Sauerland macht sauer – ganz zu Unrecht

August 3, 2010

Tragödie von Duisburg: Sauerland hat es seinen Gegnern zu leicht gemacht – Nachrichten Debatte – Kommentare – WELT ONLINE.

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Das müssen Sie mir mal erklären, aber bitte so, als wäre ich vier Jahre alt:

Der Wulff, der eigenmächtig sein Dienstverältnis zum Souverän des Landes Niedersachsen aufgelöst hatte, um im Schloß Bellevue residieren zu können, legt dem Duisburger OB den „Rücktritt“ nahe. – Wie kommt der Mann dazu?

Den Begriff „Rücktritt“ werden Sie sowohl in der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen als auch in dessen Landesbeamtengesetz vergeblich suchen:

http://www.phv-nw.de/cms/images/stories/Inhalt/Rechtsberatung/Rechtsgrundlagen/LBG-Stand-01-04-09.pdf

http://www.krefeld.de/C12574F7004F6A8A/files/Gemeindeordnung_NRW.pdf/$file/Gemeindeordnung_NRW.pdf

Auch der Oberbürgermeister einer Stadt ist ein „preussischer Beamter“. Und der bittet gefälligst um Entlassung oder wird aus dem Dienst entfernt.

So will es das Grundgesetz, das in Artikel 33 den öffentlichen Dienst an die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ bindet.

Selbstverständlich hatte man bei der Neuordnung der Kommunalverfassung des Landes Nordrhein-Westfalen in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts es so geregelt, daß auch die Spitzenämter der Kommunen in erster Linie mit „Berufspolitikern“ besetzt werden konnten. – Das hatte man sich aus den neugeschaffenen Bundesländern abgeschaut, wo sich das System bewährt hatte. – Stasispitzel hin, Stasispitzel her – Hauptsache, der oberste Kommunalbeamte ist Parteifreund. – Schöne Grüße aus dem Landkreis Rügen, wo ein gewisser Klaus Eckfeldt nahtlos vom Stasi-Spitzel zum langjährigen Landrat mutierte, weil er bei der ersten „freien“ Kommunalwahl die meisten Stimmen für die CDU „auf sich vereinigt“ hatte. – Das machte ihn zur Person, die für das Amt des höchsten Kommunalbeamten und als unterste staatliche Verwaltungsbehörde in einem Rechtsstaat zum bestqualifizierten Mann. – Bauingenieur – nach DDR-Maßstäben – war er. – Klar, beim „Aufbau Ost“ mußte man auf qualifizierte Bauarbeiter auch in den Behörden zurückgreifen…

So kann heute jeder Dorfschullehrer, ja selbst Bob der Baumeister auch in Nordrhein-Westfalen zum „Landrat als Kreispolizeibehörde“ aufsteigen, ohne das Polizeigesetz für das Land Nordrhein-Westfalen jemals gelesen zu haben. – Ähnliches hatte es in Deutschland schon einmal, aber nur einmal, gegeben, als der Reichsführer-SS zum „Chef der Polizei“ gekürt worden war.

Wo das hinführt, dafür ist Duisburg ein unvergeßliches Fanal.

Der fahnenflüchtige Niedersache, aber auch die Bürger der Stadt Duisburg können sich auf den Kopf stellen und mit den Beinen „Hurra“ schreien, ihr Adolf wird nicht „zurücktreten“, weil er es aus Rechtsgründen gar nicht kann.

Wir setzen voraus, daß mit der Rücktrittsforderung gemeint ist, Sauerland solle aus dem Amt scheiden. – Das kann er machen, auch ohne „Rücktritt“. Für das „Aus-dem-Amt-Scheiden“ hat der Gesetzgeber zwei Wege geschaffen.

Der Erste ist die Entlassung nach Beamtenrecht:

§ 27 Landesbeamtengesetz (NRW)

Entlassung

(1) Der Beamte ist zu entlassen, wenn er bei Übertragung eines Amtes, das kraft Gesetzes mit dem

Mandat unvereinbar ist, Mitglied des Europäischen Parlaments, des Bundestages oder des Landtags

war und nicht innerhalb der von der obersten Dienstbehörde gesetzten angemessenen Frist sein Mandat niederlegt.

(2) Der Beamte ist ferner zu entlassen, wenn er als Beamter auf Zeit seiner Verpflichtung nach § 4 letzter Satz und § 120 Abs. 2 Satz 4 nicht nachkommt.

