der Jurisprudenz erhält.

Nach Artikel 94 Absatz 1 Satz 2 werden die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts je zur Hälfte vom Bundesage und vom Bundesrate gewählt. Die Entscheidenung, wer an einem der übrigen „obersten Bundesgerichte“ im „Namen des Volkes“ urteilen darf, liegt nach Artikel 95 Absatz 2 des Grundgesetzes in den Händen des sogenannten „Richterwahlauschuß“, in dem Exekutivorgane und Parlamentarier unheilvoll miteienander verbunden sind: „über die Berufung der Richter dieser Gerichte entscheidet der fr das jeweilige Sachgebiet zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlauschuß, derau en fr das jewelige Sachgebiet zustndige Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die vom Bundestage gewählt werden.“

In beiden Fällen unterwerfen sich die Enscheidungsgremien dem Willen einer nahezu unheimlichen Absprache der „politischen Parteien“. – Man besetzt die Ämter der obersten Bundesgerichte nicht nach Qualifikation (z.B. nach Zahl der Urteile, die nicht durch höhere Instanzen aufgehoben wurden), sondern die Richterstellen an den „Obersten Bundesgerichten“ werden nach „Parteiproporz“ vergeben: Heute CDU, morgen SPD, übermorgen FDP. – Wenn es denn paßt, vielleicht auch mal ein „Grüner“. – „Die Linke“ hat in diesem Spiel eher keine Chance…:

Darin offenbart sich, daß auch der Bundesadel über ein bestimmtes Rekrutierungssystem verfügt. Das läßt nur die nach „oben“ durch, von denen erwartet werden kann, daß sie im Sinne des Adels handeln, nicht im Sinne des Volkes. Und, es klingt bitter, das Auswahlverfahren setzt sich fort bis zur Wahl der Verfassungsrichter. Deren Wahl obliegt zwar dem Parlament, bei der konkreten Richterwahl entscheidet ein kleiner Ausschuß, der auch noch auf den Proporz achten muß. Achten Sie einmal darauf: es sind in der Regel verdiente Politiker, die dort einen Job angeboten bekommen. Man bleibt eben unter sich und weiß, wer wem was zu verdanken hat. Wir sind alle nur Menschen, keiner ist besser als der andere. Daher ist es höchst unwahrscheinlich, daß der Standesdünkel mit dem Überstreifen der roten Robe abgelegt wird. Er wird bei jeder Entscheidung mit am Richtertisch sitzen und Einfluß nehmen. Nicht bewußt und nicht sichtbar, aber er ist dabei.“ (G. Altenhoff, der Bundesadel, unv. Manuskript, 2000, S. 30)

Die Ignoranz der Jurisprudenz gegenüber der eigenen Geschichte und ihrer verhängnsivollen Bindung an die „Macht“, sei sie religiöser oder politischer“ Natur, ist der Hauptgrund, weshalb Juristen mit den unschuldigen Augen eines Labradors, der gerade eine „Schwarzwälder Kirschtorte“ spurlos verschwinden ließ, den Standpunkt vertreten:

Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein“

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/nachruf-auf-hans-filbinger-ministerpraesident-marinerichter-mitlaeufer-a-475319.html

Heute „beurteilen“ und vollstrecken ebenso „unschuldige“ Juristen und Beamte das Gegenteil dieses Satzes:

Was gestern Recht war, ist heute fast todeswürdiges Unrecht:

RAUCHEN!

Wir erlebten es in jedem Wahlkampf. Wir erleben es auch im Wahlkampf 2013, der gegenwärtig die Medien mehr beschäftigt als den „Wähler“: Jede Partei hat sich auf die Fahnen geschrieben, die „Gesellschaft“ in eine den Vorstellungen der Partei entsprechende Richtung zu lenken. Die Menschen sollen sich also den Vorgaben der Partei anpassen. – Tun sie es nicht freiwillig, werden sie kraft Gesetzes eben dazu gezwungen. – Die Juristen, darauf können sich die Parteien verlassen, werden sie auf ihrem Weg zur Umgestaltung der Gesellschaft unreflektiert begleiten. – Man hat ja den „Willen des Gesetzgebers“ auf seiner Seite. Das aber ist nicht das, was Knigges Intention war, die seinem Über den Umgang mit Menschen zugrunde lag. Am Schluß seines Werks offenbart Knigge nämlich dem Leser:

Ich habe in diesem Werke nicht die Kunst lehren wollen, die Menschen zu seinen Endzwecken zu mißbrauchen, über alle nach Gefallen zu herrschen, jeden nach Belieben für unsre eigennützigen Absichten in Bewegung zu setzen. Ich verachte den Satz: daß man aus den Menschen machen könne, was man wolle, wenn man sie nur bei ihrer schwachen Seite zu fassen verstünde. Nur ein Schurke kann das und will das, weil nur ihm die Mittel, zu seinem Zwecke zu gelangen, gleichgültig sind; der ehrliche Mann kann nicht aus allen Menschen alles machen, und will das auch nicht; und der Mann von festen Grundsätzen läßt auch nicht alles aus sich machen. Aber das wünscht und kann jeder Rechtschaffene und Weise bewürken, daß wenigstens die Besseren ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß niemand ihn verachte, daß er Frieden von außen her habe, daß man ihn in Ruhe lasse, daß er Genuß aus dem Umgange mit allen Klassen von Menschen schöpfe, daß andre ihn nicht mißbrauchen oder bei der Nase herumführen. Und wenn er ausdauert, immer konsequent, edel, vorsichtig und grade handelt, so kann er sich allgemeine Achtung erzwingen, kann auch, wenn er die Menschen studiert hat und sich durch keine Schwierigkeit abschrecken läßt, fast jede gute Sache am Ende durchsetzen. Und hierzu die Mittel zu erleichtern und Vorschriften zu geben, die dahin einschlagen – das ist der Zweck dieses Buchs.”(Knigge, aaO. 309f)

Spitzenpolitiker und ihre ihnen blind folgenden Parteigänger verstoßen eindeutig gegen den von Knigge aufgestellten Grundsatz, der spätestens seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts naturwissenschaftlich untermauert ist. Ich wiederhole:

Ich verachte den Satz: daß man aus den Menschen machen könne, was man wolle, wenn man sie nur bei ihrer schwachen Seite zu fassen verstünde. Nur ein Schurke kann das und will das, weil nur ihm die Mittel, zu seinem Zwecke zu gelangen, gleichgültig sind; der ehrliche Mann kann nicht aus allen Menschen alles machen, und will das auch nicht; und der Mann von festen Grundsätzen läßt auch nicht alles aus sich machen.

Menschen bleiben Menschen mit all ihren individuellen Eigenschaften und Neigungen. – Der “Gesetzgeber” ist nicht berufen, die Menschen nach seiner Vorstellung oder einer “Ideologie” zu “gestalten”. Das kann und wird nicht funktionieren. – Knigge hat es erkannt; Knigges bahnbrechende Vermutung deckt sich mit den auf naturwissenschaftlicher Basis gewonnenen Erkenntnissen über menschliches Verhalten. – Das aber ist durch alles andere, nur nicht durch die “Vernunft” bestimmt.

Merkel, Steinbrück und ihre Jünger hingegen versuchen nach wie vor mit dem massenhaften Verteilen gelb-schwarzer Binden und weißen Stöcken den Menschen das Augenlicht soweit zu vernebeln, daß sie ihnen “blind” folgen.

So blind, daß ihnen die “Organe der vollziehenden Gewalt” mit “Verwarn- und Bußgeldern” jederzeit vor Augen führen können, daß sie dem “Willen des Gesetzgebers”, unbedingten Gehorsam schuldig und der Willkür der “vollziehenden Gewalt” ausgeliefert sind. – Und sie haben sich dabei so geschickt verhalten daß diese Auslieferung sich als ihr eigener Wille verkaufen ließ und kein Jurist gegen die “kalte” Machtübernahme der Exekutive protestierte:

Die Auslieferung des Volkes an die Willkür der “vollziehenden Gewalt” wurde in Deutschland mit dem “Orndungswidrigkeitengesetz” vollendet. – Die Gefahrenabwehr – ursprüngliche Aufgabe der Polizei – trat in den Hintergrund. Aus dem “Freund und Helfer” wurde der “Kassierer in Uniform”. – Der Satz Ernst Moritz Arndts: “Besser gar keine Polizei als zuviel davon” klingt daher wie eine düstere Vison, die er vor fast genau 200 Jahren hatte:

Unser Rechtssystem kennt zwei voneinander unabhängige Behörden…”

Diesen Eingangsatz der Serie “Law & Order” kennt jedes Kind; jedes Kind kennt auch deren Geschichten, nicht aber deren Geschichte:

Für Knigge hatte die Polizei noch kein großes Problem dargetellt. Auch nicht für den jungen Ernst Moritz Arndt, wie sich aus seinen folgenden Ausführungen ergibt. Nur wenige Jahre nach Knigges Veröffentlichung hatte Napoleon Bonaparte durch seinen Polizeiminister Fouché fast ganz Europa mit Polizei und Geheimpolizei überziehen lassen.

Wegen der Rechtsentwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts ist der von Arndt verwendete Begriff “Polizei” im erweiterten Sinne gemeint, der in der Rechtswissenschaft als “Polizei- und Ordungsrecht” seinen rechtstheoretischen Niederschlag gefunden hat: Der hier gemeinte, erweiterte Polizeibegriff umfaßt jede Verwaltungsabteilung, die dem Bürger als eine “Ordnungsbehörde” entgegentritt.

Das bonapartistische Polizei- und Spitzelsystem, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts Europa überzog, ließ Ernst Moritz Arndt den Kragen platzen. – Unbeachtet von den gegenwärtigen “Meinungsmachern” hängt seit Oktober 2008 ein Text von Ernst-Moritz Arndt im Netz, der auch 200 Jahre nach seiner Abfassung keine Aktualität eingebüßt hat, vielmehr hat er durch NSA, BND und Wikileaks an politischer Brisanz gewonnen:

Ernst Moritz Arndt und die Gedankenpolizei

Oktober 8, 2009

Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, unsichtbare “Blitzer” – Polizei, wohin man schaut. – Alles im Interesse der “inneren Sicherheit”. Der Bürger wird unter Generalverdacht gestellt, damit “der Staat” ihn vor sich selbst schützen kann. – Gerade die “polizeiliche” Überwachung der “neuen Medien” durch “neue Medien” läßt den Alptraum George Orwells fast schon Wirklichkeit werden:

Gedankenpolizei

Gedankenpolizei – wer Orwells 1984 gelesen hat, kennt diesen Begriff. Aber kaum jemand weiß, daß dieser Begriff schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Ernst Moritz Arndt verwendet worden war. Arndt, der später Alterspräsident der Frankfurter Paulskirchenversammlung war, benutzte ihn in seiner Streitschrift “Geist der Zeit / Verfassung und Preßfreiheit”. – Was Arndt darin über die Polizei an sich schreibt, zeigt den “Ungeist”, der sich in heutigen Polizeikreisen wieder einmal breit macht und den Weg zur Gedankenpolizei ebnet.

(78) Die Leute, welche in Beschreibungen, Begrenzungen und Bezeichnungen der Dinge die schärfsten sind, haben Polizei noch nie beschrieben, wohl aber hin und wieder umschreiben und bezeichnen können. Woher das? Nicht so sehr wegen ihrer Tiefe als wegen ihrer Fläche, weil es nichts Wirkliches sondern einen Mangel bezeichnet, wie es denn auch an dem Nichtigsten und Vergänglichsten dieser Erde arbeitet.

(…)

(79) Darum haben alle Menschen, die es mit der Tugend und Hoheit ihres Geschlechts wohl meinen, immer gesagt, und alle freie und hochherzige Völker haben es immer als Grundsatz ausgesprochen und behauptet: Von dem Übel, das Polizei heißt, sowenig als möglich! Denn wäre der leitende, warnende, belauschende und behütende Geist, wovon man wenigstens ein Urbild aufstellen kann, auch die Liebe und Menschlichkeit selbst, so würde er doch böse Früchte tragen. Da kann man sagen: Geschieht das am grünen Holz, was soll am dürren werden?

Gern hört die Polizei die Vergleichung, wo man sagt, sie sei eine fortgesetzte und planmäßige Erziehung des Volkes durch die Regierung, eine stille und sanfte Warnerin vor Sünden und eine geduldige Ausjäterin und Ausrotterin von Verbrechen. So meinen es gewiß redliche aber bei aller Redlichkeit kurzsichtige Männer, die bei der Polizei angestellt sind. Aber was wissen sie von Erziehung? Ja wie wenige Menschen verstehen überhaupt so Großes und Tiefes, als die Erziehung ist! Wir wollen bei dem Gleichnisse bleiben, so wird jeder begreifen, was wir meinen. Das kann man täglich von der Erziehung sehen, daß das Zuviel auch da verderblicher ist als das Zuwenig oder Garnichts. Wieviele fromme und rechtschaffene und sonst in jeder Hinsicht gescheite Eltern erziehen eben durch das Zuviel aus ihren Kindern Heuchler und Bösewichter!

(…)

(80)

Jede Lehre, die sich zu sehr eine Absicht merken läßt und auf ein bestimmtes Ziel hinsteuert, jede ängstliche Begleitung, Behütung, Belauschung und Beschleichung der Triebe und Handlungen der Kinder macht Sünder und Lügner. Durch das Gesetz ist die Sünde in die Welt kommen, sagt der Apostel. Ihr aber könnt diesen Vers nicht auslegen und werdet ihn gegen mich gewiß mißbrauchen. Wenn dies bei Kindern und Jünglingen geschieht – und man kann es alle Tage sehen – wo die nächste und süßeste Liebe der Eltern so töricht sorgt und wacht, wie sollte es bei dem Volke nicht mehr geschehen, wo auch die redlichsten Vorsorger und Wächter doch notwendig in fernerer und kälterer Liebe stehen müssen? Wenn Kinder sich freuen, selbst liebenden Eltern, die sie töricht leiten und halten wollen, zu widerstreben und sie zu täuschen, wie sollte ein Volk es nicht viel mehr tun gegen solche, von welchen es innere Herzensliebe weder erwarten noch fordern darf?

Wir hatten vor zwanzig und dreißig Jahren auch Polizei im heiligen römisch-deutschen Reiche, aber keine, die je soviel Lärm gemacht und sich auf einen so hohen Olympus der Herrschaft und auf ein so leuchtendes Zion der Wächterschaft gesetzt hat als die Polizei von heute. Sie war einzeln da und trieb ihr Werk, das keineswegs ein großes Werk ist, ohne Lärm und Prunk, war auch, wenn man die großen Hauptstädte von 100.000 bis 300.000 Einwohnern ausnimmt, wo die Zusammenströmung alles Herrlichsten und Gemeinsten, Edelsten und Bübischesten größere und strengere Hut notwendig macht, zunächst in den Händen des Volkes und der Gemeindenund sorgte so ziemlich leidlich für Luft und Licht, Wasser und Feuer, Wein und Bier und für die Sicherheit der Häuser und Straßen, welches eigentlich der Bezirk ist, den sie nie verlassen sollte. Die Herren von der Polizei waren damals kleine und unbedeutende Leute, sie sind seitdem vorgerückt und haben sich des Größten und Höchsten beflissen, und mit ihrem guten Willen werden wir sie nie wieder auf die niedrigere Fläche herunterbringen, wo sie nur mit Einzelnen, Kleinen und Gewöhnlichen zu tun hatten. Vorher waren sie Diener des Marktes und der Landstraßen, die ihr Geschäft des Aufpassens und Haschens bescheiden verrichteten; jetzt nennen sie sich stolz Diener des Throns, Stützen der Herrschaft, Beobachter und Leiter der öffentlichen Meinung, Zügler und Dämpfer des unruhigen Volksgeistes und Tag- und Nachtwächter nicht der unreinen Leiber allein sondern auch der unreinen Geister; so daß man sagen kann, ihr Umfang sei der Umfang der gesamten idealen Philosophie: die Pflegung, Verwahrung und Leitung aller menschlichen und göttlichen Kräfte, Triebe und Leidenschaften; und daß sie mit einer Gelenkigkeit und Fliegigkeit des Geistes, die sonst nie gesehen worden, von dem Gewimmel des Jahrmarktlärms zu Göttergelagen des Olympus un von dem Verhör eines armen Galgendiebs zur Gallschen Betastung und Abschätzung des Schädels eines Leibniz und Goethe überspringen können, und sie allein von allen Sterblichen.