(3) Das Verlangen entlassen zu werden muss schriftlich erklärt werden. Ein Verlangen in elektronischer Form ist nicht zulässig. Die Erklärung kann, solange die Entlassungsverfügung dem Beamten noch nicht zugegangen ist, innerhalb von zwei Wochen nach Zugang bei der dienstvorgesetzten Stelle, mit Zustimmung der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 zuständigen Stelle auch nach Ablauf dieser Frist, zurückgenommen werden.

(4) Die Entlassung ist für den beantragten Zeitpunkt auszusprechen. Sie kann jedoch solange hinausgeschoben werden, bis der Beamte seine Amtsgeschäfte ordnungsgemäß erledigt hat; eine Frist von drei Monaten darf dabei nicht überschritten werden.

§ 28

Entlassungsverfahren

(1) Die Entlassung wird von der Stelle verfügt, die nach § 17 Abs. 1 und 2 für die Ernennung des Beamten zuständig wäre. Die Entlassung bedarf der Schriftform. Eine Verfügung in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

(2) Die Entlassung tritt im Falle des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG mit der Zustellung der Entlassungsverfügung, im Falle des § 27 Abs. 2 mit dem Ablauf der Amtszeit, im Übrigen mit dem Ende des Monats ein, in dem die Entlassungsverfügung dem Beamten zugestellt worden ist.

(3) Nach der Entlassung hat der frühere Beamte keinen Anspruch auf Leistungen des Dienstherrn, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Er darf die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhange mit dem Amt verliehenen Titel nur führen, wenn ihm die Erlaubnis nach § 78 Abs. 4 erteilt ist. Tritt die Entlassung im Laufe eines Kalendermonats ein, so können die für den Entlassungsmonat gezahlten Dienst- oder Anwärterbezüge dem Beamten belassen werden.

Damit ist das Ende der Fahnenstange für einen Beamten erreicht, der aus dem Dienst ausscheiden möchte. – Auch für einen Oberbürgermeister, wie § 119 des Landesbeamtengesetzes zeigt:

§ 119

Bürgermeister und Landräte

(1) Auf die Bürgermeister finden die für die Beamten allgemein geltenden Vorschriften Anwendung, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist.

(2) Bürgermeister sind Wahlbeamte in einem Beamtenverhältnis auf Zeit. Sie sind nicht verpflichtet, sich einer Wiederwahl zu stellen.

(3) Das Beamtenverhältnis wird mit dem Tage der Annahme der Wahl, frühestens mit dem Ausscheiden des Vorgängers aus dem Amt, begründet (Amtsantritt) und bedarf keiner Ernennung Es endet mit Ablauf der Wahlzeit. Diese beträgt sechs Jahre, beginnend mit dem Amtsantritt. Das Beamtenverhältnis ist nichtig, wenn die zugrunde liegende Wahl unwirksam ist. Die bis zur rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl vorgenommenen Amtshandlungen sind in gleicher Weise gültig, wie wenn sie ein Beamter ausgeführt hätte.

(4) Für Bürgermeister gilt keine Altersgrenze. Auf den Eintritt in den Ruhestand finden §§ 31 und

Abs. 3 keine Anwendung. Bürgermeister treten mit Ablauf ihrer Amtszeit in den Ruhestand, wenn sie

  1. insgesamt eine mindestens achtjährige ruhegehaltfähige Dienstzeit erreicht und das fünfundvierzigste Lebensjahr vollendet haben oder

  2. eine ruhegehaltfähige Dienstzeit im Sinne des § 6 des Beamtenversorgungsgesetzes in der am 31. August 2006 geltenden Fassung von achtzehn Jahren erreicht haben oder

3. als Beamter auf Zeit eine Gesamtdienstzeit von acht Jahren erreicht haben; anderenfalls sind sie entlassen. Die ruhegehaltfähige Dienstzeit im Sinne des Satzes 3 Nr. 1 schließt neben den kraft Gesetzes zu berücksichtigenden Zeiten auch solche Zeiten ein, die durch Ermessensentscheidung

als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkannt worden sind.

(5) Auf abgewählte Bürgermeister finden die §§ 38 LBG NRW und 30 Abs. 3 S.3 BeamtStG entsprechende Anwendung. Mit Ablauf der Amtszeit gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Die Aufgaben der für die Ernennung zuständigen Stelle nimmt im Falle der Entlassung (§ 28) und der Versetzung in den Ruhestand (§ 36) die Aufsichtsbehörde wahr, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. In den Fällen des § 34 LBG, §§ 27 und 37 BeamtStG sowie des § 45 Abs. 3 des Beamtenversorgungsgesetzes in der am 31. August 2006 geltenden Fassung nimmt die Aufsichtsbehörde die Aufgaben der dienstvorgesetzten Stelle wahr.

(7) Bei Anwendung des § 85 BeamtVG in der am 31. August 2006 geltenden Fassung gilt ein am 30. September 1999 bestehendes Beamtenverhältnis auf Zeit als ein unmittelbar vorangehendes öffentlichrechtliches Dienstverhältnis im Sinne dieser Vorschrift.

(8) Für Landräte gelten die Absätze 1 bis 7 entsprechend.

Haben Sie eine Regelung für den Fall des „Rücktritts“ entdeckt? – Falls ja, bitte informieren Sie mich umgehend, ich werde dann ebenso umgehend die gelbe Binde mit den drei schwarzen Punkten anfordern.

Dieses war der erste Weg, den man als Oberbügermeister gehen kann, um zu gehen. – Man kann freilich auch gehen, indem man duldet, daß man „gegangen wird“; – und zwar durch Abwahl nach § 66 der Gemeindeordnung für das Land NRW.

Bei einer Abwahl nach § 66 der Gemeindeordnung muß die Initiative vom Stadtrat ausgehen. – Unterschriftenaktionen der Bürger reichen nicht. Erst wenn der Stadtrat mit qualifizierter Mehrheit das Abwahlverfahen beschlossen hat, ist der Weg zur Abwahl durch das Volk freigegeben.

Im Wege des aus der Serie „Law and Order“ bekannten „Plea-Barganinigs“ kann der Bürgermeister oder Oberbürgermeister auf sein Recht, durch das Volk abgewählt zu werden, verzichten und einer – erwarteten – Volksabstimmung zuvorkommen.

Dann und erst dann, kann man von dem so ersehnten „Rücktritt“ sprechen, denn nach §66 Absatz 3 Satz 3 gilt die Abwahl mit Ablauf des Tages als erfolgt, an dem die Verzichtserklärung dem ehrenamtlichen Stellvertreter des Bürgermeisters zugegangen ist.

Für solche Spielchen, die sich ein Horst Köhler geleistet hat, ist, das zeigen die klaren Regeln, in „‚Schland“ kein Raum. – die Kommunen sind, so will es das Gesetz, keinen „Deut“ besser als diese unsere Analogrepublik, in der sich jeder bei vollen Bezügen seiner Pflichten entledigen kann, sofern er nur Berufspolitiker ist.


Die Kraft und die Herrlichkeit des Stimmzettelfaschismus

Juli 6, 2010

In Nordrhein-Westfalen haben wir die Kraft, in Bayern haben wir die Kraft nicht, aber nach 1923 den zweiten Versuch, Demokratie durch autoritäre Strukturen zu ersetzen. – Die Bayern marschieren nicht nach Berlin, mit dem Umrubeln des absoluten Minderheitsvotums gegen das Rauchen in den Willen der Mehrheit des Volkes beginnt sich in Deutschland eine Art Stimmzettelfaschismus zu etablieren, der nicht hingenommen werden kann.

Seit wann sind 61% von 37,7% der Wahlberechtigten die „Mehrheit des Volkes“.

Das müssen Sie mir mal vorrechnen, aber bitte so, als wäre ich vier Jahre alt.

Zu Fuß“, also knapp vor dem Komma, komme ich gerade mal auf 23% auch nur der „Wahlberechtigten“!  – Kinder und Jugendliche, die auch in den Kneipen rauchen und saufen möchten, bleiben ganz draußen vor.

Mit der „veröffentlichten Meinung“ stimmt etwas nicht, es stimmte schon im „Dritten Reich“ nicht. Daß sie aber auch im Jahre 2010 von der Wahrheit  so gravierend abweicht, daß der Herr Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda seine helle Freude daran hätte ,  – das  gibt doch erheblich zu denken:

Könnte es sein, daß Johann W. v. Goethe darin beizupflichten ist, wenn er schreibt:

Die Zeitungen sind eigentlich nur da, um die Menge hinzuhalten und über den Augenblick zu verblenden, es sei nun, daß den Redakteur eine äußere Gewalt hindere, das Wahre zu sagen, oder daß ein innerer Parteisinn ihm ebendasselbe verbiete. (Goethe, Annalen, zitiert nach Maurer, Wert und Würde – Goethe Gedanken, Berlin 1947, S. 29) Fragezeichen!