Ich sagte oben, alle freisinnige und hochherzige Menschen und Völker hätten lange den Ausspruch getan: Von dem Übel, das Polizei heißt, so wenig als möglich! Meine Meinung aber will ich in dem größten Gegensatze aussprechen: Lieber gar nichts davon als zuviel! Denn in dem ersten Falle kann man wohl einmal faule Fische essen und vergifteten Wein trinken müssen, ein Trunkenbold oder Narr kann wohl einmal mit Faust und Stock auf einen losbrechen, ein Dieb einem die Taschen leeren, ein Räuber einem den Hals umdrehen, aber die Seele können diese alle einem nicht verderben; in dem zweiten Falle aber versammeln sich alle schadenfrohen Neuntöter der Seele miteinander, alle listigen und schmeichlischen und meuchlischen Kriegsteufelchen und Schleichteufelchen der Hölle finden sich ungeladen ein und können nicht leicht von der Versammlung abgehalten werden. Wie geht das zu? Ist etwa die Polizei mit einem besonderen Aussatze behaftet, die allen anderen menschlichen Einrichtungen fehlt? Entwickelt sich etwa in ihr eine Bosheit oder Gewalt, die nicht auch in anderen wäre? Ich will das aussprechen, was sie durch die allgemeine Gebrechlichkeit entschuldigt.

Es ist aller Menschen ohne Unterschied und Ausnahme Art und Unart, daß sie an sich reißen und herrschen wollen. Wer von dieser Art und Unart gar nichts hätte, müßte hier auf der Erde stracks vergehen. Sie ist nicht so barmherzig, daß auf ihr etwas leben könnte, was ohne allen eigensüchtigen und sichselbstverteidigenden Trieb wäre. Der Gehorsam ist verloren, das ist die Klage des frommsten Priestern; der Gehorsam ist verloren, das ist die Losung jedes Polizeimeisters. Und ein gerechtes Geschrei, wenn es gerecht gemeint ist. Jener kindliche Gehorsam der höchsten Freiheit und Unschuld, der nicht sündigen konnte, ist seit Adam dahin, und weil er dahin ist, müssen wir unruhige und frevelnde Menschen, Richter, Vorrichter, Nachrichter, Unterrichter, Überrichter, Einrichter, Ausrichter, Aufrichter und; Gott weiß, was mehr für Richter und Päpste und Erzbischöfe, Polizeiminister und Finanzminister, Priester und Professoren und viele andere notwendige Übel erdulden. Und auch kein König und Fürst kann es übel nehmen, wenn ich sage, daß er ein notwendiges Übel ist, daß ohne Adams Apfelbiß nicht in der Welt sein würde. Weil nur der Ungehorsam Wächter, Beherrscher, Bändiger und Bestrafer fordert, darum sind die vielen Arten und Diener der höchsten Majestät des Gesetzes und des Throns. Aber damit auch sie – denn auch in ihnen steckt Adams Sünde – sie, die eben den verlornen Gehorsam wiederherstellen sollen, nicht von selbst auch wieder ungehorsam werden und über die Grenzen ihrer Befugnis und Gewalt hinausdringen, darum hat man einem jeglichen eine Schranke zu setzen und einen bestimmten Bezirk des Amtes abzumarken gesucht. Nur die höchsten Gewalten sind in gewissem Sinne unbeschränkt. Diese sind auf der Erde der König, der Priester, der Gelehrte, der Hausvater und endlich die fünften die Polizeidiener und Polizeiherren. Der König muß frei und unbeschränkt gedacht werden, weil er den immer eingeschränkten Bürgerstaat durch das Gesetz und durch freies, kühnes und edles Walten täglich erlösen und befreien soll; der Priester, weil er von dem freiesten, himmlischen Reiche des Gehorsams und der Seligkeit predigt. Der Gelehrte, weil er mit dem Adler und der Lerche immer in der sonnigen Höhe der Ideen leben und schweben soll, wo selbst die weitestschießende, irdische Kanone ihn nicht mehr erreichen mag; der Hausvater, weil er in seinem Hause noch unbeschränkter herrscht als selbst der König in seinem Reiche, nämlich allein durch das ungeschriebene Gesetz des Herzens; und der Polizeidiener endlich, weil es sehr schwer ist, seinen Bezirk genau abzugrenzen. Das ist die Wurzel des Übels, da steckt die Krankheit, worüber wir jammern: weil er nach sovielem tasten und spähen und in allem mitrühren und mitkramen darf, so kommt der Polizeidiener und Polizeiherr sich so leicht gleich einem unbeschränkten Könige vor und gebietet und verordnet so gern im Namen der Majestät und verläuft sich also leicht in Gebiete anderer Behörden und wird in Gesinnung und Ausübung ein Tyrann. Dies Unbeschreibliche und Unbegrenzliche der Polizei und ihres Gebietes – dies fürchten die Menschen, die sich auf Freiheit verstehen, hierin sehen sie die Willkür und das Verderben. Ich spiele einmal mit Gleichnissen; ich kann noch viel deutlicher zeigen, wie dies nicht aus angeborener Bosheit der Polizei sondern aus angeborener Unart der menschlichen Natur entspringt. Darum, weil diese Herrschsucht, diese Anlage zur Tyrannei, eine Folge des Sündenfalls, uns allen angeboren ist, haben die Menschen in freien Staaten die Grenzen aller Ämter und Dienste der Gewalt genau bestimmt, und in unfreien Staaten – man kann sagen, je unfreier desto loser – haben sie sie nur so ungefähr beschrieben und umgrenzt, und statt nach festen Gesetzen wird da nach ungefähren Anweisungen und Maßgebungen regiert. Der Mensch, welcher so nach dem Unbestimmten und Ungefähren lebt und regiert, dem keine feste Grenze vorgestellt ist, wobei auch Furcht und Ehrfurcht und für den Verbrecher Schrecken als strenge Wächter und Warner mit gezücktem Schwerte stehen, bildet ihm selbst bald eine Macht ein, die er nicht hat, und nebelt und schwebelt und taumelt und baumelt in aller Willkür und, wenn er herben und bösen Gemüts ist, endlich in aller Tyrannei hin und her. Ich spreche von Selbsteinbildungen und Täuschungen der Herrschaft. Ich will dies gleich in einer lieben Ironie zeigen, worunter unser aller gemeinsame Art versteckt liegt. Der Ratsdiener in den Städten, der an vielen Orten auch Herrendiener heißt, trägt er in seiner Einbildung, eben weil er in den vielfältigsten Beziehungen und Geschäften zu der Welt und dann zu den verschiedenen Behörden der Obrigkeit hin und her läuft, nicht den stolzen Keim aller ihrer Geschäfte, Ansprüche und Verdienste in sich und spricht immer aus Wir? Und der Universitätspedell, vollends wenn er einige lateinische Wörter auswendig weiß, stellt er nicht alle Fakultäten mit scherzhafter Wichtigkeit in sich dar? Und der Küster, dünkt er sich fast nicht mehr als sein Pastor, weil er eben mehreres zu beschaffen hat, womit jener nichts zu tun hat? Woher diese Erscheinung? Aus dem unbestimmten Dienst, aus dem Dünkel, daß ein solcher armer, untergeordneter Diener, weil er sich zu gleicher Zeit in vielem hin und her treibt, oder vielmehr hin und her getrieben wird, glaubt das auch selbst ausgerichtet und gemacht zu haben, weswegen er auf den Beinen ist. Und die Polizei? Wie soll ein Polizeidiener sich retten, auch wenn er nur in dem Vielerlei und Wirrwarr des Jahrmarkts und der Gassen und Landstraßen umgetrieben wird, wie soll der Arme sich vor dem Gedanken retten, daß er mit dem Innersten der Weltregierung sei, ein täglicher und emsiger Nachbesserer und Nachschöpfer des etwas unvollkommen und stümperhaft geratenen Werke Gottes? Wie soll er, da sein Gebiet allenthalben in alle möglichen fremden Gebiete Ausgänge hat, in dem Übermute und der Willkür der Einbildung nicht gerade immer in das höchste Gebiet hinaus wollen? Ja sich schon in der Mitte derselben zu stehen wähnen, wenn er sich gerade auf der plattesten Fläche des niedrigsten umtreibt? – Ernstlich ge(85)sprochen und weit hinaus aus diesem bitteren Scherz – hier ist nicht die Polizei allein, hier sind wir alle. So herrlich sind wenige Sterbliche begabt, daß sie zugleich das Einzelne und das Ganze, das Gemeine und das Ungemeine immer in einem Leben beisammen haben können, daß der Geist zugleich das Niedrigste und das Höchste mit gleicher sonniger Heiterkeit verwalten könne.

Also das steht fest, herrschen will ein jeder von uns; wer in unbestimmten Schranken des Lebens und des Amtes steht, idealisiert sich gern zu dem Höchsten hinaus und hinauf. Was ist also natürlicher, als daß die Polizei von jeher aus einer Markthüterin und Diebesbelauscherin eine Gedankenhüterin und Geistesbelauscherin hat werden wollen? Wie jedes Ding kraft des innewohnenden Naturgesetzes aus seinen Anfängen immer nach seinem höchsten Ziele streben muß, so ist der Polizei höchstes Ziel immer, von dem leiblichen Haschen zu dem geistigen, von der Diebeslauscherei der Landstraßen und Schenken und H…häuser zu der Diebeslauscherei der Köpfe und Herzen, kurz zu den diebischen Gedanken der Menschen vorzurücken. Das hießt mit dürren Worten: Jede Polizei, die in ihrem eigentlichen, untergeordneten Berufe mit den niedrigen Bedürfnissen und Gebrechen und Verbrechen der Menschen zu tun und diese zu beobachten und mit einer Art geheimer Wache zu umgeben hat, will ihrer Natur oder vielmehr der herrschsüchtigen Menschennatur nach eine hohe und geheime, d.h. eine Gedankenpolizei werden. Sie fängt für den Leib und mit dem Leibe an, und ihr höchstes Ziel in dem Bezirk bleibt immer, einen verschmitzten Gauner zu dem zu bringen, was im Lübschen Recht das Freie, Höchste heißt; sie muß notwendig mit dem Geist und den Geistern endigen wollen, muß aber da unvermeidlich die Spuren ihres ersten Wesens wieder offenbaren, wo eben ein solches Freies, Höchstes idealisch im Hintergrunde schwebt: ein Stäußen, Hängen und Köpfen der Gedanken.

Solche hohe und geheime Polizei, solche Gedankenklapperjagd und Geistesplackerei war bei und Deutschen vor fünfzehn Jahren noch etwas Unerhörtes; bloß eine Hauptstadt im Vaterlande ward damals beschuldigt, verkappte Fliegen- und Mücken(86)fänger der Gedanken zu besolden. Wir verdanken diese vortreffliche Anstalt wie so manches andere Unsaubere den Welschen. Man meinte sich gegen ihre Tücke und Schliche besser wehren zu können, wenn man ihre Waffen gegen sie selbst kehrte. So ward das unlöbliche und Undeutsche ihnen nachgemacht. Man übte sich in der Giftmischerei, jedoch mit dem guten Vorsatze und dem geistlichen Vorbehalt des Gewissens, sowohl das Rezept als auch die Töpfe und Tiegel zu vernichten, wann die welsche Gefahr vorüber sei, und dann wieder in einem reinen und deutschen Leben zu wandeln. Alle Regierungen verkünden uns öffentlich, die Späherei und Lauscherei, die Briefbrecherei, die Angeberei, die ganze weitgreifende und weitschleichende Sünde sei nun abgeschafft. Wir müssen den Wort ja wohl glauben; aber das müssen wir gegen diese Ankündigungen erinnern, daß in vielen deutschen Landen alle freie und unschuldige Bewegung de Menschen, wie sie weiland bestand, noch immer gehemmt ist, daß alle Menschen unter dem Titel öffentliche Sicherheit wie die Schelme und Spitzbuben betrachtet und behandelt werden, kurz daß die meisten der gehässigen Weisen und Arten, wie wir sie von den Welschen bekamen, und die vielschreibenden und vielgeschäftigen Polizeikammern und Polizeibuden nach wie vor bestehen, daß auch manche Polizeidiener die Art und die Gesinnung, worin sie einmal geübt waren, schwerlich so bald ableben werden, wenn auch von oben herab ausgesprochen wird, es soll bloß die kleine und unschuldige Polizei sein, welche für den Magen und die Kehle am tätigsten ist. –Ich glaube nicht, daß wir ein schlechteres Volk geworden sind, als wir vor zwanzig Jahren waren; ich möchte sogar sagen, wir sind besser als damals. O goldne Zeit, wann kommst du wieder? Es sind nun zwanzig Jahre, als ich zu Fuße und zu Wagen von Stralsund bis Triest ganz Deutschland durchreiste, und nirgends hat man mich nach meinem Paß gefragt als in Wien. Wie frei, wie ungezwungen, wie ungestört und ungeplagt, lebte, ging, stand und schlief man damals! Und es waren wohl nicht mehr Diebe und Mörder damals als jetzt, vielleicht ein paar hundert unbedeutende Gauner und Tagediebe mehr als jetzt liefen und streunten etwas länger ungestraft durch (87) die Welt herum; aber das große und hohe Freie und Edle war wirklich frei und edel und ward dafür gehalten, bis die Richter den Beweis führten, es sei es nicht. Welcher Biedermann ergrimmt nicht in seiner Seele, wenn er denken muß – was er ja oft mit Augen sehen muß – daß die Majestät des Glaubens in erbrochenen Briefen verletzt ist, wenn er sich hinstellen muß vor den Polizeiherren und sich angaffen und zeichnen lassen, wie man Spitzbuben angafft und zeichnet? Und dann außer diesem tiefen Seelenschmerz, der nicht bloß um die Schändung des eigenen göttlichen Ebenbildes trauert, noch die vielen Kränkungen und Hudeleien der Armen und Unwissenden. Wahrlich solches, immer fortgesetzt und an den meisten Orten mit dem festen Ausbau von List und Verschmitztheit nochvermehrt und zu einem Gefangnenbau der Geister zusammengeschnürt, muß das treueste Volk in ein untreues, das redlichste in ein lügenhaftes, das einfältigste in ein verschmitztes Volk verwandeln, und Himmel und Erde kann man gegen eine solche Schmach anrufen, die ebenso undeutsch als unchristlich ist.

Ich weiß, was die Leute sagen, die nicht nur die Leiber sondern auch die Geister peinigen können, die alles Stolze und Hohe, was sich in der Zeit bewegt, als tollen Aberwitz und jakobinische Verruchtheit verschreien. Ihr Geschrei von dem Ungehorsam und der Bosheit des Volkes und seiner sogenannten Führer und Verführer ist eitel und leer; höchstens können sie hie und da über Narrheiten schreien, aber Narrheiten sind keine Verschwörungen. Da ist wenigstens die Wut und Gefahr nicht, wo sie sie sehen und zeigen. Sie liegt anderswo; sie liegt am meisten in ihnen und der unseligen Hetzerei und Grollerei und Durchstecherei, die sie veranlassen und schaffen; sie liegt in der Dummheit, die nicht in das Licht sehen will, in der Feigheit, die sich vor Ruhm und Ehre fürchtet, in der Faulheit, die ihr Daunenbett wieder polstern möchte, in dem Eigennutz und Übermut, der zum alten, verlebten Besitz zurück will, in dem Haß, der fremde Dienstbarkeit fast lieber möchte als eigne Freiheit, in der Lüge, die gern über die Zeit hinhüpfen und verkleidet wiederkommen und sie verleugnen und sagen möchte: Liebe Freundin, Sie irren sich wohl in der (88) Person, ich habe Sie nie gesehen; sie aber liegt am meisten in den schleichenden, kriechenden, schlangenzüngelnden und fuchsschwänzelnden Künsten, womit elende Menschen, welche meinen, das Leben lasse sich zur allgemeinen Belustigung wie ein Affe in einen Kasten sperren und herumführen, die Hohen und Herrscher bestricken möchten, daß sie uns alle wieder lahm, matt und geistlos hinlegen möchten für jenen faulen Todesschlaf, worin wir vor dreißig und zwanzig Jahren lagen, für jene traurige Vergessenheit und Gleichgültigkeit gegen das Vaterland, die uns damals besaß.

Das ist das größte Übel, das ist jetzt unser zweiter, unser deutscher Napoleon, das ist der schleichende, lispelnde und flüsternde Widersacher und Verderber, der Hasser des Lichts und der Freiheit von Anfang; man kann seine verbotenen Schlangenkünste, womit er eine edle und frei Menschenjagd Deutschlands, wo alle Geister jauchzen und klingen möchten, in eine gemeine Tierhetze verwandeln will, nicht genug aufdecken. Und wenn wir diesen grinsenden und ingrimmigen und in seinen Künsten überall unser Glück und unser bestes Streben satanisch hohnlächelnden Teufel Napoleon oder Davoust den Zweiten walten lassen, so wird seine schreckliche Weissagung Wahrheit: die Umwälzungen, worüber er jetzt den unzeitigen Feuerlärm erhebt, werden kommen und die Katze der äsopischen Fabel wird mit blutigen Zähnen ihre leichtgläubigen Nachbarn verschlingen. Fahrt nur so fort, braucht nur alle Künste finsterer Angaben und frecher Verleumdungen, reizt durch Haß und Neid und Verdacht nur alle Geister zum höllischen Kampf miteinander, reißt nur eine immer tiefere Kluft zwischen den Herrschern und den Beherrschten, predigt Liebe, Treue und Glauben nur recht fleißig, als die da gewesen sind, flüstert den Fürsten und Königen nur ein, daß Gedankenfreiheit und Preßfreiheit Religion und Thron untergraben, daß die hohe Polizei und Inquisition und Jesuiten und – Hofpriester und Hofpolizeimeister allein das wankende Europa retten können – fahrt nur so fort mit allen Künsten und Listen und Scheinen und Lügen zu blenden und zu behexen, und der blutige Zirkel wird fertig werden, worin eure Dummheit und Bosheit – denn ihr seid beide dumm und bös – sich im äffischen und äffenden Wahnsinn rund treibt. Keiner wird endlich den Ursprung des Unheils mehr wissen, so wenig als er dann einen Damm wissen wird gegen die fürchterliche Überschwemmung, die hereinbrechen wird. Drückt, plagt, neckt, preßt und hetzt nur immer so fort, als ihr im Anlauf seid, veerleumdet nur alles, auch was die gehorsamsten und frommsten deutschen Herzen deutsch und frei wollen, als Unsinn und Verbrechen, ihr werdet recht behalten, ihr werdet eure Umwälzungen und Umkehrungen mit Gottes Hilfe ja noch erleben, ihr Unglückskrähen, die da Gewitterregen krächzen, wann die Wolken hell sind.

Frei ist die Rede der Wahrheit und des Rechts, und frei muß sie sein in dieser kranken und überspannten und doch so edlen – nach drei schläfrigen Jahrhunderten edelsten – deutschen Zeit. Ich will sie nicht nennen, die immer von Bündnissen und Verschwörungen sprechen – ihre Namen sind bekannt genug. – Aber machen sie nicht einen Bund und eine Verschwörung, reicht ihre zusammenverklettete und verklitterte Pest nicht durch viele Lande und Herrschaften des Vaterlandes? Das Gute und Wahre hat nie die Wut von Geheimnissen und Verschwörungen gehabt, sein Leben ist das Licht, worin alle leben und gedeihen, und dieses Licht soll es nicht scheuen. Aber sollten die Finsterlinge und Ankläger und Beseufzer der Zeit siegen und uns Rede und Schrift überwältigen, sollten die Schergen der Dummheit und Faulheit deutsche Menschen zu stummen und hündischen Knechten machen, was Napoleon wollte und nicht konnte und deswegen als ein gebundener Sünder in St. Helena sitzt, dann hätten Gott und Schicksal in den letzten Jahren ein furchtbar ironisches Spiel mit uns gespielt, eine Tragikomödie, wie sie die Geschichte nicht kennt.

Dieses finstere und feige Treiben, diese Handlangerei der Hölle, deren Wesen in Lügenkünsten und Haß und Argwohn besteht, sprechen von Gehorsam und Liebe, und sie reißen Gehorsam und Liebe aus allen Herzen mit den Wurzeln aus und machen das Volk feig, schleichend, lügnerisch, mißtrauisch, grollisch, listig und verschlagen, kurz, sie säen alle die Laster (90) aus, an deren Brüsten das Untier an der Sein groß gesäugt war, das uns nun bald dreißig Jahre erschreckt hat. Denn wenn das Wort und der Gedanke, die göttliche Freiheit des Menschen und des Christen, sich schämen oder in Knechtsgestalt auftreten und sich eben mit dem bißchen Lumpen verhüllen sollen, was eine engherzige und kurzsichtige Polizei ihnen gönnt, wenn alle Menschen, auch die friedlichsten und unbescholtensten, von jeder Polizei gleich gebornen Schelmen und Gaunern – geborne Sünder sind sie freilich, aber nicht vor dem gestrengen Herrn Polizeimeister sondern vor dem barmherzigen Gott – von Amts wegen betrachtet werden dürfen, dann ist es mit unserm Glücke aus, und auch Deutschland werden sie allmählich zu den Greueln und Lastern auferziehen, wogegen sie so hellstimmig schreien, sie werden die Umwälzungen und Verbrechen aus ihm herauspressen, die in unserer Geschichte sonst unerhört waren. Wenn die Liebe zerstört ist, wenn die Regierungen und ihre Diener nicht mehr an Liebe und Ehre glauben, so wird bald der Haß dreinschlagen, und alle finstere Geburten der Hölle werden Gutes und Böses in einer verderblichen Mischung fassen und zerschmettern.

So ist das Übel diese Zuviels in der Aufsicht und Leitung und sogenannten wohlgemeinten Erziehung des Volks, die, über sich und über ihre Verhältnisse zur Welt geblendet, von der Regierung über Leiber zur Regierung über Geister fortschreitet, so ist das böse Übel dieser Verworrenheit, daß sie durch den ungebührlichen Krieg und Kampf, den sie auf einem Gebiete anfängt, das ihr ewig fremd bleiben sollte, weil ihre Beschränktheit auch bei dem besten Willen auf demselben nie heimisch werden kann, immer neue Kräfte und Kämpfer gegen sich hervorlockt und also auch ihr Heer mehren muß, damit sie dem selbstgeschaffenen Feinde gewachsen sei. Daher ist es notwendig, daß eine jede Polizei je geschäftiger sie ist, desto mehr Geschäfte bekommen muß; denn sie schafft sie selbst. Darum von Jahr zu Jahr die Ausbreitung ihres Umfangs und die Vermehrung ihrer stehenden Truppen. Wir haben ja das glänzendste Beispiel davon noch jüngst unter Napoleon gesehen, der die ungeheure Polizei, wie alle Tyrannen tun müssen, vorzüglich für die eigene Sicherheit als seine Leibwächter besoldete. Wenn sie es bis zu der Höhe gebracht hat, daß jeder zehnte Mensch des Volkes auf irgend eine Weise einer der Späher, Aufpasser, Herumträger und Helfer für sie ist, dann mag der Herrscher an Gemüt und Verstand ein Gott vom Himmel sein, das Volk, das mit Argwohn und Mißtrauen überfüllt wird, hat auf immer die Liebe verloren und mit ihr jede Tugend, und wir sind dann vergangen, wir sind dann verwelscht und auch ohne Welsche durch Künste, welche die Unsrigen von ihnen lernten, und kein Gott kann uns die alte Unschuld und Treue wiedergeben.

Und ist dies finstere Bild bloß ein Spiegel dessen, was werden kann, wenn alle Bessere nicht mit Mut und Geist und Wort das Rechte tun? Ist es bloß ein warnender Spiegel möglicher Zukunft? Nein, leider fängt es schon an eein Spiegel der Gegenwart zu werden. Geh’ nur umher im Vaterlande, treuer unsd wohlmeindender deutscher Mensch, geh’ nur umher, besuche die Schenken und Plätze, wo der Bürger und Bauer sich versammelt und seine Freude und sein Leid erzählt, geh’ umher und schaue und horche, wie es am Tage ist. O wie ganz anders als sonst! Kein so unschuldiges Vertrauen, keine solche Liebe mehr, beio vielen sogar Hoffnungslosigkeit, auch da eine grundlose, wo die Regierung es treu und redlich meinen; denn die Polizeien legen es ihnen ja alles zum Bösen und Verderblichen aus, und endlich empfangen die Menschen selbst das nur als eine Gabe der Furcht und der Not, was sie sonst als ein freies Geschenk der Liebe und Gnade empfangen haben würden. – Geh’ zu den sogenannten Gebildeten, da ist Mißtrauen und Scheu leider nur zu allgemein und zu gerecht, und wenige wissen noch, wessen sie sich zu den andern versehn sollen, und die Redlichsten und Freiesten werden oft für verkleidete Diener und Mückenfänger einer geheimen und unsichtbar schleichenden und schnobernden Macht gehalten und als solche verdacht und verleumdet. Wer kannte das sonst in Deutschland? Diese greuliche Pest aller Wahrheit und Sittlichkeit, diesen schändlichen Glauben an Lüge, Verrräterei, Durchstecherei und heimlicher Herumträgerei und Angeberei? Haben das bloß die Welschen zu uns gebracht? Ist das bloß aus Fouchés und Savarys und Napoleons Schule? O weh, daß ich hier immer Fragezeichen machen muß! So weit sind wir, und wohin könnten wir nicht kommen, wenn das Unheil noch zwanzig, dreißig Jahre so dauerte, und Polizeigesetze, die sonst nur als Gewohnheiten geübt wurden, endlich in Folianten gesammelt und studiert werden müßten. Es ist dies das größte Unglück des gegenwärtigen Deutschlands, und keiner soll es gelinder zeigen, als es ist. Die hierin das Heil der Staaten und die Sicherheit der Fürsten sehen, die diese Anstalt immer mehr zu etwas Bleibendem und Vollkommenem ausbilden möchten und von Erweiterung und Ausbildung der Polizei sprechen, die sind schlimmer als jene, welche sie für Jakobiner ausschreien, selbst wenn sie Jakobiner wären. Die Armen wissen meistens nicht, was sie tun, und wie sie vom bösen Feinde geblendet sind. Sie handeln mehr aus feiger Furcht vor dem Zeitalter, dessen Richtung sie nicht fassen können, als sie aus Absicht des Bösen oder Freude am Bösen. Die meisten sind verworren, indem sie verwirren; denn der polizeiliche, schleichende, lauschende, anklagende, lügende, aufhetzende und verwirrende Geist ist ja nimmer ein deutscher Geist gewesen.

Ich muß hier in ruhiger Übersicht dessen, was der gerechte Zorn stürmisch ausgesprudelt hat, zum Schluß einige Worte anführen, die ein einem anderen Buche von mir geschrieben stehen. Sie lauten also: “Es ließe sich ein Buch schreiben, wie eine Regierung es anfangen müsse, um ein Volk zu verbotenen Ränken, heimlichen Stempelungen und Zettelungen und heillosen Umwälzungen zu erziehen.” Ein solches Buch würde ein rechter Fürstenspiegel sein, der die Gefahren des Throns das zeigte, wo sie wirklich sind. Nicht das Offene, das Freie, da Hochherzige und Ungestüme in Worten und Taten ist das Gefährliche, sondern das Verdeckte, das Sklavische, das Listige, das Geschmeidige und Kriechende. Ich will dem Manne, der Zeit hat, die Quellen zeigen, aus welchen er schöpfen kann, um dieses lehrreiche und verdienstliche Buch, das etwa in vier tüchtigen Bänden zu vollenden wäre, zu verfassen. In der römischen Geschichte, die Geschichtsschreiber von Augustus bis Romulus Augustulus, in der byzantinischen Geschichte von Konstantin dem Großen bis Konstantin dem Letzten, in der Geschichte von Venedig und hie und da von Florenz und Genua und dann in der Pariser Verwaltungsgeschichte vom Ludwig XIV. (vielleicht schon von Ludwig XI. an) bis Napoleon wird er den reichsten Stoff zu verarbeiten finden. Er wird in diesem Stoffe die Mittel finden, die man gebrauchen muß, um ein ganzes Volk listig, verschlagen, argwöhnisch, unruhig, neuerungslustig und meuterisch zu machen. Nur recht viele Auflaurer und Angeber und Polizeimücken und Spionenschmeißfliegen, nur recht fleißig hinter den Türen und Tapeten, ja hinter den Briefsiegeln gestobert und geschnobert – und auch das ruhigste und stillste Volk wird schon die Kniffe lernen, wodurch man sich gegen eine solche Pest decken kann; aber es wird auch die unselige Fähigkeit und Empfänglichkeit erlangen, dem Schleichhandel, den die Regierung unbefugt und heillos durch seine Gefühle und Gedanken hintreibt, mit einem ebenso heillosen Schleichhandel zu begegnen. Wann Liebe und Vertrauen verschwunden sind, dann mag nichts auf Erden bestehen, und selbst der Beste und Gerechteste mag sich dann nicht mehr sicher halten. Das könnte man als eine gewaltige Unterweisung und Vorbereitung der Franzosen zu ihrer jammervollen und fürchterlichen Umwälzung aktenmäßig und geschichtlich erweisen, wieviel die Polizeiminister von Argenson (Polizeiminister unter Ludwig XIV.) an den Robbespierren und Dantonen vorgearbeitet haben, und wie die gepriesene geheime Polizei, die alles wußte, die Schule jener Klubs und Höhlen geworden ist, deren blutige Hinterlist und in düsterer Finsternis gesponnene Ränke uns ehrliche Deutsche nacheinander erstaunt und erschreckt haben. Diese Einsichten, diese Aufklärung, diese Bildung der Gesellschaft – diese schaffen die Prätendenten und Aspiranten, vor deren heilloser Leichtigkeit und Bereitwilligkeit zu allem Wilden und Bösen das Buch (vom Wiener Kongreß und von Herrn de Pradt) warnt, das uns zu diesen Betrachtungen veranlaßt. Man erzählt uns, daß, wer einmal Schleichhandel und Falschmünzerei getrieben hat, sich des Reizes zum Betruge nicht gern entwöhne, daß aber viel schwerer zu Stille und Einfalt zurückzukehren sei, wer einmal die süße Speise des geistigen Schleichhandels gekostet hat. Der Trieb der Ränke, Durchstechereien und heimlicher Zettelungen soll dem unwiderstehlich sein, der einmal von dem bösen Baum der unseligen Erkenntnis gegessen hat. Es wird gegen die Theoristen und Idealisten viel geschrien, aber die schlimmsten aller Theoristen und Idealisten sind diejenigen, welche die Polizei schafft. Darum haben auch alle Völker, die innen ruhig und außen frei sein wollen, die geheimen Polizeien als die Pest des Staates und der Gesellschaft gehaßt und sich lieber einige Unbequemlichkeiten, Beschädigungen und Unsicherheiten gefallen lassen, als daß sie dies gefährlichen Maschinen, die wahren Höllenmaschinen der Freiheit, bei sich hätten aufstellen lassen.