Das totale Minderheitsvotum in den „Willen der Mehrheit“, gar in den expliziten Volkswillen umzurubeln, damit beschäftigen sich deutsche Historiker seit dem 30. Januar 1933. – Bekanntlich ist das der Tag, an dem das deutsche Volk einen Adolf Hitler zum Reichskanzler gewählt hatte, ohne eine einzige Stimme auch nur abzugeben.

Wir brauchen aber nicht bis ins Jahr 1933 zurückzugehen, um die Umkehr des vom Volk tatsächlich Gewollten in den vielbeschworenen „Wählerauftrag“, den es von „der Politik“ erbarmungungslos zu „vollstrecken“ gilt, anhand des Beispiels Nordrhein- Westfalens nachzuvollziehen. – Denn vor genau 10 Jahren bildete sich dort schon einmal eine rot-grüne „Regierung“.

Nun sind die Wahlen in Nordrhein-Westfalen gelaufen, die SPD und die Grünen haben „gewonnen“. Die Regierungsbildung ist abgeschlossen und stolz wird verkündet, man habe dem „Wählerauftrag“ Folge geleistet. Der Wähler habe die Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen beauftragt, miteinander einen Koalitionsvertrag abzuschließen und eine gemeinsame Regierung zu bilden. – Der Koalitionsvertrag wurde nach einigen Geburtswehen abgeschlossen; alles, was die Vertragsparteien nach der Wahl miteinander ausgekungelt hatten, wurde als dem Wählerwillen entsprechend verkauft. Die zuständigen Parteigremien der Koalitionsparteien segneten diese Vereinbarung ab, die Regierungsbildung in NRW konnte endlich anlaufen. – Da kann doch was nicht stimmen. So weit kann die Liebe des Souveräns zu seinen Repräsentanten nun wirklich nicht reichen; denn der Inhalt der Koalitionsvereinbarung war nämlich dem Wähler vor der Wahl nicht bekannt. Und daß die Parteien im nachhinein den Wählerwillen repräsentieren könnten, das finde ich in keiner Verfassung dieser Republik niedergelegt. Die Möglichkeit einer Verfassungsänderung durch Parteienbrauch ist mir bislang auch unbekannt. Vielleicht habe ich aber auch nur die entsprechende Vorlesung versäumt. – Kann ja sein.

Aber nehmen wir den „Wählerwillen“ einmal unter die Lupe: Rund 56% der Wähler hatten ihre Stimme abgegeben. Rund 7% davon haben sich für die Grünen entschieden. Der Rest der Wahlberechtigten hat den Grünen eine klare Absage erteilt. – Dennoch geht die Firma Bärbel Höhn & Co hin und maßt sich an, den Menschen im Lande Vorschriften machen zu wollen, weil diese das so gewollt hätten.

Obgleich anonym, ist die Wählerstimme eine rechtsverbindliche Willenserklärung. Mit ihr entscheidet der Souverän rechtsverbindlich über die Zusammensetzung seiner Vertretung für die kommende Legislaturperiode. Man kann daher unter diesem Aspekt die Kandidaturen für ein Abgeordnetenmandate als ebenso rechtsverbindliche Angebote auffassen. Aus gutem Grunde gibt es im deutschen Recht den Grundsatz, daß das Schweigen auf ein rechtsverbindliches Angebot einem klaren „Nein!“ gleichkommt. Diesen Grundsatz setzen auch Grundgesetz und die Länderverfassungen stillschweigend voraus, denn sonst hätte es für Wahlen eine abweichende Regelung getroffen.

7% von 56% der Wahlberechtigten haben den Grünen ihre Stimme gegeben. 49% der Wahlberechtigten haben mit dem Stimmzettel den Grünen eine Absage erteilt. Die Fraktion der Nichtwähler, immerhin 44% der Wahlberechtigten, haben durch ihr Schweigen ebenfalls ihre Ablehnung gegenüber den Grünen zum Ausdruck gebracht. – Ergo haben rund 94% allein der Wahlberechtigten die Politik der Grünen abgelehnt. – Da die Jugend nicht wählen darf, schrumpft die Zustimmung – bezogen auf die Gesamtbevölkerung – auf ein geradezu unbedeutendes Maß.

Daß damit die Legitimation für den Ministerpräsidenten Wolfgang Clement auf tönernen Füßen steht, versteht sich von selbst. Jedenfalls kann er sich zur Rechtfertigung seiner Handlungen und Unterlassungen nicht auf den „Wählerauftrag“ berufen. Die Mehrheit des Wahlvolkes hat er nicht hinter sich scharen können.