Viele treffliche Geschichtsschreiber und Staatslehrer haben den Despotismus so bezeichnet, daß er die Regierungsweise sei, wo in keiner Verfassung und in keinen Ständen und Klassen zwischen dem Herrscher uns seinem gerinsten Untertan etwas in der Mitte stehe, da in solchem politischen Zustande ja auch die höchsten Würdenträger nur Staub seien, den die Willkür einen Augenblick mit Glanz verziere und dann wieder in alle Winde blase; sie haben bemerkt, es sei in solchen Staaten eine unaufhörliche Erschütterung und Umwälzung, wo die verschiedenen Kräfte, ( nämlich die sklavische Volksmasse und der unumschränkte Herrscher ) eben wie vom Zufall geworfene Kugeln, bald oben und bald unten liegen; daher sei das Leben des Herrschers in einem solchen Staate nicht sicherer als das Leben des Bettlers, alles sei zufällig, plötzlich, ungeheuer, nichts ruhig, gleichmäßig, gerecht, und Strang und Schwert, welche die Willkür, wie sie wolle, um jeden Nacken schlingen und in jede Brust stoßen könne, fahren mit eben der fürchterlichen Gerechtigkeit des blinden Zufalls im unsteten Wechsel auf sie selbst zurück. Dies ist jener Zustand, wo die Macht dem Untertan zu nah steht, wo die Netze immer ausgespannt sind, worin alle Welt sich gefangen fühlt, wo die Umwälzungen nicht aufhören, weil die schlauen und furchtsamen Gedanken der unglücklichen Menschen immer auch wider Wissen und Willen Umwälzungen spinnen und weben; denn in den Brüsten, welche Argwohn und Trug besessen haben, wird alles zu höllischen Gespinsten ausgesponnen.

Darum und dieser großen Lehre und Warnung der Geschichte gehorchend, welche die einzige Lehrerin und Meisterin der Fürsten und Fürstenräte ist, müssen die guten und treuen Regierungen vor allen Dingen zuerst darauf sinnen, wie sie die Staatsmaschine, die bei sehr entwickelten Zuständen der menschlichen und politischen Gesellschaft immer das natürliche Streben hat, zu künstlich werden zu wollen, so sehr als möglich vereinfachen. Besonders aber wäre das ein Kunstgriff verständiger Regierungen, alles wegzuschaffen, wodurch sie dem Volke zu nah kommen und bei demselben Verdacht und Mißtrauen erregen; unter welchem das zuviele Polizeien, was man mit einem gewöhnlichen Volksausdruck ein zu vieles Regieren nennen könnte, billig obenan steht. Zu diesem Kunstgriffe würde auch das gehören, die Zweige der kleinen Gerichtspflege, der kleinen Polizei, der kleinen Verwaltung dem Volke selbst mehr zu übergeben und sie mehr von dem Volke ausgehen zu lassen. Gerade in diesem vielen Kleinen geschehen die meisten Mißgriffe und die gewöhnlichsten Überschreitungen und Verletzungen; und daher häufiges Mißvergnügen und Klagen über die Regierung. Wenn aber der Herrscher dies, woran so weniges von der Majestät hängst, dem Volke selbst in die Hände gäbe, so hätte es sich, wenn nicht alles geschehe, was oft gar nicht geschehen kann, nur an ihm selbst zu halten und viele Beschwerden und gehässige Beschuldigungen, die aus den vielen kleinen und oft unvermeidlichen Unvollkommenheiten und Neckereien und Plackereien des Lebens erwachsen, hätte die Regierung von sich dadurch abgewälzt; die Diener dieser Geschäfte, Bedürfnisse und Zucht- und Strafmittel erschienen dann nicht mehr als unmittelbare Diener der höchsten Gewalt, und “diese höchste Gewalt würde also von der kleinen Volksnot und den kleinen Volksbedürfnissen und Volksplagen in jener wohltätigen Entfernung gehalten, deren es bedarf, damit der Thron nichts von seiner himmlischen Majestät verliere.”

Nun noch ein paar Worte Nachrede dieser leidvollesten und zornvollesten Gegenstände.

Sie sagen und klagen, diese bestellsamen und dienstfertigen Herren, die auch den Geistern gebieten wollen, man müßte die tolle Zeit und die tollen, überspannten und verrückten Menschen derselben hemmen und herumholen, wie man scheuen und wilden Rossen tut; sonst werden sie durchgehen und Kaiser und Könige und alle Thronen, Ehren und Herrlichkeiten zertrümmern. Darum müsse die Polizei die sorgsame und wohltätige Warnerin, Hüterin und Hemmerin der Geister sein. Sie weissagen mit einer Art Zuversicht, wenn man sie auf ihre Weise noch zehn Jahre so gewähren lasse, werde das wilde Feuer, welches allein durch die französische Umwälzung und die Grundsätze derselben genährt worden, meistens verdampft sein, und die Großsprecher, die jetzt von Freiheit, Selbstständigkeit, Verfassung, Preßfreiheit Deutschheit, Welschtum und Christentum und Heidentum und anderen Tumen so gewaltig tönen, werden dann ausgeklungen haben, und alles werde wieder sein wie in jener glückseligen, stillen und gehorsamen Zeit von 1760 und 1780, welche sie als eine paradiesische Zeit voll Frieden und Freuden dieser Zeit, worin wir leben, immer gegenüberstellen.

Gesetzt, was wir ja einmal annehmen können, jene Zeit fünfzig und dreißig Jahre hinter uns sei in Vergleichung mit der gegenwärtigen auch eine edle, hochmenschliche und hochdeutsche Zeit gewesen, so könnten diese armseligen Menschen mit allen ihren schleichenden Künsten ja wohl an den Zeichen, die sie sehen und die sie auch in diesem Buche wieder sehen müssen, lernen, daß die mächtigen Geister, wogegen sie in die Schranken treten, ihnen unsichtbar und also unverwundlich sind, daß sie überhaupt nach einem Gefühle, das sich jedem Gesunden und Unbefangenen von selbst aufdringen muß, durch die gewaltigen Kräfte nicht zu hemmen, geschweige zu unterdrücken und zu ersticken sind. Sie werden auch die mächtigsten Männer zerschmettern, die gegen sie treten, als wenn sie den Strom der Weltgeschichte hemmen wollten. Warum schaut ihr nicht fester nach St. Helena, nach der Felsklippe im weiten, öden Weltmeer? Seht Euch doch um nach eurem Vorbilde. Was jener eiserne Riese und Titane töricht und stolz einst wollte, wordurchr Nebukadnezar vor Jahrtausenden zum Tier ward und wie ein Ochs Gras fressen mußte, jenen Stolz und Übermut wollt ihr? Und wir sollen wieder das Tier anbeten, daß bloß Klauen und Eingeweise aber keine Seele hat? Und doch seid ihr weder Nebukadnezare noch Napoleone. Wahrlich jener letzte hätte selbst als Tyrann die Welt beherrschen können, wenn ihm das Geheimnis dieses Zeitalters irgend klar geworden wäre; er sitzt auf der Felseninsel, weil er die Welt mit fremden Künsten leiten und beherrschen wollte, welche diese Zeit verabscheut.

Da ihr euch auf Klugheit und List und Kunst soviel einbildet, so solltet ihr schon aus Klugheit anders handeln als ihr tut; ihr solltet die frischen Geister, die ihr übermütige und verbrecherische Geister scheltet, durch den Wind, womit ihr ihnen das Licht des Lebens auszublasen meint, nicht noch zu lichteren und heißeren Flammen anblasen. Denn das sage ich euch, ihr mögt die Zeit für einen Teufel oder einen Gott halten, so kräftig sind ihre Lebenskeime, daß sie lebendig zur Welt kommen wird. Ihre Notwendigkeit ist nicht von den Menschen, ist nicht bloß die Zusammenverschwörung einiger überspannter Narren, wie man die Schriftsteller nennt, ist nicht bloß die Zusammenverschwörung einiger elendigen Jakobiner, welche die Zeit umkehren wollen, kurz sie ist nicht die Notwendigkeit von Menschen – denen möchten auch eure schwachen Künste noch gewachsen sein – sondern sie ist eine Notwendigkeit Gottes. Es ist ein Zeitalter, wo die Weltgeschichte und die Menschenentwickelung einen ungeheuren Wendepunkt hat, wo etwas ganz Neues werden soll, und eher mag eine Mücke ein rollendes Gebirge aufhalten, als alle deutschen Polizeien zusammen diese unendliche Last von Gefühlen und Gedanken, welche den chaotischen Strom einer den meisten noch verborgenen Schöpfung fortwälzen. Ihr gebärdet euch freilich höhnelnd dabei, ihr weissaget freilich: Es wird viel Geschrei und wenig Tat sein, es wird ein elendes Mäuschen aus dem schwülstigen Berge kriechen; aber um Gottes willen warum macht ihr denn so mächtige Gegenanstalten und zittert vor dem Mäuslein? Nein, ihr habt wohl eine Ahnung von etwas Ungeheurem, was nicht bloß nah’, was zum Teil wirklich schon da ist. Aber weil eure Augen in Blödigkeit und eure Herzen in Lieblosigkeit so geblendet und erstarrt sind, daß ihr nur das Wüste und Unheilige, nicht aber das Heitere und Heilige der ungeheuren Zeit sehen und verstehen könnet, so begegnet euch mit Recht, was denen immer geschieht, welche die Sünde gegen den heiligen Geist begehen, daß ihr immer tiefer in die Verwirrung hineingeratet und vor dem Kleinen zittert und euch des Großen nicht freuen könnt.

Wenn ich so offen zu den Anklägern, Verleumdern und Aufhetzern der Zeit spreche, welche Haß, Neid, Mißtrauen, Zwietracht und Feindschaft aller gegen alle entzünden und in eitlen und tückischen Schlangenkünsten uns allen Trost und alle Wonne der letzten Jahre verkümmern und unser Stolzestes zu Narrheit und unsere Hoffnung zu Verzweiflung verdrehen möchten, so leugne ich ja keineswegs die Überspannungen und Übertreibungen, die törichten Wünsche und hirngespinstischen Ansichten sovieler Zeitgenossen, die oft so wunderseltsam sind, als kämen sie plötzlich von einem fremden Planeten herabgeschneit; ich leugne auch bei einigen nicht einen unruhigen und ungehorsamen Geist, der wohl seine Lust hätte an Umkehrungen, bloß weil es Umkehrungen sind. Das sage ich aber noch einmal, daß gerade diese Hetzer und Zettler, welche alles, auch die fliegendesten und idealistischen Geister, mit ihren groben Polizeinetzen bestricken und einfangen wollen, sehr mit schuld sind, daß es in einzelnen Worten und Werken übertrieben wird. Die meisten Zeitgenossen sehnen sich nach etwas Stillem und Würdigen, nach etwas Festem und Freiem, das ihnen das Leben sichert; sie haben der schönen Worte und Gedanken und Pläne und Entwürfe und Verfassungen und Gesetzgebungen hin und her genug, ja übersatt gehabt und werden auch mit einer leidlichen Bürgschaft ihres künftigen Zustandes, mit einer leidlichen Magna Charta ihrer Bürgerrechte zufrieden sein. Wann wir das große Gut erst haben, wann wir wirklich erst auf Ständen und einem gesicherten und geregelten Bürgerleben ruhen, dann mag viel metaphysicher und metapolitischer und hyperidealistischer Wind durch und um die Köpfe der Menschen hin und her sausen, dann mag aller mögliche politische Unsinn in Worten und Schriften umhergetragen werden, die Erde steht dann wieder fest, und gewiß wird sie dann zuerst den Überfluß von Polizei auskehren, deren armselige und schwächliche Künste sie für die Bewahrung und Behauptung dieser Festigkeit am wenigsten bedarf.

Nein, so nicht, auf diese schleichende Weise und mit diesen kleinlichen Künsten der List und Verschmitztheit nicht, wird die Zeit beruhigt. Tugend und Kraft muß drein gesetzt werden, damit viel Nichtiges, Wildes und Überspanntes, worüber auch die Besten klagen müssen, gebändigt und vernichtet werde. Jede Zeit, die großer Art ist, kann nur durch sich selbst geboren werden, ihr Gemeines kann nur durch ihr Edles, ihr Wildes nur durch ihr Kräftiges und ihr Wüstes nur durch ihr Lichtes überwunden werden. Es muß anders werden, und es wird ja wohl anders werden. Die Herrscher werden ja wohl begreifen, daß es anderer Ärzte und Geburtshelfer der Zeit bedarf als dieser bangen Schwächlinge, die das glänzende Riesenkind, weil ihnen vor seiner starken Zukunft bange ist, am liebsten gleich töteten. Haben wir nur erst Verfassungen und Landstände, dann wird ja auch über die übertriebenen und übertreibenden Polizeien hoffentlich die Polizei kommen, und ein gehorsames, geduldiges und gutmütiges Volk wird hinfort nicht mehr wie ein Verbrecher belauscht und bewacht werden. Denn das ist der Sinn der Freiheit und war von jeher im deutschen Volke bräuchlich und üblich, daß die kleine und mittlere Polizei, die aber bloß für leibliche Bedürfnisse und leibliche Sicherheit zu sorgen hat, ganz dem Gau und der Gemeinde wieder zurückfallen muß, für welche ihre Ausübung notwendig ist. Nur in den großen Hauptstädten von achtzigtausend oder hunderttausenden Einwohner, wo Menschen und Laster aus allen Ländern und Gesindel und Sittenverderbnis auf eine schlimme Art zusammenstießen, mag eine genauer und zahlreichere Polizei eingerichtet werden. Die geheime Polizei aber, diese geborene Feindin alles geistigen Lebens und Wirkens, diese lauschende Mörderin aller Liebe, wird dann auf immer geächtet sein, diese Schande der Menschheit, die sich auch die hohe Polizei nennt, worin aber kein freier Mann je Hoheit gefunden, wohl aber des Wunsches einer Hamannschen Erhöhung derselben hundertfünfzig Ellen hoch über der Erde sich nie hat erwehren können. Nur in Zeiten des Krieges, wo Gewalt für Recht gilt und List gegen List gebraucht werden darf, mag sie ihre bunte Schlangenfahne aufpflanzen und das Gaunergesindel der Welt als Schergen um sich versammeln.

Diejenigen, welche in dieser Zeit nichts als Unruhe, Aufstand, Ungehorsam, Brand und Mord sehen und alle Freiheit zu Frechheit und jedes kühne Wort zu Aufruhr stempeln, haben auch von dem Größten und Heiligsten gehört, was so flachen Seelen ewig eine Fabel bleiben muß. Sie stellen ihr irdisches Reich gegen das himmlische und wissen viel von christlicher Friedseligkeit, stiller Demut und vertrauender Hingebung zu erzählen und über unchristlichen Übermut und heidnischen Zorn der Zeit zu klagen. So muß das Heiligste sich mißbrauchen lassen, so können diese die göttliche Lehre Christi in einen Steckbrief der Freiheit umdeuteln. Ja, es gibt eine christliche Liebe und eine christliche Demut, welche die Güter dieser Erde nicht höher anschlagen, als sie wert sind; es gibt einen christlichen Frieden im Innersten des Herzens, welcher durch die Achtserklärungen und Verdammungen dieser Welt nicht erschreckt wird; aber es gibt auch einen heiligen, christlichen Zorn, einen gerechten Haß gegen Satan und sein Reich der Verdummung und Verfinsterung, wovon uns der Erlöser selbst, der göttliche Heiland, der in menschlicher Gestalt als der Sanftmütigste und Geduldigste auf der Erde unter den Menschen wandelte, das Beispiel und Vorbild gegeben hat. Dieser Zorn und Haß muß brennen, er muß kämpfen und ringen auf Tod und auf Leben, wenn das Christentum selbst, wenn die geistige Freiheit des Wortes und Gedankens, wodurch wir ein göttliches Geschlecht sind, angegriffen und gekränkt wird. Jener Friede der Knechtschaft, den sie wollen, jene hündische Kriecherei der Seelen, die sie Gehorsam nennen, jenes stumme Schweigen, jene gedankenlose Gleichgültigkeit und faule Feigheit, die ihnen gefällt, weil jeder Schlechteste und Jämmerlichste dabei ein Herr sein kann, das ist weder Menschtum noch Heidentum noch Christentum; es ist ein Tod in der Verwesung, ein faules Nichts, es ist gar kein Leben. Geistige Regsamkeit, frisches Streben, redliche Wahrheit, kühne Rede, freie Tat, fröhliches und mutiges Wandeln auf Erden, das ist die göttliche Liebe, das ist Gottes Ebenbild, das heißt Christentum. Die Erde hier, dies Land des Wechsels und der Vergänglichkeit, ist für keinen ewigen Frieden gemacht, am wenigsten für den Frieden, welchen Kerker und Polizeikünste und Zensuredikte stiften. Dieser Friede der Schöpfe und Gänse, welche kein Wolf oder Fuchs mehr durch die Herde läuft, war zu aller Zeit die Schmach der Menschheit und der schwüle, ägyptische Brütofen aller Laster. Diesen Frieden haben die übermütigsten Tyrannen und Zwingherren immer am meisten im Munde geführt, wenn hingegen die tapfren und gerechten und christlichen Könige und Fürsten Freiheit, Freude, Mut und Wort walten ließen und dachten: Meinen wir es redlich, Gott wird es wohlmachen und uns die Welt regieren helfen. O diese, die sich schämen sollten bei ihrem finstern und geistlosen Treiben die christliche Lehre und den Heiland zu nennen, wo sie das Dumme, Tierische, Knechtische und Lügenhafte wollen, warum denken sie nicht wieder an ihr großes Vorbild, an Napoleon den Großen? Wie oft und immer, wann er betrügen, überlisten und Ehre und Freiheit der Herrscher und Völker mit Tigerlust und Katzenlust morden wollte, hat die gräßliche Katze gelobt: “Alle meine unendlichen Arbeiten und Kämpfe sind für das Glück der Welt. Ich ziehe nur in den Krieg, damit der ewige Frieden komme; ich werde die Völker durch einen solchen Bund verbinden, daß der Krieg ein Märchen werden soll. Die Völker sind geboren, einander zu lieben, und ich will sie zwingen einander zu lieben. Dann wird eine solche Glückseligkeit auf Erden sein, daß alle Philosophen und Ideologen und Idealisten und Theoristen ihre dünnen und metaphysischen Gespinste von Staatsverfassungen und von Menschenrechten und Bürgerrechten und von anderen Herrlichkeiten in den Ofen werfen können, Brot daran zu backen. Das glückliche und freie Volk wird auf solche Träume und auf die zierlichen Geschwätze von Philosophen und Sophisten nicht hören.” – O, was saget ihr, ihr, die an die hohe Lehre glaubt, daß ihr mit Feuer und Geist getauft seid? Und du, o wundersame Zeit, ja zu wunderbare Zeit, worin wir leben, wie gefällt es dir in fürchterlich gräßlicher Ironie dasjenige oft zusammenzupaaren, was sich gebärdet, als ob des das Ungleichste wäre? (https://advocatusdeorum.wordpress.com/?s=Arndt+Polizei) (Heinrich Meisner – Robert Geerds Hrsg., Ernst Moritz Arndts ausgewähle Werke in sechzehn Bänden, Zwölfter Band, Geist der Zeit IV, Leipzig 1913, S. 78ff)

Was hilft es, daß man einander mit Lügen abspeist und der gerechtesten Sache mit einer kleinlichen und beklommenen Heuchelei falsche Scheine umhängt? Wir wollen es kurz aussrechen: Die Sünde ist eine so große Willkü, als nur die tyrannei sann; Gott ist die höchste Tugend und Notwendigkeit und deswegen die höchste Freiheit. Damit der Mensch frei sei, darum unterwirft er sich dem Gehorsam des göttlichen Gesetzes. Damit der Mensch als Bürger frei sei und irgendwo Herr, da er es nicht allenthalben sein kann, darum unterwirft er sich dem weltlichen Gesetze und der weltlichen Obrigkeit. Wir haben alle Lust zu herrschen, deswegen diesen wir soviel; jedem Gehorsam liegt das verhüllte Geheimnis der Herrschaft zum Grunde. Dies gilt hier unten, wie es dort oben nur gelten kann. (E.M.A. AaO, 72f) – “Damit der Mensch als Bürger frei sei, unterwirft er sich dem weltlichen Gesetz und der weltlichen Obrigkeit…” – Das aber kann nur funktionieren, wenn die “Obrigkeit” sich jeder Willkür enthält und Regeln da aufstellt, wo es erforderlich und geboten ist. –

Enrst Moritz Arndts Angriff auf die Arbeit der “ordnenden Verwaltung” hatte sein ungestümer Zeitgenosse Friedrich Schiller in geradezu dürren Worten nahezu zeitgleich festgehaltenund szenisch dagesteltt:

1804 – veröffentlichte Friedrich Schiller seinen “Wilhelm Tell”. – Man kann und darf davon ausgehen, daß angesichts der Allgegenwart von “Ordnungshütern” der Dialog zwischen Leuthold und Friesshardt von jedem “Bürger” – vom Kleinkind bis zum Greis – auch ohne Hilfe eines Deutschlehrers – unmittelbar verstanden und zutreffend interpretiert wurde:

Friesshardt und Leuthold halten Wache.

Friesshardt:

Wir passen auf umsonst. Es will sich niemand

Heranbegeben und dem Hut sein‘ Reverenz

Erzeigen. ’s war doch sonst wie Jahrmarkt hier,

Jetzt ist der ganze Anger wie verödet,

Seitdem der Popanz auf der Stange hängt.

Leuthold:

Nur schlecht Gesindel lässt sich sehn und schwingt

Uns zum Verdriesse die zerlumpten Mützen.

Was rechte Leute sind, die machen lieber

Den langen Umweg um den halben Flecken,

Eh sie den Rücken beugten vor dem Hut.

Friesshardt:

Sie müssen über diesen Platz, wenn sie

Vom Rathaus kommen um die Mittagstunde.

Da meint‘ ich schon, ’nen guten Fang zu tun,

Denn keiner dachte dran, den Hut zu grüssen.

Da sieht’s der Pfaff, der Rösselman – kam just

Von einem Kranken her – und stellt sich hin

Mit dem Hochwürdigen, grad vor die Stange –

Der Sigrist musste mit dem Glöcklein schellen,

Da fielen all aufs Knie, ich selber mit,

Und grüssten die Monstranz, doch nicht den Hut. –

Leuthold:

Höre Gesell, es fängt mir an zu deuchten,

Wir stehen hier am Pranger vor dem Hut,

’s ist doch ein Schimpf für einen Reitersmann,

Schildwach zu stehn vor einem leeren Hut –

Und jeder rechte Kerl muss uns verachten.

– Die Reverenz zu machen einem Hut,

Es ist doch traun! Ein närrischer Befehl!

Friesshardt:

Warum nicht einem leeren hohlen Hut?

Bückst du dich doch vor manchem hohlen Schädel.”

(Friedrich Schiller, Wilhelm Tell, 3. Aufzug, 3. Szene)

In den folgenden 209 Jahren stieß die von Schiller geschilderte Vorwarnung, die die hereinbrechende Katastrophe ankündigt und vorhersehbarer macht als einen Tornado, auf taube Ohren. Wie bei den diversen “Nichtraucherschutzgesetzen” und anderen Exkrementen des “Gesetzgebers” hatte sich auch bei Schiller das von Gesetzgebung und Verwaltung ausgehende Unheil lautstark angekündigt, wurde aber von der Bevölkerung nicht wirklich ernst genommen:

Ihr sehet diesen Hut, Männer von Uri!

Aufrichten wird man ihn auf hoher Säule,

Mitten in Altdorf, an dem höchsten Ort,

Und dieses ist des Landvogts Will und Meinung:

Dem Hut soll gleiche Ehre wie ihm selbst ergehen,

Man soll ihm mit gebognem Knie und mit

Entblößtem Haupt verehren – Daran will

Der König den Gehorsamen erkennen.

Verfallen ist mit seinem Leib und Gut

Dem Könige, wer das Gebot verachtet.

(Das Volk lacht laut auf, die Trommel wird gerührt, sie gehen vorüber)

(Schiller aaO 1. Aufzug, 3. Szene)

Ist der Hut erst auf der Stange, wird er, – wenn auch widerwillig – am Ende doch gegrüßt. Schiller kannte das Phänomen und dessen Folgen:

Das Volk hatte nicht ernst genommen, was ihm später zum Verhängnis werden sollte.

Dieses Phänomen war schon zu Schillers Zeiten nicht gerade neu, wiederholte sich aber mit zunehmender Frequenz in den zwei darauffolgenden Jahrhunderten.

Und wer hat sich in diesen zwei Jahrhunderten so verhalten wie Leuthold und Frießhardt? Richtig, die Ordnungsbehörden und die Justiz.

Das “Bücken vor manchem hohlen Schädel”, ja das Bücken vor allen hohlen Schädeln dieser Welt, das kennzeichnet auch heute noch Polizei und Justiz. – Das ist der Grund, weshalb man sich eigentlich schämen müßte, Jurist zu sein.


Grundrechte vs. Rauchverbot – der 17. Juni – jetzt auch in Düsseldorf!

Juni 19, 2013

Dass nachfolgend wiedergegebene Schreiben liegt ganu auf der Linie, die unsere alseits verehrte Analog-Kanzlerin in ihrer Rede zum diesjährigen Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR (alt) quer durch Deutschland gezogen hat:

„Wir verneigen uns vor dem Mut derer, die sich am 17. Juni 1953 gegen Unterdrückung und staatliche Willkür wehrten. Wir verneigen uns vor der Zivilcourage derer, die auch heute weltweit um Freiheit und Menschenwürde, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – also um die Wahrung der universalen Menschenrechte – kämpfen und viel dafür riskieren, manchmal auch alles. Möge ihr Einsatz auch uns Ansporn sein, unsere Stimme überall und immer dort laut und vernehmbar zu erheben, wo Menschen diskriminiert, ausgegrenzt und verfolgt werden, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Das sind wir ihnen und uns allen schuldig. Das ist die Botschaft des 17. Juni 1953.“

In der DDR (neu), früher nannte man sie „BRD“,  sind Zivilcourge und Aufmüpfigkeit ebenso unerwünscht wie in der DDR (alt). Rechtsstaat und Demokratie sind spätestens mit dem „Anschluß“ der „BRD“ an die „DDR“ sang- und klanglos untergegangen:  Störtebekers Erben – Geschichten aus Merkels Leichenkeller

Man könnte Demonstrationen organisieeren. – Aber über „Demos“ haben Politiker immer schon gelacht. Meines Erachtens hilft nur die „Salamitaktik“, die spricht die niederen Chargen der Politik vor Ort unmittelbar an. Deswegen wrd bei nächster Gelegenheit die Stadt Köln, die Gemeinde Rommerskirchen und die Stadt Grevenbroich ähnliche Schrieben erhalten. – Ich kann und will auch nicht verhindern, daß der eine oder andere Leser die Druckversion mit einem netten Anschreiben an seinen Bürgermeister sendet und der Forderung, den Vollzug des angeblichen „Raucherschutzgesetzes“ auszusetzen Nachdruck verleiht.

Nichtraucherschutzgesetz-d-dorf (Leseabschrift/Druckversion)

Deckblatt

Deckblatt

Gerhard Altenhoff

Bismarckstr. 40

41542 Dormagen

02133 82 74 05

17.6.2013

Stadt Düsseldorf

z.Hd. Herrn Dirk Elbers

Marktplatz 1

40200 Düsseldorf

 

 

Nichtraucherschutzgesetz

hier: Vollzug des Art. 20 Abs. 4 GG

 

Sehr geehrter Herr Elbers,

Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen… – diese einleitenden Worte des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland sind seit dem 23. Mai 1949 von den „politisch Verantwortlichen“ bis zum heutigen Tage mehr oder weniger als „schmückendes Beiwerk“ behandelt worden.

Entgegen dieser undemokratischen Tradition sind sie aber ernstzunehmen.

Im Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen, im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag und handelnd als Vertreter ohne Vertretungsmacht für den Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt der Bundesrepublik Deutschland, sowie in Wahrnehmung des sich aus Artikel 20 Absatz 4 ergebenden Widerstandsrechts fordere ich Sie auf,

den Vollzug des angeblichen Nichtraucherschutzgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalens innerhalb der Grenzen des Stadtgebietes der Stadt Düsseldorf bedingungslos auszusetzen.

Begründung:

In der Zeit vom 8.6.2013 bis zum 15.6. 2013 war ich gleich dreimal persönlich von dem auch den Düsseldorfer Gastwirten aufoktroyierten Rauchverbot für Gaststätten betroffen: am 8.6.2013 in Sutton’s Irish Pub am Spichernplatz, am 11. 6.2013 in Emmas Enkel (Berliner Allee 56 und am 15.6.2012 im „Alten Bahnhof“ in Oberkassel. Gegen den Oktroy der „Obrigkeit“ setze ich mich also nicht nur im Interesse anderer Betroffener zur Wehr.

Aus der Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) in Verbindung mit Art. 146 GG ergibt sich zweifelsfrei, daß nur das Volk als Ganzes Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt ist:

„Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,

von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem

vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das

Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses

Grundgesetz gegeben.

Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin,

Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,

Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland,

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben

in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands

vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche

Volk.“

– So die Präambel des Grundgesetzes.

Und nun Artikel 146 des Grundgesetzes:

„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands

für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem

eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung

beschlossen worden ist.“

Daß die bundesdeutsche Verfassung seit rund 22 Jahren überfällig ist, steht auf einem anderen Blatt, läßt aber bezüglich des „Staatsverständnisses“ der „staatstragenden“ Parteien mehr als tief blicken.

Für Beamte aller Besoldungsgruppen und Verwaltungsangestellte gilt das Grundgesetz zutreffend als oberste Rechtsquelle des öffentlichen Rechts. Der besondere Rang des Grundgesetzes als Rechtsquelle, – im allgemeinen Sprachgebrauch als „Verfassungsrecht“ bezeichnet – folge aus der besonderen „Stabilität“ der grundgesetzlichen Vorschriften, die nur mit einer 2/3 Mehrheit geändert werden könnten; für die Verwaltung seien besonders die Grundrechte von Bedeutung, insbesondere der für alle Behörden geltende Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie beispielhaft für die Gewerbebehörden der Art 12 GG, der die Berufsfreiheit zum Gegenstand hat. ( Klaus Müller (Hrsg.), Der Verwaltungsangestellte: Lehrbuch für die Ausbildung der Verwaltungsangestellten der Gemeinden und Gemeindeverbände in Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage, Köln, Berlin, Bonn, München, 1979, S. 51 ) Das Grundgesetz ist folglich auch von der Verwaltung der Stadt Düsseldorf vollinhaltlich und buchstabengetreu zu respektieren. Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung gewähren die Vorschriften des Grundgesetzes den Organen der gesetzgebenden, der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt nicht nur Befugnisse, vielmehr setzten sie Grenzen, die als „rote Linien“ nicht eigenmächtig überschritten werden dürfen.

Aus der Rechtsstellung des Volkes als Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt und dem Grundgesetz als verkörperter Wille des Inhabers der verfassungsgebenden Gewalt folgt, daß ein „verfassungsänderndes“ Gewohnheitsrecht oder Observanzen, die auf angeblich „demokratischen Traditionen“ beruhen, sich mit rechtsverbindlicher Wirkung neben oder gar „über“ dem Grundgesetz nicht bilden können. Zur Kategorie der „verfassungsändernden Observanzen aufgrund demokratischer Traditionen“ gehört die im Bund und in allen Bundesländern nach jeder Wahl vollzogene „Kabinettsbildung“. Hier orientiert man sich an der „convention“ zwischen der britischen Krone und dem Parlament des Vereinigten Königreichs, wonach der Monarch verpflichtet ist, den Chef der stärksten Partei im Parlament als „Prime-Minister“ zu berufen. Die Mitglieder des „Kabinetts“ müssen, so die „convention“, Mitglieder des Parlaments sein. – Es handelt sich hier aber nicht, wie die Propaganda der „demokratischen“ Parteien behauptet, um eine „demokratische Tradition“, vielmehr ist es einer der vielen faulen Kompromisse, welche die – ungeschriebene – „Verfassung“ des Vereinigten Königreichs prägen. Den am britischen Vorbild orientierten Weg der Bildung eines „Kabinetts“ ist der Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt bei Schaffung des Grundgesetzes eindeutig nicht gegangen. Der Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt hat das britische Prinzip der kollektiven Verantwortung der „Regierung“ gerade nicht übernommen, das Grundgesetz konstituiert für die Bundesminister vielmehr das Prinzip der Eigenverantwortung. – Ein „Bundeskabinett“ als Willensbildungs- und Beschlußorgan sieht das Grundgesetz nicht vor. – (Artikel 65 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland) Und wenn das Grundgesetz eine „Kabinettsbildung“ nach britischem Vorbild ausschließt, gilt dieser Ausschluß auch für die einzelnen Bundesländer. Bundesrecht bricht Landesrecht, nicht umsonst schreibt Artikel 31 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland dies zwingend vor.