Wenn man das Wort „Wählerauftrag“ in den Mund nimmt, sollte man die Landesverfassung zumindest greifbar haben. Dort ist nämlich festgehalten, daß der Landtag einen Ministerpräsidenten wählt. Der tatsächliche „Auftrag“ des Wählers richtet sich an die Abgeordneten, einen Dummen zu finden, dem sie nach ihrer freien Überzeugung das Amt des Ministerpräsidenten anvertrauen können.

Die Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen bietet auch ein augenfälliges Beispiel dafür, daß in unserer Republik der Souverän nicht mehr Herr im eigenen Hause ist, weil die Parteien längst in verfassungswidriger Weise die Macht an sich gerissen haben.

Die Koalitionsvereinbarung hatten zwar Landesfürst Wolfgang und seine Umweltministerin Höhn ausgekaspert; die tatsächliche Zusammenarbeit der entsprechenden Parlamentarier und die Vergabe der Ämter und Posten war aber davon abhängig, daß die jeweiligen Parteien diese Vereinbarung absegneten. Ob und wie Parlament und Regierung arbeiten können, wurde dem Willen der Parteitage unterworfen. Was bedeutet das?

Damit haben die Verhandlungsführer unverhohlen die Rolle eines Vertreters ohne Vertretungsmacht übernommen, die ihnen einerseits gegenüber den Parteien nicht zukommt, andererseits dem tatsächlichen Wählerauftrag als Vertreter des ganzen Volkes zuwiderläuft. Denn wer als Vertreter ohne Vertretungsmacht auftritt, muß seine Handlungen vom „Geschäftsherrn“ absegnen lassen.

Legt man den tatsächlichen Geschehensablauf der nordrhein-westfälischen Regierungsbildung zugrunde, heißen die „Geschäftsherrn“ sowohl SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen. Denn die Kohabitation zwischen Fürst Wolfgang und der grünen Babsi bedurfte der Genehmigung durch deren jeweilige Partei. Dieses Procedere mag der Verfassung der Republik Lummerland entsprechen, der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen entspricht es jedenfalls nicht, denn dort ist eben nicht niedergelegt, daß die Parteien im Lande das Sagen hätten. Ferner, das muß mit Nachdruck betont werden: aus dem eingangs erwähnten Zahlenspiel geht eindeutig hervor, daß der Souverän, verkörpert durch die Mehrheit der Wahlberechtigten, dem Fürsten Wolfgang eindeutig die Gefolgschaft verweigert hat. Sein dennoch wie selbstverständlich erhobener Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten überschreitet damit die Grenze der Usurpation und offenbart die aristokratische und autokratische Einstellung zum Amt und zum formalen Souverän. Kann das noch als demokratische Führungsverantwortung bezeichnet werden? (Gerhard Altenhoff, Der Bundesadel, S. 63)

Hannelore Kraft wurde vom „Wahlvolk“ beauftragt, eine Regierung zu bilden.

Goethe, hätte er diese Schlagzeile in der „Bild“ oder „Express“ gelesen, er hätte seine Zeilen von 1830 erneut an Zelter geschrieben:

Hierbei werd ich veranlaßt, dir etwas Wunderliches zu vermelden und zu vertrauen, daß ich nämlich nach einer strengen schnellen Resolution alles Zeitungslesen abgeschafft habe. Seit den sechs Wochen, daß ich die sämtlichen französischen und deutschen Zeitungen unter ihrem Kreuzband liegen lasse, ist es unsäglich, was ich für Zeit gewann, und was ich alles wegschaffte. (Maurer, a.a.O.)

Der „schweigenden Mehrheit“ nach dem Motto

„Qui tacet consentire videtur“

eine Zustimmung oder das ewige „Ja-Sagen“ zu unterstellen, geht zu weit.

Ich gebe ehrlich zu, bislang nicht weiter recherchiert zu haben, woher dieses Märchen der „modernen“ Demokratie stammt.

Jedenfalls kann die Lehre von der „schweigenden Mehrheit“, die stets den herrschenden Machtverhältnissen in die Hand spielt, die stets das „Gute will und das Böse schafft“, nicht länger Bestand haben. „Das Gute wollen – das Böse schaffen“ – das stellt die Verhältnisse, wie Mephisto sie nach der Auffassung Goethes gewollt hat, glatt auf den Kopf.

Aber

Der Geist, der stets verneint,

das ist der Geist der

„schweigenden Mehrheit“


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