Angeblich soll am 1.5. 2013 das Nichtraucherschutzgesetz des Landes NRW in Kraft getreten sein.

Das Inkrafttreten wurde indes durch die Verfassung des Landes NRW in Verbindung mit Artikel 33 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes gehindert, weil es nicht vom Ministerpräsidenten des Landes NRW ausgefertigt wurde. Damit ist auch die „Verkündung im Gesetzblatt des Landes NRW“ hinfällig. – Das Nichtraucherschutzgesetz trägt zwar eine Unterschrift, aber es ist nicht die des nordhein-westfälischen Ministerpräsidenten oder dessen allgemeinen Stellvertreters, denn Hannelore Kraft ist nicht Ministerpräsidentin des Landes NRW, weil ihre Wahl zur Ministerpräsidentin ungültig und damit unheilbar nichtig war.

Die Verfassung des Landes NRW schreibt zwar vor, daß der Landtag aus seiner Mitte einen Ministerpräsidenten wählt, aber diese Regelung ist mit Art. 33 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes unvereinbar und führt damit zwangsläufig zur Ungültigkeit des Wahlaktes. Art. 33 GG enthält nämlich das „politische Grundrecht“ aller Deutschen. – Alle Deutschen haben, so will es der im Grundgesetz verkörperte Wille des Inhabers der verfassungsgebenden Gewalt, in allen Ländern die gleichen Rechte und Pflichten. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung Zugang zu allen öffentlichen Ämtern, wozu naturgemäß auch das Amt des Ministerpräsidenten eines Bundeslandes gehört. Sichergestellt wird das Ermöglichen der Wahrnehmung dieses politischen Grundrechts für jeden möglichen Stellenbewerber durch öffentliche Ausschreibung des vakanten oder vakant werdenden Dienstpostens.

Ohne öffentliche Ausschreibung kein gültiger Wahlakt, denn jedem Deutschen muß die Chance eingeräumt werden, Bundespräsident, Bundeskanzler, aber auch imLande NRW Ministerpräsident zu werden.

Demgegenüber beschränkt Artikel 52 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen den Kreis der Bewerber für das Amt des Ministerpräsidenten auf die Mitglieder des Landtages:

(1) Der Landtag wählt aus seiner Mitte in geheimer Wahl ohne Aussprache den Ministerpräsidenten mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder.

(2) Kommt eine Wahl gemäß Absatz 1 nicht zustande, so findet innerhalb von 14 Tagen ein zweiter, gegebenenfalls ein dritter Wahlgang statt, in dem der gewählt ist, der mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, so findet eine Stichwahl zwischen den beiden Vorgeschlagenen statt, die die höchste Stimmenzahl erhalten haben.

(3) Der Ministerpräsident ernennt und entläßt die Minister. Er beauftragt ein Mitglied der Landesregierung mit seiner Vertretung und zeigt seine Entscheidungen unverzüglich dem Landtag an.

Die von der Verfassung des Landes NRW vorgenommene Beschränkung der Bewerber für das Amt des Ministerpräsidenten in NRW auf die Mitglieder des Landtages grenzt rund 70 Millionen möglicher Bewerber aus und verletzt damit den Wesensgehalt des in Art. 33 GG verbrieften politischen Grundrechts aller Deutschen. – Und das seit 1950, also nach Inkrafttreten des Grundgesetzes. – Artikel 52 der nordrhein-westfälischen Verfassung konnte daher von vornherein keinen rechtlichen Bestand haben. – Zumindest dieser Teil der NRW-Verfassung ist wegen Verstoßes gegen Art 33 Abs. 2 GG von Anfang an bis heute nichtig. Die Frage, ob die Nichtigkeit dieser Einzelbestimmung nach den dem Bürgerlichen Gesetzbuch zugrundeliegenden Grundspielregeln menschlichen Zusammenlebens zur Gesamtnichtigkeit der „Verfassung“ des Landes NRW führen muß, kann hier offenbleiben, denn jedenfalls kann die vermeintliche „Ausfertigung“ von Landesgesetzen mangels entsprechender verfassungsrechtlicher Ermächtigung der unterzeichnenden Person keinerlei Rechtswirkung entfalten.

Weder als Analog-Ministerpräsidentin noch als bloße Staatskanzleibesetzerin kann Hannelore Kraft mit ihrer Unterschrift ein Landesgesetz im Lande NRW „ausfertigen“.

Usurpation, die Anmaßung von Herrschaftsrechten, ist weder im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland noch in der Verfassung des Landes NRW vorgesehen. – Usurpation paßt auch in keinster Weise in ein demokratisch organisiertes Gemeinwesen, denn alle durch einen Usurpator vorgenommenen „Staatsakte“ müßten nachträglich durch den wahren Rechtsinhaber, das Volk, gebilligt werden.

Soweit die rein formale Seite.

Auch das Zustandekommen des Nichtraucherschutzgesetzes begegnet durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf das vom Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland festgelegte Demokratiegebot, welches in erster Linie in der Gewaltenteilung besteht, nämlich in der strikten Trennung von gesetzgebender Gewalt, vollziehender Gewalt und rechtsprechender Gewalt. – Diese waren, das darf nicht vergessen werden, in der Zeit des Absolutismus in der Person des Königs vereinigt.

Zum Demokratiegebot gehört ferner die Rolle der politischen Parteien, deren Rolle der Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt in Art. 21 des Grundgesetzes ausdrücklich auf die Mitwirkung an der Willensbildung des Volkes begrenzt hat.

Die Geschichte des angeblichen Nichtraucherschutzgesetzes macht indes deutlich, wie sehr die „vollziehende Gewalt“ die „gesetzgebende Gewalt“ dominiert, und wie beide von den politschen Parteien als Vollzugsorgane von Parteitagsbeschlüssen und „Koalitionsvereinbarung“ zwischen den politischen Parteien mißbraucht werden.

Das bis zum 30. 4.2013 angeblich gültige Nichtraucherschutzgesetz beruht darauf, daß Hannelore Kraft zunächst eine „Minderheitsregierung“ bilden mußte. Sowohl die ursprüngliche als auch die nunmehr in die Welt gesetzte verschärfte Fassung des angeblichen Nichtraucherschutzgesetzes beruhnen auf „Kabinettsbeschlüssen“. Aber erst nach den letzten Wahlen hatten die Grünen wieder einen so großen Einfluß gewonnen, daß sie ihre Vorstellungen gegenüber der SPD innerhalb der Regierung und des Parlaments durchsetzen konnten.

Die „Landesregierung“, es muß aus gegebener Veranlassung wohl einmal ausdrücklich darauf hingewiesen werden, repräsentiert die „vollziehende Gewalt“ des Staates, sie kann aus den oben genannten Gründen als Willensbildungs- und Beschlußorgan keinen Bestand haben. – Beschlüsse eines Exekutivorgans, die die Willensbildung der gesetzgebenden Gewalt nicht nur beeinflussen, Beschlüsse, die vielmehr dem gesetzgebenden Organ vorschreiben, was es in Paragraphengummi zu schneiden hat, sind sittenwidrig und damit gemäß § 138 BGB nichtig. § 138 gilt – wie die anderen Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuches – auch im öffentlichen Recht. – Als sittenwidrig gilt seit den „Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch“ ein Verhalten, das dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. – Es bedarf wohl keiner näheren Begründung, daß die Anmaßung der Gesetzgebungsbefugnis durch ein Vollziehungsorgan dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden nicht nur widerspricht, es schlägt diesem geradezu ins Gesicht. Sittenwidriges Verhalten erlaubt das Grundgesetz einer Landesregierung aber nicht. Sittenwidriges Verhalten kann auch durch keine noch so große „Zustimmung des Wählers“ „legitimiert“ werden.

Was würde ein Herr Elbers wohl sagen, wenn der Mann mit der schwarzen Maske zu ihm käme und ihm eröffnen würde: „Lieber Herr Elbers, ich habe beschlossen, Sie am kommenden Sonntag hinzurichten. Ich brauche nur noch die Zustimmung der Jury und die Unterschrift des Richters – und Ihr Kopf ist ab!“ Der Herr Elbers würde sich wohl mit Händen und Füßen dagegen zur Wehr setzen.

Aber wenn die „Landesregierung“ einen Gesetzentwurf beschlossen und den Repräsentanten der angeblich „gesetzgebenden Gewalt“ zugeleitet und diese mit „Mehrheit“ den Entwurf in bestes deutsche Paragraphengummi geschnitten hat, dann ist der Herr Elbers fleißig dabei, in aller Subalternität des Oberbürgermeisteramts den „Willen des Gesetzgebers“ durchzusetzen. Weil dieser jedoch ohne Wenn und Aber dem Willen der politischen Parteien unterworfen ist, der durch den Willen des „Kabinetts“ vermittelt wird, kann der Landtag als Träger der gesetzgebenden Gewalt keine originären gesetzgeberischen Entscheidungen fällen. Der stillschweigende Verzicht des Landtages auf die gesetzgebende Gewalt überträgt auch ohne ausdrückliches Ermächtigungsgesetz die „dictatura legibs scribundis et rei publicae constituendae“ auf die „Landesregierung“. Es liegt klar auf der Hand, daß dieses Procedere dem Demokratiegebot, diametral zuwiderläuft.

Ferner widerspricht das Nichtraucherschutzgesetz vollinhaltlich dem Rechtsstaatsprinzip.

Die von den „demokratischen Parteien“ in die „politisch verantwortlichen“ Gremien entsandten haupt- oder ehrenamtlichen Politiker sind von dem nahezu unerschütterlichen Glauben beseelt, den Willen des Volkes hínter sich zu haben, der sich in der Mehrheit der abgegebenen Stimmen offenbare.

Der Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt der Bundesrepublik Deutschland hat für die Mitglieder der Parlamente, denen er allein die gesetzgebende Gewalt übertragen hat, das „freie Mandat“ gewollt und geschaffen: Der Abgeordnete ist unabhängig, nur seinem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. – Seine Rechtsstellung läßt sich am besten durch das aus dem Zivilrecht bekannte Rechtsinstitut der „Geschäftsführung ohne Auftrag“ beschreiben.

An dieser Stelle auf die wohl austarierten Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag näher einzugehen, würde zu weit führen. Vom Oberbürgermeister einer bundesdeutschen Großstadt kann erwartet werden, daß er über deren Grundlagen ohnehin informiert ist und sich anhand der einschlägigen Kommentarliteratur über die Grenzen der Befugnisse eines Geschäftsführers ohne Auftrag eingehend informiert. – Vor allem deswegen, weil auch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland am Ende auf Geschäftsführung ohne Auftrag beruht, denn auch der „Parlamentarische Rat“, der es 1949 geschaffen hatte, war im Verhältnis zum Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt nicht mehr als ein Geschäftsführer ohne Auftrag:

„Das deutsche Volk selbst hat im Jahre 1949 nicht über das Grundgesetz abgestimmt. Das Rechtsverhältnis zwischen dem deutschen Volk und dem Urheber des Grundgesetzes, dem Parlamentarischen Rat, stellt sich als Geschäftsführung ohne Auftrag dar, denn das Bonner Grundgesetz wurde durch den Parlamentarischen Rat beschlossen und durch dessen Präsidenten ausgefertigt und verkündet. Der Parlamentarische Rat besorgte das Geschäft des Inhabers der verfassungsgebenden Gewalt. Die Geschäftsführung ohne Auftrag unterliegt strengen Beschränkungen:

Unberechtigt ist die Besorgung eines fremden Geschäfts, wenn sie nicht dem Interesse und/oder dem Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der Geschäftsführer hat diese Art der Geschäftsführung als rechtswidrigen Eingriff in die Belange des Geschäftsherrn zu unterlassen. Der berechtigte Geschäftsführer ohne Auftrag hat die Rechte und Pflichten eines Beauftragten, Vertretungsmacht, das heißt die Befugnis, den Geschäftsherrn zu verpflichten, diekommt ihm nicht zu. Jeder darf seinem Nachbarn morgens das von diesem begehrte Boulevardblatt mitbringen; aber niemand darf deswegen für Rechnung des Nachbarn dasselbe Boulevardblatt abonnieren.

Das Bonner Grundgesetz kann Gültigkeit nur hinsichtlich der Vorschriften haben, die dem Interesse des deutschen Volkes entsprechen. Denn wenn der Geschäftsführer ohne Auftrag eine Handlung vornimmt, die nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Interesse des Geschäftsherrn entspricht, muß er sich diese Art der Geschäftsführung nachträglich genehmigen lassen.

Der Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt wurde weder während der deutschen Teilung noch nach der Wiedervereinigung zur Genehmigung des Bonner Grundgesetzes im Rahmen einer Volksabstimmung aufgefordert. Von den politischen Parteien werden Wahlen zwar ständig in eine Art „Volksabstimmung” über Parteiprogramme umgedeutet, aber auch diese „Umdeutungsakte” sind rechtswidrig, weil die Wahl von Personen keine Abstimmung über eine Sachfrage sind. – Die Auswahl einer Fluglinie kann schließlich auch nicht in einen Kaufvertrag über ein Flugzeug umgedeutet werden. Nach allem ist festzuhalten: das Bonner Grundgesetz ist nur insoweit gültig, als seine Vorschriften dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Inhabers der verfassungsgebenden Gewalt entspricht. Alle Bestimmungen,die dieses Kriterium nicht erfüllen, sind nichtig, weil das Bonner Grundgesetz dem Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt nie zur Genehmigung vorgelegt wurde.“ (G. Altenhoff, Nievenheimer Manifest, Grundpositionen für eine deutsche Verfassung nach Art. 146 des Grundgesetzes (https://advocatusdeorum.wordpress.com/wp-content/uploads/2011/10/nievenheimermanifestergc3a4nzt.pdf )

Die vom Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt gewollte „repräsentive“ Demokratie mit freiem Abgeordnetenmandat ist auch durchaus sinnvoll, wenn der „Abgeordnete“ seine Aufgabe ernst nimmt. – Denn nicht jede Willensbildung des Volkes ist sinnvoll. – Von der Zulässigkeit der entsprechenden Willensbetätigung einmal abgesehen. – Leider muß ich als Extrembeispiel wieder einmal auf die Todesstrafe zurückgreifen: Eine Volksabstimmung über die Einführung der Todesstrafe für „Kinderschänder“ hätte 1 Woche nach Bekanntwerden eines entsprechenden Falles ein anderes Ergebnis als 5 Jahre nach dem letzen bekannt gewordenen Vorfall.

Aber so weit brauchen wir gar nicht zurückzugehen. Die kochende „Volksseele“ gegenüber Herrn Hoeneß offenbart die Schwankungen der „Volksseele“, die nur durch das „freie Mandat“ abgepuffert werden kann.

Das ist die eine Seite.

Die andere Seite, nämlich die Grenze für die Willensbildung und -betätigung eines Abgeordneten bildet eines der Axiome der Jurisprudenz, das bei den „politisch Verantwortlichen“ so beliebt ist wie der Teufel am Taufbecken:

Nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet.

Niemand kann mehr Recht auf einen anderen übertragen, als er selbst hat.

Herr Elbers kann und darf sich den Willen bilden, die Deutsche Bank um eine Million Euro zu betrügen. Er darf sich auch den Willen bilden, die eigene Großmutter zu verkaufen und dem Käufer zu sagen: „Die Oma kannst’e so mitnehmen, aber ihr Rollstuhl kost‘ extra!“

Aber darf er diesen frei gebildeten Willen auch so betätigen? – ich glaube eher nicht.

Und an der Grenze von Willensbildung und Willensbetätigung scheiden sich die propagierten von den tatsächlichen Befugnissen eines Abgeordneten: Keine noch so große Mehrheit abgegebener Stimmen berechtigt einen Abgeordneten, sich zum Vormund oder „Erziehungsberechtigten“ des Volkes aufzuschwingen.

Und hier sind Demokratie- und Rechtsstaatsgebot untrennbar verknüpft. Der Geschäftsführer ohne Auftrag ist in begrenztem Umfang befugt, fremde Rechte wahrzunehmen oder fremde Pflichten zu erfüllen. – Geschäftsführung ohne Auftrag ist buchstäblich „ohne Auftrag“ schlechterdings nicht denkbar.

Wenn dann der sogenannte „Wählerauftrag“ ins Spiel kommt, ist die „rote Linie“ , welche die Demokratie von der

dictatura legibus scribundis et rei publicae constituendae

trennt, eindeutig überschritten.

Allzu gern maßen sich die „politisch Verantortlichen“ im Wege der bedingungslosen Vollstreckung eines ihnen angeblich erteilten Wählerauftrags die dictatura legibus scribundis et rei publicae constituendae an.

Wie oben dargelegt, unterwirft sich – nicht nur in NRW – die „gesetzgebende Gewalt“ dem Willen der „vollziehenden Gewalt“ und diese wiederum den Parteitagsbeschlüssen der „staatstragenden“ Parteien.

Treulose und pflichtvergessene Landtagsabgeordnete unterwerfen sich ohne Not, Sinn und Verstand dem Willen eines de jure nicht bestehendes Willensbildungs- und Beschlußorgans, das eine verblüffende Ähnlichkeit zum „Wohlfahrtsausschuß“ Robbespierres aufweist. Auch der Wohlfahrtsauschuß übte eine Art kollektiver Diktatur unter dem Deckmantel der „Demokratie“ aus. Daß Robbespierres Wohlfahrtsausschuß ein Organ unbeschränkter Willkür war, dürfte außer Frage stehen.

Auch aus diesem Grund kann das angebliche Nichtraucherschutzgesetz keinen Bestand haben.

Den schwersten Schlag gegen das Rechtsstaatsgebot führen aber die „Wählerwillenvollstrecker“mit der Perfidie, die sie in das angebliche Nichtraucherschutzgesetz eingebaut haben, die zwar nicht neu ist, aber dem dunkelsten Kapitel der deutschen Rechtsgeschichte entstammt.

Mit den Nürnbergern Rassegesetzen von 1935 wurden verschiedene Kombinationen von Eheschließungen und sexuellen Aktivitäten verboten. – Zuwiderhandlungen wurden streng bestraft. Die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung des Reichsgerichts nahm in der Folgezeit geradezu beängstigende Formen an. – Hierauf an dieser Stelle näher einzugehen, würde den Rahmen sprengen.

Ein Verbot enthielt auch die berüchtigte Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden vom 1. September 1941. Entgegen landläufiger Ansicht zwang diese die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht, einen gelben Stern zu tragen. – Mit dieser Polizeiverordnung wurde dem als „Juden“ etikettierten Personenkreis lediglich verboten, sich ohne entsprechende Kennzeichnung in der Öffentlichkeit zu zeigen. – Ein Zuwiderhandelnder riskierte formal eine Geldstrafe in Höhe von bis zu 150 Reichsmark oder 6 Wochen Haft ( §4 Absatz 1 ). – Die tatsächliche Sanktion fiel höher aus, aber das steht auf einem anderen Blatt und ist auf die Willkür der Exekutive zurückzuführen: „Rechtsstaatlich einwandfrei“ wurde dies in § 4 Absatz 2 so ausgedrückt: „Weitergehende polizeiliche Sicherungsmaßnahmen sowie Strafvorschriften, nach denen eine höhere Strafe verwirkt ist, bleiben unberührt.“ Die „weitergehenden polizeilichen Sicherungsmaßnahmen“ werden im allgemeinen durch zwei Buchstaben dargestelllt: K und Z.

Nach dem „Willen des Gesetzgebers“ soll das angebliche Nichtraucherschutzgesetz nicht von der „vollziehenden Gewalt“ des Staates vollzogen werden, sondern vielmehr von mehr oder minder unwilligen Gastwirten.

Gastwirte werden unter Androhung von „ordnungs- und gewerberechtlichen“ Sanktionen, die sich, wie man so schön sagt, „gewaschen haben“ gegen ihren Willen zur Vollstreckung eines Gesetzes gezwungen. Ferner wird das natürlichste Recht, das einem Gastwirt zukommt, nämlich das Hausrecht, ihm mit brachialer Gewalt aus der Hand geschlagen.

Reden wir Klartext:

Unbescholtene Bürger werden gegen ihren Willen unter Androhung erheblicher Repressalien der „Obrigkeit“ gezwugen, andere unbescholtene Bürger zu bevormunden.

Als vor einigen Jahren den Spaniern ein ähnlich scharfes Anti-Rauchergesetz auf’s Auge gedrückt wurde, hatte der spanische Innenminister alle Bürger dazu aufgerufen, Verstöße gegen das Gesetz zu melden. Die Spanische Presse vermutete hinter dieser Förderung des Denuntiantentums zu recht ein Wiederaufflammen des Faschismus.

In einem Rechtsstaat ist es jedem Bürger unbenommen, einen Mitmenschen anzuschwärzen. – Das muß er mit seinem Gewissen vereinbaren, und die Behörden müssen nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, was sie von einem Denuntianten zu halten haben. Aber in einem Rechtsstaat kann und darf niemand gezwungen werden, „staatliche“ Aufgaben gegen seinen Willen und seine wirtschaftlichen Interessen wahrzunehmen.

Ein „Nichtraucherschutzgesetz“ kann nach dem oben Gesagten unter keinem rechtlich erdenklichen Gesichtspunkt trotz der politischen Kraft der Kraft jemals in Kraft treten.

Dagegen hilft auch kein Rückzug willfähriger Beamten und Richter auf die Regeln der heute noch herrschenden Rechtsquellenlehre, mit der sich schon die Studiosi der Jurisprudenz Roland Freisler und Johann Wolfgang Goethe herumschlagen mußten; – die auch heute noch allgemein angewandte Rechtsquellenlehre ist ebenso vor- wie undemokratisch:

Der „Rechtsstaat“ tritt Ihnen in einer Art und Weise gegenüber, die sie ohne abgeschlossenes Jurastudium nicht verstehen können – und auch erst gar nicht verstehen sollen:

Den „Kern“ des sogenannten „Rechtsstaats“ bildet das „Geßlerhutprinzip“. Ich habe dieses Prinzip nach dem vom Friedrich Schillers verfaßten Drama “Wilhelm Tell” benannt. – Der habsburgische Landvogt Geßler soll die Schweizer mit Gewalt dazu genötigt haben, einen auf eine Stange gesteckten Hut zu grüßen.

Der „Rechtsstaat“ ist keine Erfindung der modernen Demokratie, es gab ihn schon zu Zeiten des Alten Fritz. – Der Alte Fritz war zwar ein „aufgeklärter“ Monarch, aber er war ein ebenso absolutistischer Herrscher wie seine gekrönten Zeitgenossen in aller Herren Länder.

Und so nimmt es nicht wunder, daß die „Rechtquellenlehre“ sich seit den Tagen Friedrich des Großen nicht grundlegend geändert hat.

Der Herr Elbers muß sich jetzt vorstellen am Pokertisch zu sitzen:

Einer der Mitspieler setzt buchstäblich Haus und Hof aufs Spiel. Der Herr Elbers gewinnt und der Mitspieler überschreibt ihm auf einem Zettel sein Grundstück. Herr Elbers freut sich, kündigt seine Wohnung und steht zum nächsten Ersten mit dem Möbelwagen vor dem Grundstück seines ehemaligen Mitspielers. – Der wird über den Umzugsversuch lachen, und zwar aus zwei Gründen, denn zum einen können durch Spiel und Wette keine Verbindlichkeiten begründet werden, zum anderen versperrt das Gesetz den Weg der Übertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken auf mündlichem oder schriftlichem Weg. – Bei Grundstücksgeschäften muß ein Notar eingeschaltet werden. Alle anderen Vertragsformen, mündlich, Text- oder Schriftform sind nichtig. – Und was nichtig ist, ist nicht in der Welt.

Der Herr Elbers kann vor Gericht ziehen, wird aber in diesem Prozeß regelrecht vor die Wand fahren. – Was nichtig ist, ist nichtig, so wird es ihm der Richter in einem knapp gefaßten Urteil mitteilen.

Eigentlich klar, wird der Herr Elbers sagen, was nicht ist, das ist eben nicht.

Aber das ist nicht immer so, vor allem dann nicht, wenn es um „Gesetze“ geht. Da schert sich niemand um die Nichtigkeit derselben:

1. Nichtigkeit als Grundsatz

Entspricht eine Rechtsquelle dem einen oder anderen zwingenden Erfordernis nicht, so ist sie grundsätzlich ungültig (nichtig). Es spricht jedoch eine (widerlegbare) Vermutung dafür, daß die Angaben der amtlichen Veröffentlichung einer geschriebenen Rechtsquelle über ihr Zustandekommen richtig sind und daß die Rechtsquelle den jeweils ranghöheren, insbesondere den Rechtsgrundsätzen und verfassunggestaltenden Grundentscheidungen nicht widerspricht (s. Götz Meder, Das Prinzip der Rechtmäßigkeitsvermutung, 1970). Dies gilt insbesondere für alle förmlichen Gesetze, auf deren Nichtigkeit sich niemand rechtsgültig berufen kann, bevor sie von einem Verfassungsgericht durch Urteil ausgesprochen worden ist. Sie gelten sogar idR bis zur Verkündung der Nichtigkeitsentscheidung oder sogar über diese hinaus (Korrektionspflicht; s. § 31 II, § 79 BVerfGG; BVerfGE 18, 301; 22, 360; 33, 347f.; 34, 25f.; 35, 148; BVerwGE 41, 266f.; nwOVG, DVB1. 1970, 294 m. abl. Anm. v. Hoppe; Rupp, JuS 1963, 469ff.; C. Böckenförde, Die sog. Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze, 1966; Pestalozza, AöR [1971], 27ff.; Sche-fold/Leske, NJW 1973, 1297ff. mwN u. Söhn, Anwendungspflicht oder Aussetzungspflicht bei festgestellter Verfassungswidrigkeit von Gesetzen, 1974). Ähnlich verhält es sich mit Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts (Art. 174 EGV) sowie mit Rechtsverordnungen (§ 47 VI VwGO). Widerspricht eine innerstaatliche Vorschrift dem Gemeinschaftsrecht, dann ist sie lediglich unanwendbar und nicht nichtig (BVerwGE 87, 154, 158 ff.).

Ist ein oder sind einige Rechtssätze einer geschriebenen Rechtsquelle ungültig, so sind es andere derselben Rechtsquelle nur, soweit sie ihren logischen, sachlichen oder rechtlichen Sinn verlieren. In Betracht kommt also eine Teilnichtigkeit. Die Rspr. ist uneinheitlich (s. BVerfGE 8, 300f.; 9, 213, 217; aber auch 29, 71; BVerwG, DVB1. 1974, 295: Totalnichtigkeit bei wesentlicher Unvollständigkeit; nwOVG, DÖV 1973, 528. A. M. OVG Lüneburg, DÖV 1971, 821 u. z.T. v. Mutius, VerwArch. 65 [1974], 91 ff. mwN; BVerwG, NVwZ 1990, 157 und 159; UPR 1991, 447 zu Bebauungsplänen u. Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, 1973, der § 139 BGB analog anwendet).

Erfüllt ein bestimmter Staatsakt zwar nicht die an die intendierte, wohl aber die an eine andere Rechtsquellenart oder die an eine Verwaltungsvorschrift gestellten Geltungsbedingungen, so gilt sie als solche, sofern sie auch dann sinnvoll ist (Umdeutung- z.T. a.M. Wimmer, DVB1. 1970, 306)

(Hans J. Wolff – Otto Bachof – Rolf Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Auflage, München 1994), S. 310 ff.)

Lieber Herr Elbers! – Haben Sie genau gelesen? – Ich wiederhole zum Mitschreiben (Copy&Paste tun’s auch):

Dies gilt insbesondere für alle förmlichen Gesetze, auf deren Nichtigkeit sich niemand rechtsgültig berufen kann, bevor sie von einem Verfassungsgericht durch Urteil ausgesprochen worden ist. Sie gelten sogar idR bis zur Verkündung der Nichtigkeitsentscheidung oder sogar über diese hinaus .

Bezogen auf Ihren Pokergewinn könnten Sie mit Sack und Pack bei Ihrem Mitspieler einziehen und dort wohnen bleiben, bis die Nichtigkeit der Eigentumsübertragung letztinstanzlich festgestellt wird. – Da gehen gut und gern 15 bis 20 Jahre ins Land…

Sie haben also kein Recht, aber obwohl Sie kein Recht haben, muß man Ihre angemaßte Rechtsposition so lange unbeschränkt beachten, bis die Tatsache, daß Sie das behauptete Recht nicht haben, höchstrichterlich festgestellt ist.

Das kann es doch wohl nicht sein! – Erst recht kann das kein „Recht“ sein, denn es läuft darauf hinaus, daß:

der Hut auf der Stange zu grüßen ist, auch wenn er nicht dem Landvogt Geßler gehört,

der Hut auch zu grüßen ist, wenn er nicht auf der Stange ist,

der Hut auch zu grüßen ist, wenn keine Stange da ist, auf der sich der Hut befinden könnte.

Und die Stelle, an der sich die Stange mit dem Hut, der nicht auf der Stange ist, nicht befindet, ist so lange zu grüßen, bis das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, daß sich an der Stelle, an der sich die Stange mit dem Hut, der nicht auf der Stange ist, nicht befindet, weder Hut noch Stange ist.

Das verstehe einer! – Vor allem vor dem Postulat der “Einheitlichkeit der Rechtsordnung”.

Aber wir sind tagtäglich mit dem Hut, der nicht auf der Stange ist, und der Stange, die nicht einmal da ist, konfrontiert und müssen ihn grüßen. Anderenfalls wird ein Bußgeld fällig oder es droht sogar ein Strafverfahren!

Die ebenso erstaunliche wie erschreckende Wirksamkeit des Geßlerhutprinzips zeigt die oben erwähnte Polizeiverordnung vom 1. September 1941. Danach war es Mitbürgern, die als “Juden” galten, verboten, sich ohne entsprechende Kennzeichnung in der Öffentlichkeit zu zeigen. Selbstverständlich wurde die “Kennzeichnung” genauestens vorgeschrieben. – Es war also durchaus nicht so, daß “die Nazis” “die Juden” gezwungen hätten, einen gelben Stern zu tragen; nein, ausgesprochen perfide nutzte man die Rechtssetzungsbefugnis zu der wesentlich harmloser klingenden Formulierung des Verbots, sich ohne Stern in der Öffentlichkeit zu zeigen. – Sollen die Juden und alle, die als solche gelten, doch gefälligst zuhause bleiben!

Gerdazu Paradebeispiel für den Mißbrauch der Rechtssetzungsbefugnis ist das “Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung” vom 17.12.1935, das heute als “Rechtsdienstleistungsgesetz” durch die deutsche Rechtsgeschichte geistert. Die Geister, die der “Führer” rief, werden wir bis heute nicht los: Günter Rennen und Gabriele Calibe schreiben im Vorwort zur 1. Auflage ihres Kommentars zum Rechtsberatungsgesetz (zitiert nach Rennen/Calibe Rberg, 2. Auflage, München 1992 Seite römisch 5) zwar, das Rechtsberatungsmißbrauchsgesetz sei zwar ein “Produkt der nationalsozialistischen Zeit”, aber kein antijüdisches Gesetz; sogar der Bundesgesetzgeber sei in mehreren Gesetzen nicht nur von der Fortgeltung dieses Gesetzes ausgegangen, es habe sogar Pate gestanden bei der Schaffung des Steuerberatungsgesetzes; sogar die Bundesregierung hätte sich mit der Aufnahme in die Sammlung des bereinigten Bundesrechts (Bundesgesetzblatt Teil III) ausdrücklich zur Fortgeltung bekannt, aber diese durchaus gängige Meinung kann nicht unwidersprochen bleiben. Der Inhaber der gesetzgebenden Gewalt des “Dritten Reiches” trug ein Menjou-Bärtchen und ließ sich mit “mein Führer” anreden. Der “Gesetzgeber” konnte Juristen nicht leiden, jüdische erst recht nicht. Das “rechtssuchende Publikum” war diesem “Gesetzgeber” vollkommen wurscht, wie die spätere Gründung und auch die Spruchpraxis des Volksgerichtshofs und der Standgerichte beweist. 1935 waren die jüdischen Juristen aus dem öffentlichen Dienst entfernt und jüdische Rechtsanwälte aus den Anwaltskammern ausgeschlossen worden. Was also lag näher als jüdische Juristen endgültig brotlos zu machen und aus dem Rechtswesen zu vertreiben, als sich unter dem Deckmantel des Rechtsstaats und den “schützenswerten Interessen des rechtssuchenden Publikums” zu verbergen und ein de facto Berufsverbot für alle jüdischen Juristen zu verhängen. Diese Stoßrichtung des Gesetzes ergibt sich aus dem Gesetz selbst, denn Artikel 4 RberG schließt alle Entschädigungsansprüche für die Verhängung des Berufsverbots ausdrücklich aus. – Wieder einmal durch die Formulierung des Gesetzestextes verharmlost: Die Durchführung der Artikel 1 und 2 dieses Gesetzes sowie der zu ihrer Ausführung erlassenen Vorschriften begründet keine Ansprüche auf Entschädigung. – Die Einstellung des “Gesetzgebers” von 1935 gegenüber dem “rechtssuchenden Publikum” offenbarte sich spätestens 9 Jahre später, als auch die besten Anwälte der Welt die Protagonisten des “20.Juli” nicht hätten retten können.

Daß das Geßlerhutprinzip der Willkür, die sich die in Bund, Ländern und Gemeinden “herrschende” Exekutive und die „demokratischen Parteien“ zweifellos auf die Fahnen geschrieben haben, Vorschub leistet, und damit das Rechtsstaatsprinzip zur Unkenntlichkeit verstümmelt, bedarf wohl keiner näheren Begründung, weil es eben auf der Hand liegt.

Seit den Studententagen eines Roland Freisler haben sich weder die Juristen- noch die Beamtenausbildung grundlegend geändert. – Was „von oben“ kommt, wird vollzogen und für „Recht“ erkannt. Die „Spielregeln“ des Obrigkeitsstaates konnten sich so in den angeblich „demokratischen Rechtsstaat“ hinüberretten und diesen unterwandern.

In diesem Punkt unterscheidet sich die “BRD” von der “DDR” nicht grundlegend, wie Rolf Henrich in seinem Buch “der vormundschaftliche Statt” zutreffend feststellte: Die Schwäche der deutschen Rechtsstaatsidee war es seit jeher, daß dem Schutz der Individualrechte und der Beachtung strenger Gesetzlichkeit eine grundlegendere Bedeutung beigemessen wurde als dem für den Bestand des Rechtsstaates selber zentralen Moments einer demokratischen Verfassung. Aber spätestens seit dem Ende der gerade diese Schwäche offenbarenden Weimarer Republik wissen wir allmählich immer besser zu unterscheiden zwischen der bloßen Legalität, die auch eine ordentliche Desportie mit ihren Verwaltungsmaßnahmen in bestimmtem Umfang wahren will, und einem mehr inhaltlichen Begriff des “Rechtsstaats”, der die Sicherung der subjektiven Rechte mit demokratischen Formen der Einflußnahme auf die die Macht verbindet. Dadurch aber rückt die Idee des Rechtsstaats in die unmttelbare Nähe dessen, was wir den demokratischen Geist einer Gesellschaft nennen können, und dieser trägt wahrscheinlich in der alltäglichen Praxis am wirkungsvollsten dazu bei, die Staatsmacht in ihr angemessenen Grenzen zu halten. (Rolf Henrich, der vormundschaftliche Staat, 17-24 Tausend, Reinbek 1989, S. 289) –

Auch die “DDR”, die Henrich im Visier hatte, gründet auf dem Geßlerhutprinzip. Der Hut, wenn er erst einmal auf der Stange ist, ist von allen zu grüßen. – Darüber wacht laut Friedrich Schiller die Security-Firma Leuthold und Friesshardt. – Schiller bildet in wenigen Worten die Tugendwacht des geballten Willens von EU_Kommission und NRW-Landesregierung sehr genau ab:

“Friesshardt. Wir passen auf umsonst. Es will sich niemand

Heranbegeben und dem Hut sein’ Reverenz

Erzeigen. ’s war doch sonst wie Jahrmarkt hier,

Jetzt ist der ganze Anger wie veödet,

Seitdem der Popanz auf der Stange hängt.

Leuthold. Nur schlecht Gesindel lässt sich sehn und schwingt

Uns zum Verdrieße die zerlumpten Mützen.

Was rechte Leute sind, die machen lieber

Den langen Umweg um den halben Flecken,

Eh sie den Rücken beugten vor dem Hut.

Friesshardt. Sie müssen über diesen Platz, wenn sie

Vom Rathaus kommen um die Mittagsstunde.

Da meint ich schon, ’nen guten Fang zu tun,

Denn keiner dachte dran, den Hut zu grüßen.

Da sieht’s der Pfaff, der Rösselmann – kam just

Von einem Kranken her – und stellt sich hin

Mit dem Hochwürdigen, grad vor die Stange –

Der Sigrist musste mit dem Glöcklein schellen,

Da fielen all aufs Knie, ich selber mit,

Und grüßten die Monstranz, doch nicht den Hut. –

Leuthold. Höre Gesell, es fängt mir an zu deuchten,

Wir stehen hier am Pranger vor dem Hut,

’s ist doch ein Schimpf für einen Reitersmann,

Schildwach zu stehn vor einem leeren Hut –

Und jeder rechte Kerl muß uns verachten.

Die Reverenz zu machen einem leeren, hohlen Hut?

Es ist doch traun! Ein närrischer Befehl!

Friesshardt. Warum nicht einem leeren, hohlen Hut?

Bückst du dich doch vor manchem hohlen Schädel.

Leuthold. Und du bist auch so ein dienstfertger Schurke,

Und brächtest wackre Leute gern ins Unglück.

Mag, wer da will, am Hut vorübergehen,

Ich drück die Augen zu und seh nicht hin.”

Soweit Schillers “Wilhelm Tell” – die Beschreibung des immer wiederkehrenden Verhaltensmusters, das im 20. Jahrhundert weltweit verheerende Folgen zeitigte. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß die Polizeiveerordnung über die Kennzeichnung der Juden vielleicht noch heute gelten würde, wäre sie nicht durch das Gesetz Nr 1 des Aliierten Kontrollrats für Deutschland aufgehoben worden. Der Geßlerhut zeigte also auch seine Kraft gegenber den Alliierten!

Die nächsten Tage werden zeigen, ob Dirk Elbers eher dem Leuthold oder eher dem Friesshard zugeneigt ist. Mit einer Friesshard-Einstellung ist er freilich für das öffentliche Amt eines Bürgermeisters im Sinne des Artikels 33 Abstz 2 des Grundgesetzes persönlich ungeeignet und hätte nie Bürgermeister werden dürfen.

Und Dirk Elbers möge sich nie hinter Rechtsvorschriften verbergen, die ihm angeblich die „Hände binden“. – Nur „bindende“ Rechtsvorschriften können Beamtenhände binden. In diesem Zusammenhang muß ich leider erneut Rolf Henrich zitieren:

Rechtsstaat und Demokratie sind gewolltes und hergestelltes Menschenwerk, also offene und und entwicklungsfähige Formen menschlichen Verkehrs. Weil das so ist, müssen wir uns aber auch immer wieder neu fragen, worin die vernünftige Begrenzun des demokratischen Prinzips liegen könnte. Wir benötigen die Demokratie für unssere soziale und politische Selbstverteidigung, für die Durchsetzung einer Gesellschaftsordnung, in der man uns nicht weiterhin “einmauern”, entmündigen und mit Hilfe des Geheimdienstes schrgeln kann. Wir brauchenaber die Demokratie dort nicht, den da wäre es dann wieder n die übliche scheinheilige Form, wo, wie etwa im freien Geistesleben, die natürliche Begabung erforderlich ist, wo man also mittels Mehhetsentscheidng gar nicht zu vernünftigen Entscheidung kommen kann.

Das zu begreifen fällt schwer. Gemeinsam mit unseren Meisterdenkern sind wir leider allzu lange der Illusion nachgerannt, es sei vorteilhaft und die Menschen wünschten sich das auch, daß noch bis in die letzte “Küche” des Landes hinein demokratisiert würde. Derweilen konnten wir schon nicht einmal wir schon nicht einmal mehr “jenen undenlich kleinen Bruchteil an Macht” wahrnehmen, den noch der verkommense Parlamentarismus seinem Wahlvolk zugesteht und den der Staatssozialismus bis heute denMeschen vorenthält. (Henrich aaO, 299)

Das von den “politschen Parteien” und deren maßgeblichen Vertretern an den Tag gelegte Verhalten spiegelt den von Henrich kritisiertem “Staatssozialismus” der früheren “DDR” sehr genau wider. Auf allen Ebenen der Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts (Bund, Länder und Gemeinden) sind nicht Recht und Gesetz ausschlaggebend, sondern vielmehr Parteitagsbeschlüsse, die sich in Koalitionsverträgen niederschlagen und auf Gedeih und Verderb unter Zuhilfenahme des “Fraktionszwangs” durchgeboxt werden. – Und all das ohne Rücksicht auf die vom Inhaber der verfassungsgebenden Gewalt im Grundgesetz niedergelegten Spielregeln der bundesdeutschen Demokratie. – Und das unter den wohlwollenden Augen der Verfassungsrichter auf Bundes- und Landesebene. Deren Funktion als “Papa Gnädig” kommt schließlich auch nicht von Ungefähr, denn die obersten Richterstellen werden schließlich entgegen Art. 33 Abs. 2 nicht nach beruflicher Qualifikation sondern nach Parteiproporz von einer kleinen, aus Berufspolitikern bestehenden Schar “gewählt” (Richterwahlausschuß!). Die gesetzgebende Gewalt, die unter der Knute der vollziehenden Gewalt steht, herrscht über die rechtsprechende Gewalt.

Kein Wunder also, daß die Verfahrensordnungen, insbesondere auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, so ausgestaltet sind, daß der Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Exekutive, vor allem aber gegenüber denen der Legislative, so gering wie möglich ist. – Verfahrensdauer und Kostenrisiko sind die hervorstechensten Merkmale dieses Kalküls von Legislative und Exekutive. – Die Richter werden nicht gefragt, sie haben ihre Verfahrensordnung, an die sich halten, und damit ist dem “Willen des Gesetzgebers” Genüge getan. – Und sie folgen diesem “Willen” auch bereitwillig. Sie realisieren nicht, daß ihr Gehalt aus den öffentlichen Haushalten bestritten wird, also auch dann gezahlt wir, wenn sie nichts zu tun haben. – Für sie, wie für die Mitgleider des Bundestages und der Landtage, die “Regierungen” in Bund und Ländern, scheint das Grundgesetz so etwas wie eine unverbindliche Absichtserklärung des “Parlamentarischen Rates” zu sein.

Anders ist es auch nicht zu erklären, daß mit dem “Ordnungswidrigkeitengesetz” der “vollziehenden Gewalt” ein erheblicher Teil der “Strafgewalt”, also eigentlich “rechtsprechende Gewalt” übertragen wurde. Und in diesem Zusammenhang hat der “Gesetzgeber” den nachgeordneten Stellen der “vollziehenden Gewalt” bis hinab zu den Gemeinden eine erstaunlich und erschreckend weitgehende “Rechtssetzungsbefugnis” übertragen. Jede Gemeinde kann für jeden Hundehaufen ein schwindelerregendes Bußgeld androhen und verhängen. – Soll doch der Betroffene die “rechtsprechende Gewalt” anrufen, wenn der Hund den Hut, der nicht auf der Stange ist, nicht gebührend grüßt, sondern ihm einen dicken Haufen vor die nicht anwesende Nase setzt! – Auf diese Weise kann aber nur ein “Obrigkeitsstaat”, der mit “Gesetzen und Verordnungen” die Untertanen gängelt, funktonieren; ein demokratischer Rechtsstaat, dessen Glanz gerade in der Abwesenheit einer “Obrigkeit” besteht, wird so ebenso schleichend wie zwingend außer Vollzug gesetzt.

Ziehen Sie sich nicht, ich wiederhole es ausdrücklich und eindringlich, auf angebliche “Rechtsvorschriften” zurück, die Ihnen angeblich “die Hände binden”. – Es gibt diese “Rechtsvorschriften” nicht. – Schiller würde wohl sagen, der Herr Elbers solle seinen gebeugten Rücken nicht mit dem Bücken vor einem hohlen Schädel zu rechtfertigen versuchen.

Der “hohle Schädel” beruht ausschließlich auf der Mißachtung der gesetzgebenden, der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt gegenüber dem Willen der verfassungsgebenden Gewalt, der im Grundgesetz für die Bundesreublik Deutschland seinen Niederschlag gefunden hat.

Wenn aber die obersten Repräsentanten des „Staates“ und Bundesrichter sich weigern, sich vom Grundgesetz die „Hände binden“ zu lassen, dann sind subalterne Beamte von der „Bindungwirkung“ nichtiger Gesetze und rechtswidriger Anweisungen von Landräten, Regierungspräsidenten und Ministern befreit. Es reicht dann eine einfache Erklärung des Inhabers der verfassungsgebenden Gewalt, Beamte von den Fesseln des Gehorsams gegenüber dem “Gesetz” oder den Anweisungen des Disziplinarvorgesetzten zu befreien. – Und in diesem Zusammenahng braucht man nicht unbedingt eine Volksabstimmung, eine im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag erteilte Weisung kann und muß als rechtsverbindlicher Befehl reichen.

Zudem bindet Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes die vollziehende Gewalt an Recht und Gesetz. Wenn aber ein Gesetz nicht existiert, weil es schon aus formalen Gründen nicht existieren kann, und darüber hinaus die “roten Linien”, die einen Rechtsstaat von der Diktatur trennen, in erheblichem Umfang überschreitet, dann darf kein deutscher Beamter das “Gesetz” anwenden. Vielmehr ist er aufgrund seines Beamteneides, der ihn an Recht und Gesetz, vor allem aber an den im Grundgesetz verkörperten Willen des Inhabers der verfassungsgebenden Gewalt bindet, in Vollziehung des Artikels 20 Absatz 4 zum Widerstand gegenüber dem “Willen des Gesetzgebers” verpflichtet.

In diesem Zusammenhang halte ich es für erforderlich darauf hinzuweisen, daß nach der Lebenserfahrung die Verwendung der Worte “Wille des Gesetzgebers”, politischer Wille”, ja allein das Wort “Politik” bei Beamten aller Bersoldungsgruppen, vor allem aber bei Otto-Normaljurist bis hinauf zum Bundesrichter eine Notabschaltung des Gehirns zur Folge hat. – Das aber ist weder im Sinne des Inhabers der verfassungsgebenden Gewalt gewollt noch kann es von diesem geduldet werden.

Nach allem sind die Beamten der Stadt Düsseldorf verpflichtet, den Vollzug des – nicht vorhandenen – Nichtraucherschutzgesetzes zu unterlassen.

Mit freundlichen Grüßen

(Gerhard Altenhoff)

Anlage:

Polizeiverordnung vom 1.9.1941

Entwurf Stellenausschreibung